Vermisste Politikerin - ein leerer Sitz im Kreistag

Bei den letzten Wahlen errangen die Grünen sieben Mandate im Kreistag - soviel wie nie zuvor. Derzeit ist die Ökopartei aber nur noch mit sechs Abgeordneten vertreten: Für die vermisste Politikerin Ingrid Meyer-Schmeling darf niemand nachrücken.

Vor zwei Monaten verschwand die Grünen-Politikerin und Umweltaktivistin Ingrid Meyer-Schmeling. Ihr Spur verliert sich am Elbufer unweit des Freibades von Hollern-Twielenfleth - gerade mal zweihundert Meter entfernt von ihrem Wohnhaus hinter dem Deich. Offiziell gilt die Kreistagsabgeordnete als vermisst, doch die Polizei geht von einem Selbstmord aus. Es wird vermutet, dass sich die Politikerin in der Nacht vom 8. zum 9. Januar in die Fluten der Elbe gestürzt hat. Abgesehen von der menschlichen Tragödie gibt es eine politische Dimension des Falles. Es stellt sich jetzt die Frage: Verfällt Meyer-Schmelings Mandat im Kreistag oder dürfen die Grünen einen Nachrücker entsenden?
Denn zumindest die Grünen-Wähler haben einen Anspruch darauf zu erfahren, wann die Ökopartei wieder mit voller Stimmenzahl im Kreistag vertreten sein darf. Und eine weitere Überlegung darf erlaubt sein: Ist es nicht letztlich eine Verzerrung des Wahlergebnisses, wenn Meyer-Schmelings Sitz womöglich bis zum Ende der Wahlperiode im Herbst 2016 unbesetzt bleibt? Das wäre nämlich dann der Fall, wenn ihr Leichnam vorher nicht gefunden wird.
Nach dem Gesetz gilt die Heilpädagogin als verschollen. In der Regel darf ein Verschollener frühestens nach Ablauf von zehn Jahren für tot erklärt werden. Und das auch erst nach einem aufwändigen formalen Prozedere durch das Amtsgericht und unter Einbeziehung eines Staatsanwaltes.
Nur wenn Meyer-Schmeling tatsächlich tot aufgefunden wird, könnte der Kreistag formell ihren Sitzverlust feststellen. Dann würde das Mandat an Uwe Merckens aus Stade übergehen. Die Möglichkeit, Merckens zeitweise nachrücken zu lassen - bis das Schicksal Meyer-Schmelings endgültig geklärt ist -, sehen die Bestimmungen des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes nicht vor. Hier klafft offenbar eine Gesetzeslücke.
Laut Polizei-Pressesprecher Rainer Bohmbach gibt es derzeit keine weiteren Ermittlungen. Alles deute darauf hin, dass Meyer-Schmeling den Freitod in der Elbe gewählt habe. Die Akte könne aber erst geschlossen werden, wenn die Tote gefunden sei. Nach seinen Erfahrungen werden die meisten Menschen unweit der Stelle geborgen, an der sie ertrunken sind.

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Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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