Initiative bezweifelt Neutralität des Gutachtens
Streit um die Grundschule in Guderhandviertel
Die Fronten verhärten sich im Streit um die Grundschule Guderhandviertel. Seitdem die Bundesregierung das Recht auf Ganztagsbetreuung für Erstklässler ab 2026 festgelegt hat, herrscht Uneinigkeit in Guderhandviertel, denn mit der Ganztagsbetreuung kommen auch neue räumliche Anforderungen auf die Schule zu. Deshalb wird sich im Ort die Frage gestellt: Standort erhalten, neu bauen oder Zusammenlegen? Es gibt mehr als nur eine Antwort auf diese Fragen, doch welche ist die Richtige?
Wie das WOCHENBLATT vor einiger Zeit berichtete, gab die Samtgemeinde Lühe eine Standort- und Wirtschaftlichkeitsanalyse bei der Berliner Firma VBD in Auftrag. Diese stellte fest, dass die beste und kostengünstigste Option die Zusammenlegung der Grundschule Guderhandviertel mit der Grund- und Oberschule Steinkirchen sei. Ein Ergebnis, das bei der gegründeten Elterninitiative auf scharfe Kritik stößt. Sie zweifeln die neutrale Unabhängigkeit des Gutachtens an und sehen nicht alle Möglichkeiten berücksichtigt.
"Die Analyse ist mangelhaft und enthält eklatante Fehler. Sie enthält Falschaussagen, ist intransparent und die Zahlen lassen sich nicht auf Plausibilität prüfen", sagt Benjamin Barthel, selbst Diplom-Ingenieur (FH) Bau- und Immobilienwirtschaft und Teil der Initiative. Er habe bereits eine Stellungnahme zur Analyse von VBD verfasst und an die Samtgemeindeverwaltung herangetragen. Der größte Kritikpunkt der Elterninitiative an der Standortanalyse sei die Intransparenz und die vermeintlich falsche Kostenschätzung. Wie Benjamin Barthel erklärt, habe er versucht, die Untersuchungsunterlagen, auf der die auf der Schulausschusssitzung vorgetragene Power-Point-Präsentation basiert, zur Verfügung gestellt zu bekommen, um diese selbst nachzuprüfen. Die Samtgemeinde Lühe könne diese allerdings in Rücksprache mit dem Berliner Unternehmen aufgrund von Vertraulichkeit nicht bereitstellen. Ein Vorgehen, das der Diplomingenieur nicht nachvollziehen kann.
Weiterhin kritisiert er die Richtigkeit der vorgestellten Kosten. Seiner Einschätzung nach handele es sich bei den in der Präsentation genannten Zahlen lediglich um eine grobe Kostenschätzung, die basierend auf ähnlich gebauten Bauwerken hergeleitet wurden. Sie dienen der groben Orientierung in der frühen Planungsphase, können aber die tatsächlichen Baukosten noch nicht genau aufzeigen. "Bei einer Differenz der geschätzten Baukosten von ca. zwei Millionen Euro, die nur etwa zehn Prozent Abweichung entspricht, wäre eine genauere Betrachtung und detailliertere Berechnung der Kosten vor einer Standortentscheidung erforderlich. Ein Kostenvorteil von zehn Prozent kann sich so schnell egalisieren oder auch umkehren. Und dann wäre ggf. eine andere Variante günstiger", so Barthel. Nebst weiteren Punkten kritisiert die Initiative auch die Nichteinberechnung einiger Kostenpunkte, die Nichtberücksichtigung anderer Raumkonzepte zur Kostenreduzierung sowie den Punkt der Nachhaltigkeit. Letztere habe gerade in der Klimaschutzregion Altes Land einen hohen Stellenwert. In der Analyse sei nicht ausreichend erläutert worden, wieso die Variante Steinkirchen in diesem Punkt besser abschneiden sollte. Barthel schätzt die Nachhaltigkeit aller drei in der Analyse genannten Standorte gleich ein. Auch der neue Schulweg nach Steinkirchen stößt auf Unmut, denn statt zu Fuß und per Fahrrad würden die Grundschüler nur noch mit dem Bus oder dem Elterntaxi zur Schule kommen - Nachhaltigkeit sieht anders aus.
Die letzte Institution
"Die beste Option wäre der Erhalt des alten Standorts", findet auch Guderhandviertels Bürgermeister Marco Hartlef. Er selbst besuchte diese Grundschule, war 25 Jahre lang im Vorstand des MTV Mittelnkirchen. "Die Grundschule ist die letzte Institution im Dorf", so Hartlef. Und das nicht nur für die Kinder und ihre Eltern, denn die rund 650 Vereinsmitglieder des MTV Mittelnkirchen seien ebenso auf die anliegende Sporthalle angewiesen, die ohne die Grundschule wohl nur schwer zu erhalten sein dürfte. Im Falle einer Zusammenlegung der Schulen in Steinkirchen würden die Gemeinden Guderhandviertel, Neuenkirchen und Mittelnkirchen zukünftig für die Finanzierung der Turnhalle in Guderhandviertel zuständig sein. Eine Sanierung sei dann aufgrund der finanziellen Lage nicht gewährleistet. Eine Verteilung auf die umliegenden Hallen, wie die Samtgemeinde dies vorschlug, sei angesichts der gut ausgelasteten Hallenzeiten nicht vorstellbar.
"Gibt man jetzt den Standort an der Oberen Lühe auf, so ist er für immer verloren", sagt Christina Baumgarten-Wahlen, die sich mit der Initiative für den Grundschulstandort an der Oberen Lühe einsetzt. Sie hält auch die von der Samtgemeinde Lühe vorgeschlagene Neunutzung des jetzigen Grundschulgebäudes als Dorfmittelpunkt für ein leeres Versprechen. "Für mich gibt es bisher ein einziges echtes Argument für die Campuslösung: Geld", sagt Bianca Quast von der Elterninitiative. Die "harten" finanziellen Argumente der Samtgemeinde, dürften keine alleinige ausschlaggebende Gewichtung gegenüber den "weichen" Argumenten erfahren. "Die Geldsorgen und die späte Planung dürfen nicht auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden", so Quast.
Nicht mit Ängsten spielen
Samtgemeinde-Bürgermeister Timo Gerke erkennt zwar die Emotionalität des Themas an, doch er kritisiert auch die Vehemenz der Elterninitiative, die seine Mitarbeiter teilweise mit Telefonanrufen bombardiert hätte. "Man muss trotz allem sachlich bleiben. Mit Ängsten der Bürgerinnen und Bürger und vor allem der Kinder zu spielen, ist nicht der richtige Weg", sagt Timo Gerke. Er habe vor einiger Zeit Briefe von Grundschülern bekommen, die ihn darum baten, eine Zusammenlegung der Schulen zu verhindern. Sie hätten Angst vor Mobbing und Auseinandersetzungen mit älteren Schülern. Die Instrumentalisierung der Kinder sei erschreckend, so Gerke. Er ist stolz auf die Grund- und Oberschule in Steinkirchen und ist sich sicher, dass eine Zusammenlegung keine negativen Effekte für die Schüler hätte. In Bezug auf die vermeintliche Intransparenz der Analyse sagt Gerke, dass die Offenlegung der firmeninternen Daten keineswegs Gang und Gäbe, sondern vielmehr Betriebsgeheimnis sei. "Ich würde unseren Gemeinden gerne alles ermöglichen, aber wir sind pleite", so der Samtgemeinde-Bürgermeister, der sich oft als Buhmann fühlt. "Ich bringe die Probleme der vergangenen Jahre aus der Schublade hervor und das ist unbequem. Doch die Probleme verschwinden nicht, nur weil man sie begräbt."
Auch wenn die Elterninitiative dies anders empfinde, so sei noch nichts entschieden, versichert Timo Gerke. Deshalb wird am Mittwoch, 19. April, um 19 Uhr eine öffentliche Ratssitzung in der Aula der Oberschule Steinkirchen stattfinden. Hier will die Politik einen Zeitplan für den transparenten Entscheidungsprozess festlegen und alle Fragen, die dafür notwendig sind, sammeln.
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