Mehr als sieben Millionen Menschen leiden darunter
Neu Wulmstorf: Wege aus dem Analphabetismus

Sie informierten in Neu Wulmstorf über die Möglichkeiten, Lese- und Schreibeschwächen zu begegnen: die Lernbotschafterinnen Ruth K.* (li.) und Jutta Schmitt (re.) sowie der wissenschaftliche Mitarbeiter des Bundesverbands Alphabetisierung und Grundbildung, Stefan Wälte, und die wissenschaftliche Hilfskraft Johanna Averdung  | Foto: ab
  • Sie informierten in Neu Wulmstorf über die Möglichkeiten, Lese- und Schreibeschwächen zu begegnen: die Lernbotschafterinnen Ruth K.* (li.) und Jutta Schmitt (re.) sowie der wissenschaftliche Mitarbeiter des Bundesverbands Alphabetisierung und Grundbildung, Stefan Wälte, und die wissenschaftliche Hilfskraft Johanna Averdung
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ab. Neu Wulmstorf. Mehr als sieben Millionen Menschen in Deutschland können nicht richtig lesen und schreiben. Jutta Schmitt und Ruth K.* gehören nicht mehr dazu: Den beiden Lernbotschafterinnen ist es gelungen, ihrer Lese- und Rechtschreibschwäche erfolgreich zu begegnen. Mit dem Alfa-Mobil waren sie kürzlich in Neu Wulmstorf, um mit ihrer Geschichte anderen Mut zu machen und Wege aus dem Analphabetismus aufzuzeigen.

Begleitet wurden die Lernbotschafterinnen von Stefan Wälte und Johanna Averdung, wissenschaftlicher Mitarbeiter und wissenschaftliche Hilfskraft beim Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung. "Das Gefühl, wie es ist, nicht richtig oder gar nicht lesen und schreiben zu können, das können wir nicht vermitteln", sagt Stefan Wälte. Darum sei es hilfreich, Lernbotschafter einzusetzen, also Menschen, die selbst lange mit einer Lese-Schreibe-Schwäche oder sogar als Analphabeten durchs Leben gegangen sind.

Vor fünf Jahren habe sie ihr Lese- und Schreibevermögen aufgebessert, berichtet Jutta Schmitt. Die 61-Jährige kommt aus der Nähe von Lüneburg. 40 Jahre lang habe sie sich trotz der Schwäche in einer Fabrik hochgearbeitet. "Ich habe ein gutes Auffassungsvermögen und mit diesem Handicap leistet man oft mehr als andere, weil man es ausgleichen will." Denn bis auf ihren Mann wusste niemand davon. Jutta Schmitt versuchte, die Schwäche mit Lustigsein zu überspielen. Wie damals im Urlaub, als sie Zahncreme kaufen wollte und mit Haftcreme wieder aus dem Laden kam. "Man vollbringt schauspielerische Höchstleistungen, geht aber auch vielem aus dem Weg."

Bis vor fünf Jahren, da reichte das nicht mehr: "Bis dahin hatte mein Mann mir immer geholfen. Doch dann musste ich im Job am PC arbeiten, Mails beantworten, Arbeitsanweisungen lesen." Durch das Alfa-Mobil kam Jutta Schmitt zur Volkshochschule. Inzwischen sagt sie: "Das Lesen geht gut, beim Schreiben hakt es manchmal etwas." Trotzdem ist sie froh über diesen Schritt: "Jetzt steht mir die Welt offen und es ist gut fürs Selbstwertgefühl. Ich bin stolz darauf, dass ich mich dieser Schwäche gestellt habe." Aufzuklären sei ihr jetzt "eine Herzensangelegenheit".
Sie habe ihren Kindern vorlesen wollen, sagt Ruth K.*(58). Darum habe sie damals lesen gelernt, schreiben konnte sie aber nicht. "Ich habe eine gute Bildvorstellung und konnte mich dadurch immer orientieren." 

Seit einem Jahr besucht die gelernte Erzieherin eine Volkshochschule. In ihrem Beruf als Erzieherin sei sie, damals schwanger, von ihren Kollegen so übel gemobbt worden, dass sie Wehen bekam und gekündigt hat. Ämtern sei sie früher aus dem Weg gegangen: "Heute mache ich das nicht mehr." 
*Name der Redaktion bekannt

Das Alfa-Mobil
Das Alfa-Mobil ist in ganz Deutschland unterwegs und bewirbt Lese- und Schreibkurse. Mit Kursanbietern vor Ort beraten die Projektmitarbeiter Erwachsene, die besser lesen und schreiben möchten. Dazu informieren sie die Öffentlichkeit über Alphabetisierung und Grundbildung.

Redakteur:

Alexandra Bisping

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