"Land unter" im Alten Land?
Brandbrief an Hamburg wegen des Este-Sperrwerks
Was passiert, wenn bei einem extremen Hochwasser Sperrwerkstore nicht rechtzeitig geschlossen werden, hat die Lühe-Flut im Jahr 2022 gezeigt, als viele Häuser im Wasser standen. Neben dem Lühe-Sperrwerk und den Deichen gibt es ein weiteres Bollwerk, das das Alte Land vor den Fluten der Elbe schützen soll: das Este-Sperrwerk. Doch auch dort scheinen die Abläufe bei der Schließung ähnlich wie an der Lühe nicht reibungslos zu funktionieren. Im Alten Land ist man jedenfalls äußerst besorgt und stellt sich die bange Frage: Wie viel Schutz bietet das Este-Sperrwerk, wenn eine schwere Sturmflut heranrollt? Man sei "in großer Sorge um den sicheren Hochwasserschutz im Alten Land", heißt es jetzt in einem gemeinsamen Offenen Brief verschiedener Institutionen und Politiker.
Der Brandbrief ist gerichtet an zwei Hamburger Spitzenpolitiker, die Wirtschaftssenatorin Dr. Melanie Leonhard (SPD) und den Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne). Denn zuständig für das Sperrwerk an der Estemündung sowie für das dahinter liegende alte Sperrwerk bei Cranz ist Hamburg. Anlass für das Schreiben ist der 61. Jahrestag der katastrophalen Sturmflut vom 16. Februar 1962. Im Brief werden alle Gemeinden aufgelistet, die unmittelbar von einer Überflutung bedroht wären, wenn das Sperrwerk nicht rechtzeitig geschlossen wird. Dazu zählen u.a. Jork, Cranz, Neuenfelde und Estebrügge. Bei größeren Überflutungen würden sogar Rübke und Teile von Neu Wulmstorf unter Wasser stehen.
Sperrwerk muss rund um die Uhr besetzt sein
Die zentrale Forderung in dem vom Verein zum Schutz von Hamburgs Elbregion initiierten Schreiben: Das Este-Sperrwerk muss rund um die Uhr besetzt sein, damit die Fluttore garantiert rechtzeitig geschlossen werden. Derzeit ist nachts zwischen 22 und 6 Uhr kein Sperrwerkswärter vor Ort, am Wochenende ist das Sperrwerk bereits ab 18 Uhr nicht besetzt. Außerhalb der Betriebszeiten besteht eine Rufbereitschaft. Eine Meldung erfolgt anhand der aktuellen Wasserstandsprognosen. Droht das Wasser zu hoch anzusteigen, muss die diensthabende Person eine Stunde vor dem Erreichen des sogenannten Schließwasserstands vor Ort sein. Diese Regelung wird als unzulänglich angesehen: "Das reicht bei einer Sturmflut nicht aus", heißt es in dem Brief.
"Denn was passiert, wenn das Auflaufen der Flut falsch prognostiziert wird und die Flut früher oder höher aufläuft?", wird in dem Offenen Brief gefragt, zu dessen Unterzeichnern u.a. der Jorker Bürgermeister Matthias Riel, Landrat Kai Seefried, Oberdeichrichter Wilhelm Ulferts und Jörg Quast vom Hauptentwässerungsverband der Dritten Meile gehören. Ein weiteres mögliches Szenario wäre, dass der Sperrwerkswärter aus irgendeinem Grund nicht rechtzeitig vor Ort sein kann, um die Fluttore zu schließen. Eine ähnlich brenzlige Situation gab es bereits vor einem Jahr, als die Flut früher als erwartet auflief und die Tore erst in letzter Minute geschlossen wurden. Teile von Cranz und Neuenfelde waren da schon überschwemmt.
Neben der Forderung, das Este-Sperrwerk rund um die Uhr zu besetzen, wird außerdem verlangt, dass an der Estemündung und an der Alten Süderelbe Schöpfwerke errichtet werden. Diese sollen das Alte Land vor einem Binnenhochwasser schützen.
Die Diskussion, die mit dem Land Niedersachsen über das Lühe-Sperrwerk geführt wird - auch dort kam es zu einer Überflutung wegen zu später Schließung -, wird jetzt auch mit Hamburg laufen. Die Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit, etwa beim Deichbau, der Zukunft von Hahnöfersand oder der Hochwasserpartnerschaft Este zeigen: Einfach wird das nicht.
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