Der NLWKN - das Unschuldslamm
Die Lühe-Flut und die Schuldfrage

Viele Anwohner an der Lühe hatten Wasserschäden zu beklagen, weil versäumt wurde, die Sperrwerkstore bei Hochwasser zu schließen | Foto: Adobe Stock/helivideo
  • Viele Anwohner an der Lühe hatten Wasserschäden zu beklagen, weil versäumt wurde, die Sperrwerkstore bei Hochwasser zu schließen
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Beim Thema Lühe-Flut fühlt sich die Chefin der verantwortlichen Behörde offenbar von den lokalen Medien schlecht behandelt. In der Berichterstattung wurde kritisch angemerkt, dass die Direktorin des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), Anne Rickmeyer, auf einer Sitzung des Stader Kreistages Fragen unbeantwortet ließ - mit dem Hinweis auf die laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Dabei war zu diesem Zeitpunkt das Ermittlungsverfahren gegenüber dem beschuldigten Sperrwerkswärter bereits eingestellt.

Laut NLWKN-Pressesprecher Carsten Lippe soll Rickmeyer aber nicht über die Verfahrenseinstellung informiert gewesen sein, als sie ihren Sachstandsbericht vor rund zwei Wochen im Kreistag vortrug. Da der NLWKN nicht als Beschuldigter geführt wurde, sei die Staatsanwaltschaft Stade rein formell auch nicht dazu verpflichtet. Selbst der Sperrwerkswärter sei "nach unserem Kenntnisstand" noch nicht persönlich benachrichtigt worden, teilte Lippe jetzt dem WOCHENBLATT mit.

Landesbetrieb übt Kritik an Staatsanwaltschaft

Der NLWKN habe sich im Laufe des Verfahrens mehrfach aktiv um Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft Stade bemüht, so Lippe. Diese sei aber erst an dem Tag gewährt worden, als Rickmeyer bei der Kreistagssitzung in Stade war. Der NLWKN-Sprecher übt in diesem Zusammenhang Kritik an den Ermittlungsbehörden: "Insgesamt wäre eine proaktivere Information durch die Staatsanwaltschaft Stade über die Einstellung des Verfahrens sicherlich wünschenswert gewesen", erklärt Lippe.

Lühe-Flut: Land macht Betroffene zu Bittstellern

Dass Rickmeyer sich vor dem wichtigen Termin im Kreistag - die Politiker waren wegen des monatelangen Hinauszögerns der Schadensersatzfrage durch das Land ohnehin schon auf Zinne - vielleicht selbst bei der Staatsanwaltschaft hätte erkundigen können, indem sie einfach zum Hörer greift, ist ihr anscheinend nicht in den Sinn gekommen. Dafür ist die NLWKN-Direktorin aber davon überzeugt, dass seitens der Geschädigten kein Rechtsanspruch auf Schadensersatz bestehen soll. Schließlich liege höchstwahrscheinlich ein technischer Fehler und nicht menschliches Versagen vor. Rickmeyer hatte diesen Standpunkt auch auf der Sitzung des Stader Kreistages vorgetragen und erklärt: "Das diskutiere ich hier auch nicht weiter." Eine Entschädigung sei demnach nur auf Kulanzbasis - bei Behörden nennt sich das Billigkeitsleistung - möglich.

Der NLWKN bemüht sich jedenfalls weiter, seine Verantwortung herunterzuspielen. Seine Behörde freue sich, dass sich der Verdacht gegen Personal des NLWKN "wie erwartet" nicht erhärtet habe, Lippe. Diese Entwicklung unterstreiche noch einmal, dass eine einfache Ursachen- und Schuldzuweisung in diesem komplexen Fall eben nicht möglich sei. "Die Sachverhalte, die zur verspäteten Schließung geführt haben, liegen komplexer, als es sich alle Beteiligten wünschen", erklärt der NLWKN-Sprecher.

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Landrat schreibt an Umweltminister Meyer

Stades Landrat Kai Seefried hat sich von Anfang an für die Belange der Flut-Geschädigten eingesetzt. Nun hat er sich mit einem Schreiben an den zuständigen Umweltminister Christian Meyer (Grüne) gewandt.

Meyer ist oberster Dienstherr des für die Sperrwerke zuständigen NLWKN. "Leider haben die betroffenen Anwohner mittlerweile das Vertrauen in den NLWKN und das Land Niedersachsen verloren. Nach mehr als einem halben Jahr gibt es noch immer keine Gewissheit, dass die entstandenen Schäden durch das Land übernommen werden", schreibt Seefried.

Lühe-Flut: Freiwillige Entschädigungen nicht vor Sommer 2023

Er teile die bisherige Auffassung des Landes, wonach man für die Schadensregulierung nicht verantwortlich sei, aber nicht. "Der Verweis auf einen nicht aufklärbaren technischen Defekt reicht meines Erachtens auch nicht aus, um aus der Haftung herauszukommen", heißt es in dem Brief des Landrates. Letztendlich habe der NLWKN zu verantworten, mit welcher technischen Ausstattung das Sperrwerk betrieben werde. Vor diesem Hintergrund sei er zunächst auch dankbar über die Reaktion der Landesregierung gewesen, die unmittelbar nach dem Hochwasserereignis eine Entschädigung der Betroffenen zugesagt habe. Doch es sei noch immer nicht erkennbar, wann und ob diese erfolgen wird.

Seefried appelliert an den Minister, "einen schnellen Weg der Schadensregulierung durch das Land zu finden". Schon dessen Amtsvorgänger Olaf Lies (SPD) habe den Betroffenen dies zugesagt. "Sollte sich in absehbarer Zeit keine Lösung finden, kann auch ich nicht ausschließen, dass sich die Betroffenen zusammenschließen und den Klageweg gegen das Land beschreiten", mahnt der Landrat.

Er hoffe sehr, dass seitens des Landes eine konstruktive bürgernahe Lösung gefunden werde und dafür nicht weitere sechs Monate vergehen müssen.

Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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