Integratives Wohnen und Arbeiten: Ein ganz normales WG-Leben
Alltag bei der „LeA“: WOCHENBLATT-Redakteurin Alexandra Bisping war zu Gast im integrativen Wohnheim
ab. Neu Wulmstorf. Fröhlich schultert Maren ihren Rucksack mit den Sportsachen. „Ich mache gern Sport“, verrät sie mir, WOCHENBLATT-Redakteurin Alexandra Bisping, bevor Maren am Mittwochnachmittag aufbricht. Zwei Mal wöchentlich besucht die Bewohnerin der Einrichtung „LeA“, der Integrativen Lebens- und Arbeitsgemeinschaft, die sich in einem der Laurens-Spethmann-Häuser in Neu Wulmstorf befinden, das Fitnessstudio „Mrs.Sporty“.
„Jeder Bewohner kann kommen und gehen, wie es ihm gefällt“, sagt Christiane Bubel. Vor acht Monaten hat sie die Leitung des Wohnbereichs und kürzlich die Heimleitung übernommen, ist jederzeit ansprechbar für Mitarbeiter, Bewohner und Eltern.
Wie selbstständig die Menschen sind, die bei LeA wohnen, hängt vom Grad der Behinderung ab, erklärt die Leiterin. Dabei zeigt sie mir alle öffentlichen Räume, es gibt viel Platz, Licht und an den Wänden helle Farben. Auf den Küchenschränken kleben Fotografien von Geschirr und Besteck, denn jeder muss Aufgaben erfüllen wie Tischdecken, Spülmaschine ausräumen oder Müll rausbringen. Bilder helfen dabei, die Selbstständigkeit zu fördern, sagt Bubel.
Sie stellt mich vor, die meisten Bewohner grüßen oder winken. Lars schaut interessiert, versteckt sich später aber hinter einem Vorhang. Fotografieren darf ich alle, einige freuen sich, als ich ihnen danach das Foto zeige.
Drei Wohneinheiten gibt es in der Einrichtung mit je neun Bewohnern unterschiedlichen Betreuungsbedarfs. Auf eine „bunte Mischung“ wird Wert gelegt, in jeder Gruppe leben selbstständige Bewohner und solche, die eine intensive Betreuung brauchen. Das eigene Zimmer ist für andere Tabu-Zone, immer zwei teilen sich ein Bad. „Da geht es ganz normal zu. Sätze wie: ‚Komm endlich raus‘ oder ‚Du lässt immer deine Sachen liegen‘, sind an der Tagesordnung“, sagt Bubel.
In ein Zimmer darf ich hineinschauen. Es gehört Sarah-Lena, ist liebevoll eingerichtet und dekoriert.
Von den 27 Bewohnern stehen 19 jeden Morgen pünktlich auf, frühstücken und fahren zur Arbeit oder werden gefahren. Gegen 16 Uhr kehren sie wieder zurück. Acht Menschen mit erhöhtem Förderbedarf gehen in die Tagesförderung im Haus, dazu gehören Jessi, Jessika und Lars. Jessi sitzt in ihrem Rollstuhl und drückt Knöpfe an einem Spiel. Zart sieht sie aus, ist aber schon weit über 20 und gehört zu den Rundum-Betreuungsfällen. Neben ihr schnibbelt Betreuerin Karin Nikulla Gemüse und hindert Lars nebenbei daran, Jessi das Spiel zu stibitzen. Nach und nach trudeln die anderen Bewohner ein. Heute sei es ziemlich ruhig, erläutert Christiane Bubel. Da gebe es ganz andere Tage.
Ich treffe auf Sven. Er arbeitet in der Hauswirtschaft im Bereich Küche und ist auskunftsfreudig. „Am Wochenende koch‘ meistens ich, die anderen helfen wenig“, klagt er. Was es am kommenden Samstag geben werde, wisse er noch nicht. „Das stimmen wir gemeinsam am Mittwochabend ab.“
Bevor es um 18 Uhr Abendbrot gibt, muss ich los. Und denke dabei, dass diese Menschen mehr in unseren Alltag integriert werden müssten, damit wir einen natürlichen Umgang mit ihnen lernen. Das wünscht sich auch Christiane Bubel: zum Beispiel, dass sich der ab Frühjahr wieder angebotenen Laufgruppe viele Menschen anschließen werden, Heimbewohner und weitere Jogger, eine „bunte Mischung“ eben.
"LeA" braucht Unterstützung
„LeA muss wachsen“ - unter diesem Motto wirbt die Integrative Lebens- und Arbeitsgemeinschaft aus Neu Wulmstorf um Spenden. Schon seit Längerem ist ein Neubau auf dem Gelände der „LeA“ in Planung. Wann er kommen soll, steht noch nicht fest. Denn es fehlt eine solide Finanzierung.
„In den folgenden drei Jahren wird er gebaut“, ist sich Heimleiterin Christiane Bubel sicher. Die derzeitige Situation sei provisorisch und vor allem für Rollstuhlfahrer sind die Räumlichkeiten zu beengt: In einem 20 Quadratmeter großem Raum im Wohnheim findet die Tagesförderung mit acht schwerstbehinderten Bewohnern statt. Sie brauchen dringend mehr Platz. Geplant ist ein Neubau mit einer Tagesförderungsstätte und acht Wohnungen für Menschen, die ein geringes Handicap haben und damit gut selbstständig leben können.
„Diese Menschen wären auf sich gestellt, könnten aber jederzeit zu uns in das andere Wohnhaus kommen“, erläutert Christiane Bubel. Um das Projekt realisieren zu können, benötigt der Verein ein Eigenkapital von mindestens 500.000 Euro. Der Bedarf an Projekten wie das der „LeA“, Menschen mit Behinderungen in das Arbeits- und Gesellschaftsleben zu integrieren, ist groß, die Warteliste für das Wohnheim lang.
Weitere Infos unter www.lea-wächst.de.
„Der Mensch steht im Mittelpunkt“
Laurens Spethmann hat dem Projekt „LeA“ mit seiner Stiftung ein Zuhause gegeben
Im April 2001 gründete der Hamburger Kaufmann und Unternehmer Laurens Spethmann gemeinsam mit seiner Frau Marianne die „Laurens H. C. Spethmann Stiftung“. Sein Leitspruch „Der Mensch steht im Mittelpunkt“ soll zukünftig die tägliche Stiftungsarbeit prägen.
Mehr als 340 Projekte fördert die Stiftung seit ihrem Bestehen, vor allem aber unterstützt sie Kinder und Erwachsene mit Beeinträchtigung.
Die „Integrative Lebens- und Arbeitsgemeinschaft Neu Wulmstorf LeA“ ist seit vielen Jahren fester Bestandteil der Stiftungsarbeit. Bei diesem Projekt handelt es sich um eine von Eltern gegründete Initiative mit dem Ziel, ein Wohnheim für Jugendliche mit besonderem Förderbedarf zu bauen, in dem sie leben und arbeiten können. Unter anderem ermöglichte die Stiftung den Bau der Gebäude. Im Mai 2010 wurden die Laurens-Spethmann-Häuser in Neu Wulmstorf eröffnet.
• Weitere Informationen zur Stiftung unter www.spethmann-stiftung.de.
Redakteur:Alexandra Bisping |
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