Rekordernte: Mehr Fluch als Segen

Die Obstbauern Jan-Hinrich und Hannes Feindt (re.) hoffen auf steigende Preise
  • Die Obstbauern Jan-Hinrich und Hannes Feindt (re.) hoffen auf steigende Preise
  • hochgeladen von Björn Carstens

bc. Altes Land. Tiefpreise drücken aufs Stimmungsbarometer der Altländer Obstbauern. Weil angesichts der Rekordernten in Europa der Markt mit Äpfeln überschwemmt ist, werden ihre Erzeugnisse zu Dumping-Preisen in den Supermärkten feilgeboten: Da kostet die Zwei-Kilo-Tasche nur noch 99 Cent.

Gut für die Verbraucher, schlecht für die Erzeuger. Die bekommen für ihre Ware bester Qualität derzeit zwischen 20 bis 30 Cent pro Kilo. "Wir brauchen aber 35 Cent, um etwas zu verdienen", sagt Obstbauer Jan-Hinrich Feindt aus Jork.

Nur noch einige Tage, dann ist die Rekordernte 2014 an der Niederelbe beendet. Doch freuen mag sich kaum einer. Die großen Mengen mit geschätzt rund 360.000 Tonnen Äpfeln schmälern die Erträge der Obstbauern. Auch in anderen europäischen Anbaugebieten hingen die Bäume so voll wie lange nicht mehr. Hinzu kommt der russische Importstopp. Folge: Polnische Anbieter drängen vermehrt auf den deutschen Markt. Rekordernte: Mehr Fluch als Segen!

Im vergangenen Jahr holten die Bauern im Alten Land gerade mal die Hälfte der jetzigen Menge von den Bäumen, bekamen aber mehr als das Doppelte des aktuellen Preises für ihre Produkte. Feindt: "2013 hatten wir zwar nur 60 Prozent einer normalen Ernte, haben aber pro Kilo bis zu 70 Cent bekommen. Das hat sich mehr gelohnt."

Erst kürzlich wurde ihm angeboten, Drei-Kilo-Taschen für den Handel zu packen. 39 Cent sollte es dafür geben. "Das habe ich abgelehnt", sagt Feindt.

Weil die Langzeitlager voll sind, müssen viele Äpfel trotzdem bis spätestens Dezember unters Volk. Zur Not auch unter Preis.

"Wir müssen richtig Gas geben, weil wir die doppelte Menge des vergangenen Jahres abverkaufen müssen. Da ist Druck auf dem Kessel", sagt Frank Döscher, Geschäftsführer der Elbe-Obst-Vertriebsgesellschaft.

Elbe Obst bedient hauptsächlich den deutschen Lebensmitteleinzelhandel. Laut Döscher gehen derzeit 3.000 bis 5.000 Tonnen Äpfel pro Woche vom Hof: "Eine stattliche Zahl." Aber eben zu relativ niedrigen Preisen.

Die Lage bei den Mostäpfeln beschreibt die Situation sehr deutlich. Döscher rechnet damit, dass die Bauern an der Niederelbe 15.000 bis 20.000 Tonnen gar nicht erst für die Verwertungsindustrie - sprich für die Saftproduzenten - bereitstellen. Einfach, weil es sich nicht lohnt.

Hintergrund: Auch die Streuobsternte wurde bundesweit mit 800.000 Tonnen auf ein Rekordniveau geschätzt. Die Mengen im Markt sind gewaltig. Nur zwei bis vier Cent gibt es derzeit von der Industrie für das Kilo Mostäpfel.

Für Obstbauer Jan-Hinrich Feindt aus Jork sind das keine Preise, die sich betriebswirtschaftlich rechnen - bezieht er die Kosten fürs Auflesen, Lagern und Sortieren mit ein. "Im vergangenen Jahr gab es noch 14 Cent pro Kilo", sagt Feindt. Die Obstbauversuchsanstalt (OVA) habe bereits empfohlen, schlechtere Qualitäten mit dem Mäher zu zerkleinern und zu mulchen, falls kein Lagerplatz vorhanden sei.

OVA-Sprecher Dr. Matthias Görgens dazu: "Es geht dabei nicht um markttechnische Gründe, um die Menge zu verknappen, sondern es handelt sich um Ratschläge zur Baumpflege." Nichtsdestotrotz erkennt Görgens die derzeitige Lage der Bauern: "Es ist richtig, dass sie punktuell nicht kostendeckend arbeiten können." Abgerechnet werde allerdings am Ende der Saison. Das heißt vor der nächsten Ernte. Bis dahin könnten die Preise wieder nach oben klettern.

Unterdessen hat die EU-Kommission bereits ein Förderprogramm für Landwirte aufgelegt - auch aufgrund der angespannten Lage wegen des russischen Importstopps von EU-Lebensmitteln. Geben die Bauern ihre Produkte kostenfrei an Tafelprojekte ab, erhalten sie Zuschüsse.

Redakteur:

Björn Carstens aus Buxtehude

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