Mathis Schlabbach über das Leben auf der Walz
Drei Jahre und ein Tag
Drei Jahre und einen Tag wird Mathis Schlabbach aus Neu Wulmstorf fernab der Heimat, ohne Handy oder Internet, unterwegs sein, arbeiten und die Welt zu sehen bekommen. Der 20-Jährige hat sich im Herbst auf die Walz begeben und sich damit einem Leben auf Wanderschaft verschrieben.
Die Tradition der Walz, oder auch Tippelei genannt, besteht seit mehr als 900 Jahren, 2015 wurde sie zum UNESCO-Kulturerbe ernannt. Als "Botschafter" dieser Tradition ist auch Mathis Schlabbach im vergangenen September zur Walz aufgebrochen. "Ich war schon immer neugierig, wollte etwas von der Welt sehen", erzählt Mathis, der zuvor im August seine Ausbildung zum Zimmerer absolvierte. Die Walz sei die perfekte Möglichkeit für ihn und so stand sein Entschluss schon lange fest. In Kontakt mit vielen verschiedenen Menschen zu sein, sei genau sein Ding.
Während der Wanderjahre müsse man zwangsweise aus sich herauskommen, Kontakt zu Menschen suchen, zu anderen Gesellen, mit denen man eine Zeit denselben Weg teilt, um per Anhalter mitgenommen zu werden oder um Arbeit und einen Schlafplatz zu finden. Kirchen, Vordächer oder der Schlafsack unter freiem Himmel seien Möglichkeiten, wenn sich mal niemand findet, der einem ein Dach über dem Kopf gibt.
Wandergesellen leben minimalistisch
Dass er für die Zeit der Tippelei - das sind mindestens drei Jahre und ein symbolischer Tag - gewisse Opfer bringen muss, das war Mathis bewusst. So darf er sich nicht bis auf 50 Kilometer um seine Heimat herum aufhalten, darf kein Smartphone oder Laptop benutzen, kein Geld für Reisen und Unterkunft ausgeben und muss mit dem auskommen, was in seinen Rucksack passt. Und das ist nicht viel: Neben seiner Wanderkluft hat er auch eine für die Arbeit dabei. Ansonsten füllen noch Hemden, Unterwäsche, Socken, einige Kultursachen, ein Schlafsack sowie zwei Notiz- bzw. Kontaktbücher sein Gepäck.
Wie das Leben ohne ein Smartphone für einen 20-Jährigen ist, das kann Mathis nur so beschreiben: "Es ist herrlich!" Viel zu sehr habe ihn das Handy in seinem Alltag vor der Walz abgelenkt - jetzt habe er nicht mal mehr das Verlangen danach. Ein Glück, denn bei seiner Verabschiedung, an der das halbe Dorf teilnahm, nagelte Mathis Schlabbach sein Smartphone an einen Holzmast. Kontakt in die Heimat, zu Freunden und Familie, hält der junge Zimmerer beispielsweise per Brief, E-Mail oder durch Telefonate. Internetfähige Geräte bzw. Telefone dürfen Wandergesellen nämlich nutzen, nur eben nicht besitzen.
Wenn der Postbote grüßt, ist es Zeit, weiterzureisen
Heute hier - morgen dort. Die Wandergesellen lassen sich treiben, sind nie länger als höchstens drei Monate an einem Ort, arbeiten für das Reisen und reisen für das Arbeiten. Einen richtigen Plan hat auch Mathis nicht - ganz bewusst, denn: "Wer Pläne macht, wird ausgelacht", heißt es. Spontaneität ist gefragt, man probiert, so viel vom Leben, von Kulturen und Menschen mitzunehmen, wie es geht. Auch wenn Mathis keine Pläne hat, Wunschziele hat er sich gesetzt. So will er, nach dem ersten Jahr im europäischen, deutschsprachigen Raum, auch Norwegen und Schweden sehen. Zwar weiter weg, doch mindestens genauso weit oben auf seiner Wunschliste: Australien, Thailand und Paraguay.
"Weihnachten", so erzählt Mathis, habe er den Jackpot gezogen. Denn, während andere Gesellen ihre Familien am Fest der Liebe gar nicht zu sehen bekommen, kann Mathis die Feiertage bei seiner Schwester in Gifhorn verbringen. Das ist schließlich außerhalb der "Sperrzone".
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