Thomas Grambow berichtet
Tagebuch vom DRK-Ukraine-Hilfstransport
(os/nw). Die zehn Teilnehmer des bisher größten Hilfstransports aus dem Landkreis Harburg in die ukrainische Grenzregion sind wohlbehalten zurück. Darüber freut sich vor allem Norbert Böttcher, Präsident des DRK-Kreisverbandes Harburg-Land. Er hatte die Aktion initiiert. Böttcher spart nicht mit Lob für die Freiwilligen, „die sich in vorbildlicher Weise für die Unterstützung der in Not Geratenen engagiert und dafür vieles auf sich genommen haben.“ Hinter den Helfern liegen aufreibende Stunden, in denen sie 2.488 Kilometer zurücklegten und unvergessliche, tief bewegende Eindrücke mitnahmen. Thomas Grambow, designierter Geschäftsführer des DRK-Kreisverbandes im Landkreis Harburg, hat für das WOCHENBLATT ein Reisetagebuch geführt, aus dem wir Auszüge veröffentlichen.
Freitag, 18. März, 2.30 Uhr
Wir, sechs Rotkreuzler und vier Johanniter, treffen uns an der DRK-Fahrzeughalle in Neu Wulmstorf. Mit unseren vier Fahrzeugen - zwei Lkw und zwei Mannschaftstransportwagen - wollen wir die Spenden unserer Partner (Krankenhäuser Buchholz und Winsen, Sparkasse Harburg-Buxtehude, Rotary Club Winsen, Deutsch-Polnische Gesellschaft) in das polnisch-ukrainische Grenzgebiet bringen, um dort den ukrainischen Flüchtlingen zu helfen. Wir alle sind ein wenig aufgeregt. Keiner weiß, was kommt. Zwar sind wir Profis in humanitärer Hilfe, aber das hier ist nicht vergleichbar mit unseren bisherigen Einsätzen z.B. im Ahrtal.
10 Uhr
Wir erreichen die deutsch-polnische Grenze. Man hat uns gesagt, dass wir zum Grenzübertritt das Blaulicht einschalten sollen. Machen wir. Und schon geht die Schranke hoch. Einfach prima. Gleiches auch bei den Mautstellen in Polen. Blaulicht an, Schranke hoch, kein Stopp, stattdessen winkt man uns zu. Europa in der Krise: freundlich und hilfsbereit. Warum nicht immer?
16.30 Uhr; 804 Kilometer
Wir sind auf der A4, die direkt in die Ukraine führt. Überall sehen wir weitere Hilfstransporte aus ganz Europa in Richtung Osten und überall die ukrainischen Farben und Flaggen. Busse, Lkw, Pritschenwagen - alleine oder in Kolonnen. Wir mit unserem Konvoi mittendrin. Bewegend! Ein tolles Gefühl. Unsere Müdigkeit verfliegt für einen Moment.
22.12 Uhr; 1.134 Kilometer
Ankunft an unserem Zwischenziel Rzeszów. Wir werden von unseren Gastgebern für die Nacht herzlichst begrüßt. Die Fahrzeuge können wir im städtischen Busdepot einstellen. Ein warmes Abendessen - und dann ab ins Bett. Die Augen fallen schnell zu. Was für ein Tag.
Samstag, 19. März, 9 Uhr
Wir treffen uns um 9 Uhr im Busdepot Rzeszów. Fahrzeuge auftanken. Im Grenzgebiet soll der Treibstoff knapp sein und wir wollen den Menschen vor Ort natürlich nichts wegnehmen.
11 Uhr; 1.256 Kilometer
Ankunft in Lubaczów, der Partnerstadt der Samtgemeinde Tostedt. Im dortigen Gewerbegebiet warten schon Helfer auf uns. Tragen, Stromerzeuger, Verbandsmaterial und Lebensmittelkonserven werden uns fast aus den Händen gerissen, sofort auf Kleintransporter umgeladen und über die ukrainische Grenze gebracht. Auch die Zelte, Heizanlagen, EKGs und Medikamente sind bald weg. Sie sollen nach Lwiw (Lemberg) gehen. Die Helfer, Männer in dunklen Tarnanzügen, äußern ihre Sorge, dass der Krieg mit Putin und Russland nicht zu stoppen sei und dass Schüsse oder Bomben aus der nur zehn Kilometer entfernten Ukraine sich auch auf polnisches Gebiet verirren könnten. Tag und Nacht ist der Lärm von startenden und landenden Flugzeugen - Luftaufklärer und Tankhubschrauber - zu hören, ruhig schlafen kann hier niemand mehr. Überall stehen Polizisten. Der Strom der Hilfstransporte reißt nicht ab. Aus Richtung Ukraine sehen wir immer wieder Busse mit Frauen und Kindern, vereinzelt auch alten Männern kommen. Tief bewegt fahren wir zurück nach Rzeszów. Wir freuen uns natürlich, dass die von unseren Partnern gespendeten Hilfsmittel dem aktuellen Bedarf entsprechen. Aber es ist zugleich tief traurig, wie viele Güter dort zurzeit benötigt werden. Rettungsmittel, Verband- und medizinisches Material, Lebensmittel ...
18.30 Uhr
Nach ein paar Ruhestunden verabschieden wir uns von unseren polnischen Gastgebern. Ob wir uns bei einem nächsten Hilfstransport wiedersehen? Uns bleibt, danke zu sagen und die uns aus dem Landkreis Harburg mitgegebenen lieben Wünsche auszurichten. „Wir werden das nicht vergessen“, betonen unsere polnischen Freunde.
Sonntag, 20. März, 11 Uhr
Wir kommen wieder in Neu Wulmstorf an. Wohlbehalten, aber müde. Was wir erlebt haben, kann man mit Worten kaum beschreiben. Aber es war großartig. Alle Anstrengungen haben sich gelohnt. Denn wir konnten wirklich helfen!
[b]
60.000 Euro von der Sparkasse Harburg-Buxtehude
(os).[/b] Der Hilfstransport des DRK wurde von der Sparkasse Harburg-Buxtehude und der Stiftung für Stifter der Sparkasse mit 60.000 Euro unterstützt. Das Besondere: 29.814,99 Euro wurden von Mitarbeitern sowie ehemaligen Kollegen gespendet, wobei die Initiative aus der Belegschaft selbst kam. Beim Vorstandsduo Sonja Hausmann und Andreas Sommer stieß die Anregung sofort auf offene Ohren, sodass die Summe von der Stiftung aufgestockt wurde. "Die Menschen vor Ort brauchen schnelle und unbürokratische Hilfe. Ich bin sehr glücklich und stolz, dass auch unsere Sparkassen-Familie mit dieser Spendenaktion ihren Teil dazu beiträgt", betonte Sonja Hausmann.
Redakteur:Oliver Sander aus Buchholz | |
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