Insolvenzverwalter funkt SOS an die Auftraggeber zur Unterstützung der Traditionswerft / 220 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel
Pella Sietas steht das Wasser bis zum Hals
sla. Neuenfelde. Die Lage ist ernst. Die Geschäftsführung der Pella-Sietas-Werft in Neuenfelde hat bereits größtenteils das sinkende Schiff verlassen - oder ist auf dem Absprung wie Werft-Chefin Natallia Dean. Nur die Matrosen, also die 222 Werftmitarbeiter, sind noch an Bord. Am Donnerstagmorgen wurden sie in einer kurzfristig angesetzten Betriebsversammlung über die Ergebnisse der Gespräche der letzten Wochen und Tage zwischen dem Insolvenzverwalter, dem Hamburger Rechtsanwalt Achim Ahrendt, und den Auftraggebern der Werft informiert.
Die Situation ist sehr kritisch. Einer der Gründe: Der Insolvenzantrag wurde viel zu spät gestellt. Das Management hatte bis zuletzt auf Corona-Hilfsmittel in Höhe von 68 Millionen Euro gehofft. Aber auch die Verschlickung der Elbe und die dadurch bedingten Schwierigkeiten und Kosten für die Werft sowie falsches Management hätten zu der desaströsen Lage geführt. "Jetzt stehen uns kaum noch Optionen zur Verfügung", so Ahrendt. Die Kassen sind absolut leer.
Mit 8.000 Euro in der Kasse habe der Insolvenzverwalter seine Arbeit bei Pella Sietas aufgenommen. Aus Altschrott konnte nochmal die gleiche Summe erzielt werden. Die besondere Tragik: Vier Aufträge stehen in den Büchern, darunter ein Eisbrecher für die russische Muttergesellschaft, eine Fähre für den Bodensee, ein Laderaumsaugbagger für den Bund und eine Hybridfähre für das deutsche Wattenmeer für die Reederei Norden-Frisia. Die habe jedoch jetzt angekündigt, ein vertraglich bestehendes Rücktrittsrecht ausüben zu wollen, weil Pella Sietas den vereinbarten Fertigstellungstermin nicht halten könne. Allein in den Laderaumsaugbagger wurden bereits 80 Millionen Euro investiert, der durch einen drohenden Stillstand zur Investitionsruine verkommen würde.
Betroffen von der wirtschaftlichen Schieflage der Werft sind neben etlichen Gläubigern vor allem die 222 Beschäftigten. Bis vor wenigen Wochen waren es noch knapp 300 Arbeitnehmer. Nach der Insolvenz-antragsstellung haben über 70 von sich aus gekündigt, da sie bereits drei Monate lang keine Gehaltszahlungen mehr erhalten hatten. Der Insolvenzgeld-Zeitraum ab Mai ist für einen Großteil der Beschäftigten bereits ausgeschöpft. Nur die gewerblichen Arbeitnehmer, die im Mai und Juni Kurzarbeitergeld erhalten hatten, haben noch bis Ende September Anspruch auf Insolvenzgeld. Danach muss Pella Sietas die Löhne und Gehälter wieder selbst zahlen. Doch die Kassen sind leer und ohne frisches Kapital droht das Ende der Traditionswerft.
Parallel hat der Insolvenzverwalter begonnen, nach neuen Investoren zu suchen. Interessierte habe es bereits aus dem In- und Ausland gegeben. Aber bis zu einem Kaufabschluss würden erfahrungsgemäß Monate vergehen. Trotz der tragischen Situation sind die verbliebenen Mitarbeiter loyal und hoffen, dass ihre Arbeitsplätze erhalten bleiben können, schildert der Betriebsratsvorsitzende Georg Netuschil die Stimmung.
Die Werft wurde verzockt, ist das drastische Urteil des Insolvenzverwalters. Jetzt komme es darauf an, einen der noch vorhandenen Aufträge zu reaktivieren. Dies sei die einzige realistische Möglichkeit für eine zumindest teilweise Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes.
Redakteur:Susanne Laudien aus Buxtehude |
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