Expertin über richtiges Verhalten und große Irrtümer
"Interview der Woche" mit Wespen- und Hornissenberaterin Stefanie Spinty
ce. Jesteburg. "Wer gelernt hat, wie fantastisch die Entwicklung eines Wespenvolkes ist, welche Superkräfte im Vergleich zur Körpergröße sie besitzen und wie nützlich sie für die Welt sind, der kann sie nur noch bewundern." Das sagt die freischaffende Kunstmalerin, Grafikerin und Webdesignerin Stefanie Spinty (57) aus Jesteburg, die als ehrenamtliche Wespen- und Hornissenberaterin im Landkreis Harburg aktiv ist. Im "Interview der Woche" sprach sie mit WOCHENBLATT-Redakteur Christoph Ehlermann über ihr Engagement, das richtige Verhalten gegenüber Wespen und über die größten Irrtümer bezüglich dieser Tierart.
WOCHENBLATT: Frau Spinty, wie wurden Sie Wespenberaterin?
Stefanie Spinty: Als Imkerin habe ich auch Kontakt zu Hornissen. Im Imkerverein berichtete ein Kollege von seiner Tätigkeit als Wespen- und Hornissenberater und dass immer interessierte, engagierte Menschen für dieses Ehrenamt gesucht werden. Mein Mann Matthias und ich haben uns bei der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) des Landkreises gemeldet und nachgefragt, ob wir dort mitmachen können. Über die UNB haben wir an Fortbildungen teilgenommen und sind nach schriftlicher Prüfung nun zertifizierte Wespen und Hornissenberater. Jeder Wespenberater ist einem Gebiet zugeordnet, wir sind zum Beispiel Ansprechpartner für Hanstedt, Salzhausen, Stelle und Seevetal.
WOCHENBLATT: Was sind Ihre Aufgaben?
Spinty: Als von der UNB bestellte Wespen- und Hornissenberaterin darf ich Wespen- und Hornissennester umsiedeln, wenn es die Situation erfordert. 90 Prozent der Anrufer brauchen diese Rettung aber nicht, da ist ein Informationsgespräch über die Biologie der Wespen ausreichend. Eine Umsiedlung ist immer riskant für das Volk. Wespen sind reine Verteidiger, wenn man weiß, wie man mit ihnen leben kann, geht das problemlos. Die Tiere sind gesetzlich geschützt, Hornissen stehen sogar auf der roten Liste der besonders schützenswerten Tiere. Hat die Königin sich an einem wirklich störendem Ort angesiedelt - etwa an offenen Lüftungsschlitzen der einzigen Luftzufuhr moderner Häuser -, dann können wir die Lage abschätzen und eventuell die Genehmigung zur Abtötung an die UNB empfehlen. Den Auftrag kriegen dann Spezialisten, wir Berater töten keine Völker ab.
WOCHENBLATT: Wie verhalten sich Menschen richtig bei einer Begegnung mit Wespen bzw. wenn sie auf ein Nest stoßen?
Spinty: Man muss Ruhe bewahren. Fuchteln und Atem-Ausstoß von CO₂ werden als Angriff gewertet. Wespen verteidigen ihr Nest und damit ihr Volk. Also muss man wegbleiben vom Nest. Wenn man eines im Schuppen oder am Haus hat, sollte man es im Umkreis von zwei Metern absperren und abwarten.
Vereinfacht gesagt gibt es bei uns zwei Wespengruppen. Da sind die Langkopfwespen, die runde, sichtbare Papiernester bauen und Mitte August schon wieder verschwunden sind. Die stören die Menschen nicht, weil es in der Natur genug Futter gibt. Ähnlich ungefährlich sind Hornissen, sie wirken nur wegen der Größe beängstigender. Und es gibt die Kurzkopfwespen, die im Volksmund Erdwespen genannt werden und im Verborgenen, im Dach oder in der Erde, leben. Sie sind zahlenmäßig ab Ende August sehr viele und bleiben, bis es richtig kalt wird. Diese Wespen sind ab September lästig, weil sie dann bei uns am Tisch oder im Haus nach Futter suchen.
WOCHENBLATT: Was ist zu tun, wenn man auf ein Wespennest stößt?
Spinty: Hat man das Pech, auf ein Wespennest zu treten, dann hilft nur die schnelle, weite Flucht! Die Wächterwespen markieren den Angreifer mit Duftstoffen, damit alle Verfolgerwespen ihn finden können. Das Nest ist durch seine Larven eine Proteinbombe und bei Dachsen, Füchsen und Raubvögeln als Futter sehr beliebt. Der Mensch ist nicht das Ziel, war nur am falschen Ort zur falschen Zeit.
Wer im Sommer trotz Corona eine dicke Gartenparty oder Einschulungsfeier plant, sollte schon jetzt aufpassen und Wespenköniginnen am Ort der Veranstaltung "vergrämen". Man sollte beispielsweise das Einflugloch verstopfen, wenn die Königin draußen ist, und erste Ansätze des Langkopf-Wespennestes abschaben, sobald die Queen es verlassen hat. Insbesondere Kinderspielgeräte aus Holz sollten jetzt kontrolliert und Nestansätze entfernt werden. Ich appelliere, die Königinnen immer leben zu lassen, denn unsere Kinder brauchen die Arten noch.
WOCHENBLATT: Was hilft am besten bei einem Wespenstich?
Spinty: Kühlen und Zwiebelsaft auftragen, aber niemals aussaugen. Wenn man im Garten gestochen wird, Pflanzensaft von Spitzwegerich aufbringen. Wir benutzen seit drei Jahren einen batteriebetriebenen Stichheiler - ein stiftartiges Gerät mit einer Keramikplatte an der Spitze, das auf 60 Grad erhitzt wird und das Gift in der Einstichstelle zerstört.
Echte Allergiker müssen im Sommer immer und überall ihr Notfallset mit Adrenalinspritze dabeihaben. Wenn sie gestochen werden, muss sofort der Notarzt gerufen werden.
WOCHENBLATT: Was sind die drei populärsten Irrtümer, wenn es um Wespen geht?
Spinty: "Sie sind aggressiv. Sie stechen Menschen besonders gerne und einfach aus Spaß. Sie sind nutzlos" sind die größten Irrtümer über Wespen. Sie sind reine Verteidiger, genial anpassungsfähig, mit Flügeln und eingebautem Gift ausgestattet zur Verteidigung und zur Jagd, mit einem hypersensitiven Geruchs- und Navigationssinn. Die Kommunikation im Volk erfolgt über Duftmoleküle! Deshalb sind manche intensiven Parfüms, Deos oder Shampoos kontraproduktiv. Sie können Aggressionsduftstoffe enthalten. Menschen, die immer wieder von Wespen oder Bienen angeflogen werden, sollten diese Produkte einmal in Frage stellen.
Es gibt nur ein Ziel für die Wespen - am Ende der Saison möglichst viele zu sein, damit die Aufzucht der Königinnen gut klappt, da nur die begatteten Königinnen die Winterstarre überleben und im nächsten Jahr alleine wieder neu anfangen. Für Stress mit Mensch und Tier ist da gar keine Zeit.
WOCHENBLATT: Frau Spinty, vielen Dank für das Gespräch.
• Infos zu den Wespen- und Hornissenberatern im Landkreis Harburg unter www.landkreis-harburg.de (Stichwort "Hornissen- und Wespenberatung").
Redakteur:Christoph Ehlermann aus Salzhausen |
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