Pflegeanbieter unter Druck
Aus Dorea wurde Amicalis, AHD verbessert Effizienz
Das Seniorenheim im Jesteburger Bergweg hat einen neuen Betreiber: "Amicalis Zufrieden Leben GmbH" heißt das Unternehmen mit Sitz in der Hamburger Großen Theaterstraße. Die Aufgabe scheint kompliziert: Amicalis muss die Senioreneinrichtung bei problematischen Rahmenbedingungen aus einer schwierigen finanziellen Lage befreien. Gleich neun Senioreneinrichtungen mit finanziellen Schwierigkeiten übernahm das Unternehmen vom angeschlagenen früheren Betreiber Doreafamilie.
Die Nachricht hatte im Frühjahr eingeschlagen wie eine Bombe: Nach dem AHD Pflegedienst Ole Bernatzki hatte auch die Dorea Familie, Träger der Senioreneinrichtung am Bergweg, ein Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung beantragt. Dabei verortete man die Ursachen für die Probleme nicht in interner Misswirtschaft, sondern in den schwierigen Rahmenbedingungen: Durch die Belastungen aus der Coronazeit, hohe Energie-, Material- und Personalkosten und eine nicht ausreichende Refinanzierung der Krankenkassen waren beide Unternehmen in finanzielle Schieflage geraten. Der Branchenriese Dorea schrumpfte sich offenbar gesund, trennte sich von insgesamt mehr als 30 seiner Pflegeheime.
"Amicalis Zufrieden Leben" dagegen ist in Norddeutschland auch für Branchenkenner wie Martina Beckmann, Leiterin der Jesteburger Einrichtung am Bergweg, ein unbeschriebenes Blatt. Das Unternehmen gibt es erst seit Mai 2023. Geschäftsführer sind Michael Beermann und Daniel Koch. Außer den neu erworbenen neun Ex-Dorea-Einrichtungen gehören seit September 2023 neun ehemalige Convivo-Einrichtungen zum Unternehmen.
Was wollen die neuen Betreiber anders machen, damit es mit der Finanzierung klappt? "Wir wollen vor allem neue Mitarbeiter gewinnen und in die Ausstattung - von den Betten bis zu den Gebäuden - investieren", sagt Geschäftsführer Beermann, der seit 2014 in der Pflegebranche unterwegs ist, in Mecklenburg-Vorpommern eine frühere DRK-Einrichtung übernommen hatte. Wie soll sich das rechnen? "Ich glaube, wenn man Tranzparenz schafft - und das werden wir tun - lassen sich Kompromisse mit den Pflegekassen schließen." Alle 64 Pflegeplätze und auch die Mitarbeiter sollen übernommen werden.
Bei AHD Ole Bernatzki, einem der größten Pflegeanbieter der Region, der noch "bis zum Frühjahr" im Schutzschirm-Insolvenzverfahren ist, wird noch an der Effizienz gearbeitet. "Wir nennen das gerne AHD 2.0. Da die Kostenträger weiterhin nur einen Teil der gesetzlich vorgeschriebenen Gehälter refinanzieren und die Inflation uns auch noch zu schaffen macht, bleibt die Lage durchaus anspruchsvoll", sagt AHD-Sprecher Joachim Meyer.
"Unser Controlling rechnet und erstellt unendlich viele Exceltabellen. Alle Abläufe werden geprüft und ggf. optimiert." In der Pflegebranche könne man eben nicht - wie zum Beispiel im Handwerk - einfach die Preise anpassen, man sei vollständig von den Krankenkassen abhängig.
Was dem Unternehmen jetzt hilft: die frühe Umstellung auf E-Fahrzeuge und Solartechnik. Das halte jetzt die Betriebskosten niedrig. Doch zum Beispiel an den Personalkosten sei eben nicht zu drehen: Sie sind gesetzlich vorgegeben, werden aber nur teilweise von den Kassen refinanziert. Trotzdem setzt Ole Bernatzki mit 50 Prozent auf eine hohe Quote Fachpersonal, obwohl den Krankenkassen 30 Prozent genügen würden und andere Unternehmen mit noch weniger Fachkräften arbeiten würden. "Langfristig ist das wirtschaftlicher", so Meyer, weil man Folgekosten vermeide.
Trotzdem peile man eine schwarze Null in der Bilanz an. "Das reicht natürlich langfristig nicht, weil wir Gewinne erwirtschaften müssen, um Rücklagen bilden zu können und um nötige Investitionen tätigen zu können", so Meyer. So richtig scheint die Kuh noch nicht vom Eis. "Damit die Pflege bezahlbar bleibt und die Betriebe überleben können, müssen die Kostenträger (Pflege-/Krankenkassen) die Vergütungen deutlich erhöhen. Sonst werden noch viel mehr Einrichtungen in die Insolvenz rutschen. Dann gibt es nicht genügend Plätze im Seniorenheim und auch der Pflegedienst kommt vielerorts nicht mehr", erwartet Meyer.
Ole Bernatzki selbst erwartet nichts Gutes von der Zukunft der Pflege: „Es macht mich sehr traurig, dass alles nur noch auf maximale Wirtschaftlichkeit ausgelegt wird. Das entspricht nicht meinem Verständnis von diesem Beruf. Viele Menschen sind am finanziellen Limit und werden jetzt noch mehr zur Kasse gebeten."
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