"Unter 2.000 Quadratmeter geht es nicht!" - Experten diskutierten über die Zukunft des Einzelhandels im Landkreis Harburg
mum. Jesteburg. Krasser könnte der Unterschied zwischen Planung und Wirklichkeit in der Raumordnung kaum ausfallen. Unter dem Titel „Einzelhandel in der Sackgasse!?“ diskutierten jetzt Fachleute und Betroffene im Jesteburger „Heimathaus“ auf einer gut besuchten Veranstaltung der liberalen Rudolf-von-Bennigsen-Stiftung über die Zukunft des Einzelhandels im Landkreis Harburg und speziell in Jesteburg.
„Am Beispiel der vom Lüneburger Oberverwaltungsgericht im Eilverfahren vorläufig gestoppten Ansiedlung eines 3.000 Quadratmeter großen Famila-Marktes auf dem Jesteburger Festhallen-Areal zeigt sich, dass gut gemeint nicht immer gut gemacht bedeutet“, so Ulrike Kuhlo, stellvertretende Vorsitzende der Stiftung. Das Landesraumordnungsprogramm (LROP) meint es aus ihrer Sicht gut mit der wohnortnahen Versorgung und verbietet Verbrauchermärkte mit mehr als 800 Quadratmetern Verkaufsfläche in Orten wie Jesteburg, wenn diese Märkte nicht im zentralen Ortsbereich liegen. Ziel dieses Verbots: Auch in den umliegenden Gemeinden sollen Einzelhändler überleben können, um dort die Versorgung mit Produkten des täglichen Bedarfs zu sichern.
„Die Realität sieht aber anders aus. Ein moderner Supermarkt hält heute etwa 20.000 Artikel bereit und braucht dafür eine Fläche zwischen 1.500 und 2.500 Quadratmetern“, sagt Herbert Meyer. Der Unternehmer betreibt zwei große Edeka-Märkte in Hittfeld und Nenndorf.
Der Planungs-Experte Dr. Alexander Stark (Leiter der Abteilung Kreisentwicklung und Wirtschaftsförderung beim Landkreis Harburg), der für die regionale Umsetzung des LROP zuständig ist, spricht sogar von Planungsfetischismus: „Die Planung verselbstständigt sich und bildet die Lebenswirklichkeit der Menschen nicht mehr ab!“
Noch einen Schritt weiter geht Ex-Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP): „Die Einkaufsgewohnheiten der Menschen haben sich stark verändert und werden sich zukünftig weiter rasant entwickeln. Wenn der Einzelhandel nicht die Möglichkeit hat, sich auf die Bedürfnisse moderner, mobiler Menschen einzustellen, dann wird sich der tägliche Einkauf immer mehr in die Städte und größeren Zentren verlagern.“ Er wies darauf hin, dass zu kleine Sortimente, zu enge Gänge und fehlende Atmosphäre auch beim täglichen Einkauf die Konsumenten zu Verhaltensänderungen in Richtung Interneteinkauf treiben könnten. Bode sieht die Ursache der Misere im Versagen der rot-grünen Landesregierung, „die mit ihrer Ein-Stimmen-Mehrheit im Landtag an der jahrzehntealten Begrenzung der Verkaufsfläche auf 800 Quadratmeter festhält und damit realistische Planungen verhindert“.
„Wie kann aber eine praktikable Lösung für Jesteburg aussehen, denn schließlich haben wir eine Versorgungslücke in unserer Gemeinde, die von niemandem bestritten wird“, fragte Philipp-Alexander Wagner, Moderator und zugleich Vorsitzender der Jesteburger FDP, die Experten. „Der aktuelle Entwurf hält zwar generell an der unzeitgemäßen 800-Quadratmeter-Grenze fest, lässt aber Ausnahmetatbestände zu“, so Alexander Stark. Obergrenzen seien notwendig, aber der Gesetzgeber müsse sich mit seinen Vorgaben in realistischen Grenzen bewegen. Im Fall Jesteburg seien dafür aber ein neuer B-Plan, eine gegenüber der bisher beantragten Famila-Planung reduzierte Verkaufsfläche, ein städtebauliches Konzept und eine Abstimmung mit der Samtgemeinde Hanstedt, bei der der Landkreis unterstützend wirken wolle, als Voraussetzung notwendig.
„Mit dem aufschlussreichen Impulsvortrag und den Hinweisen von Dr. Alexander Stark, der Praxiserfahrung von Herbert Meyer und dem landesweiten Überblick von Jörg Bode waren die Gäste schnell informiert und beteiligten sich lebhaft an der Diskussion“, so das Fazit von Ulrike Kuhlo.
Redakteur:Sascha Mummenhoff aus Jesteburg |
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