Landwirtschaftsminister besucht Obstbautage
Denkwürdige Rede in Jork: Özdemir will Altländer Obstbau stärken
Bei den Norddeutschen Obstbautagen in Jork zählt der verbandspolitische Nachmittag des Kreisbauernverbandes Stade zu den Höhepunkten der Altländer Messe. Auch Bundes-Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hatte die Veranstaltung in der Jorker Festhalle in seinem Terminkalender eingetragen. Er reiste mit einem großen Polizeiaufgebot an. Eine große Zahl an Beamten sicherten den Bereich rund um die Halle. Vor der Halle hatten sich rund 100 Landwirte versammelt, einige Straßen n der Umgebung waren von Treckern blockiert. Doch Bilder von gewaltsamen Bauernprotesten - wie jüngst in Baden-Württemberg, wo Grünen-Politiker vor wütenden Landwirten geschützt werden mussten - gab es in Jork nicht zu sehen.
Minister hob hohe Standards hervor
Dass solche Bilder nicht die politische Debatte bestimmen dürfen, machte Özdemir bereits während seines kurzen Messerundgangs deutlich. Es sollte über wichtigere Fragen gesprochen werden. Als Beispiel nannte der Minister den geringen Grad der Selbstversorgung beim Obst: Nur 20 Prozent der in Deutschland konsumierten Früchte stammen aus eigener Produktion. Statt auf Importe müsse mehr auf landwirtschaftliche Erzeugnisse aus der Region gesetzt werden, so der Minister in seiner anschließenden Festrede. Das Alte Land sei ein Beispiel dafür, wie die Konsumenten auf kurzen Transportwegen mit frischem Obst versorgt werden können. Özdemir hob die hohen Standards beim ökologischen und integrierten Obstbau im Alten Land hervor.
Null Prozent Mehrwertsteuer für Äpfel
Der Minister erklärte, dass er sich weiterhin für eine Förderung des heimischen Obstbaus einsetzen werde. Er verwies auf ein 35-Millionen-Förderprogramm, von dem auch die Obstbauern profitieren könne. Eine Aufstockung der Mittel habe er aber angesichts knapper Kassen nicht durchsetzen können. Zudem setzt sich Özdemir für ein zweites wirtschaftliches Standbein für die Obstbauern ein, indem diese auf Teilen ihrer Fläche Solaranlagen installieren und so neben Obst auch Strom ernten können. Stichwort: Agri-Photovoltaik. Die Existenzsicherung der heimischen Obstbaubetriebe hat auch Özdemirs Vorschlag zum Ziel, die Mehrwertsteuer für hierzulande erzeugtes Obst und Gemüse abzuschaffen.
Özdemir: Bauernproteste sind legitim
Verständnis zeigt der Minister für die weiter anhaltende Bauernproteste. Die geplanten Abschaffungen von Steuerbefreiungen für landwirtschaftliche Fahrzeuge und von Subventionszahlungen für Agrardiesel bezeichnete er als ungerecht. Er habe zumindest erreichen können, dass Schlepper und Co. weiter steuerbefreit fahren können und die Subventionen erst in mehreren jährlichen Schritten auf Null abgesenkt werden. Die Demonstrationen der Landwirte sind nach Ansicht der Minister legitim, es handele sich um einen berechtigten demokratischen Protest, der ihm helfe, die Anliegen der Landwirte im Kabinett vorzubringen. Die Landwirte mit ihrer - im positiven Sinne - oftmals konservativen Grundhaltung seien immun gegen radikale Parolen, betonte Özdemir. Er verwies auf den überdimensionalen Apfel in Regenbogen, der an die große Leinwand geworfen wurde - versehen mit dem Spruch: "Obstbau ist bunt."
Sorgen und Nöte der Obstbauern
Claus Schliecker als Vorsitzender der Fachgruppe Obstbau im Landvolk und der Vorsitzende des Bundesausschusses Obst und Gemüse, Jens Stechmann, machten in ihren Redebeiträgen auf die aktuelle Situation des regionalen Obstbaus aufmerksam, dessen Wettbewerbsfähigkeit angesichts der politischen Rahmenbedingungen mit ihren zahlreichen Anforderungen und Regelungen in seiner Wettbewerbsfähigkeit spürbar eingeschränkt ist. Die Streichpläne der Bundesregierung bei den Agrarhilfen hätten dazu beigetragen, die angespannte Situation zu verschärfen. Stechmann begrüßte Özdemirs Kritik an den voreilig verkündeten Streichungsplänen der Ampel-Koalition und die Zusage, die Landwirtschaft zu unterstützen. Man werde ihn beim Wort nehmen, erklärte Stechmann gegenüber dem Minister.
Landrat Seefried: Region kann stolz auf den Obstbau sein
„Wir konnten in den vergangenen Tagen zeigen, welche Kompetenzen hier in der Region vorhanden sind“, sagt Landrat Kai Seefried. „Viele tolle Unternehmen, viele starke landwirtschaftliche Betriebe mit einer großen Erfahrung, die Obstbauversuchsanstalt und der Obstbauversuchsring verfügen nicht nur deutschlandweit über einen hervorragenden Ruf, sondern sind auch auf europäischer Ebene bekannt.“ Darauf könne die Region stolz sein. Mit dieser Kompetenz könne die hiesige Landwirtschaft in die Zukunft geführt werden.
Der Landrat hebt positiv hervor, dass mit der niedersächsischen Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte und dem Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir gleich zwei Minister bei den Obstbautagen dabei waren. Beide hätten sich auch die Sorgen und Probleme der Landwirtschaft angehört. Seefried lobt ausdrücklich den friedlichen Protest der Landwirte. Er ist sich sicher: „Die niedersächsische Landwirtschaftsministerin und der Bundeslandwirtschaftsminister haben die Botschaft mitgenommen. Wenn wir hier aus der Region für unsere Landwirtschaft eine so deutliche Position vertreten, wenn unsere Landwirte so deutlich Position beziehen, dann ist es ernst. Dann wollen wir auch gehört werden. Wir brauchen Gehör – in Hannover und in Berlin.“ Diese Botschaft sei den Akteuren des Obstbaus gut gelungen.
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