"Graf-Luckner-Weg" in Neu Wulmstorf
Wenn Straßennamen zum Zankapfel werden

Seit den 1970er Jahren hat der "Graf-Luckner-Weg" seinen Namen - sollte er umbenannt werden? | Foto: pm
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"Schillerstraße", "Brüder-Grimm-Weg" oder "Geschwister-Scholl-Platz" kommen in vielen deutschen Städten vor. Bedeutende historische Figuren als Namensgeber sind keine Ungewöhnlichkeit und ehren die jeweiligen Persönlichkeiten meist posthum. Wenn es jedoch Zweifel an der Integrität der Geehrten gibt, werden schnell Forderungen nach einer Aberkennung laut. So auch aktuell in Neu Wulmstorf. Die Gemeinde wurde durch Bürger auf den "Graf-Luckner-Weg" aufmerksam gemacht, der nach Felix Graf von Luckner benannt wurde. Dieser war ein deutscher Seeoffizier, Kommandant im Ersten Weltkrieg und Schriftsteller. Doch er soll noch mehr gewesen sein: nämlich ein Verbrecher. 

Die Vorwürfe wiegen schwer. Graf Luckner soll angeblich pädophil gewesen sein und unter anderem seine eigene Tochter missbraucht haben - so die Anschuldigungen, die seit einigen Jahren verstärkt diskutiert werden. Eine Anklage oder Verurteilung zu Lebzeiten des Grafen habe es nie gegeben, erklärt der Verein Felix Graf von Luckner Gesellschaft auf seiner Internetseite. Die Anschuldigungen sollen ihrer Ansicht nach Ergebnis nationalsozialistischer Propaganda gegen den Seeoffizier sein. 

Andere Städte haben sich für Umbenennung entschieden

Wie also geht man mit einem derartigen Fall um? In Würzburg etwa wurde ein "Graf-Luckner-Weiher", in Siegen eine "Graf-Luckner-Straße" umbenannt, nachdem ein Arbeitskreis sich mit dem Thema auseinandergesetzt hatte. In Neu Wulmstorf gab es zwar keinen politischen Antrag auf Umbenennung, doch nach dem externen Hinweis eines Bürgers, beschäftigte man sich mit dem Thema. "Nach Erstberatung im Verwaltungsausschuss haben sich die Fraktionen des Gemeinderates mit der Thematik weiter befasst", erklärt Thomas Saunus, Fachbereichsleiter für Ortsentwicklung und Immobilienwirtschaft bei der Gemeinde Neu Wulmstorf. Nach aktuellem Stand reiche die Faktenlage aber für eine Umbenennung bzw. eine Antragstellung nicht aus. 

Entscheidung nicht in Stein gemeißelt

Die SPD-Fraktion und die Gruppe CDU/FDP des Gemeinderates stehen geschlossen hinter dieser Entscheidung. "Die erhobenen Vorwürfe wiegen zweifellos schwer. Gleichzeitig gibt es aber auch gegenteilige Ansichten. Eine vollständige und sachgerechte Bewertung ist dementsprechend schwer. Hätte es sich um eine neue Straße gehandelt, wäre der Name sicherlich nicht zum Tragen gekommen", erklären Petra Andersen (SPD-Fraktion) und Malte Kanebley (Gruppe CDU/FDP). Die Straße in Neu Wulmstorf wurde ungefähr in den 1970er Jahren benannt, Beschwerden von direkten Anwohnern des "Graf-Luckner-Weges" habe es bis dato aber nicht gegeben, erklärt Thomas Saunus. Die Umbenennung einer Straße sei mit erheblichem Aufwand für die Anwohner verbunden. Eine Entscheidung dürfe demnach nicht ohne ausreichend Abwägung getroffen werden. Wie die SPD-Fraktion und die Gruppe CDU/FDP erklären, würde gerade das Begehren der Anwohner nach einer Namensänderung zu einem Umdenken führen. Und auch Thomas Saunus stellt klar: "Diese Entscheidung ist nicht in Stein gemeißelt." Wenn weitere Erkenntnisse vorliegen, werde man sich wieder mit der Thematik beschäftigen.

Beispiele aus anderen Kommunen

In Tostedt gab es seit dem Jahr 1933 den "Hindenburgplatz" an der Ecke B75/Schützenstraße. Die Initiative zur Umbenennung war im Mai 2017 von der Gruppe FDP/Burkhard Allwardt ausgegangen. Burkhard Allwardt und Dr. Harry Kalinowsky vertraten die Ansicht, die Zeit sei reif, „sich von einem alten Kriegshelden, Militärdiktator und Präsidenten, der Hitler zur Macht verholfen hat, als Aushängeschild einer Gemeinde zu trennen“. Ein halbes Jahr später hatte Burkhard Allwardt den Vorschlag „Töste-Park“ ins Rennen geschickt. Letztlich hatte die Politik noch lange damit gerungen, wie der Platz genannt werden soll, der seit 2019 nun "Töster Platz" heißt.

• In Buchholz war der "Martin-Luther-Weg" für eine Straße im Neubaugebiet an der Bremer Straße im Frühjahr 2018 umstritten. Prof. Dr. Götz von Rohr, Ex-Bürgermeister der Stadt Buchholz, ging gegen diese Benennung der Straße vor wegen Luthers "kaum zu übertreffender Judenfeindlichkeit". Bei einer WOCHENBLATT-Umfrage begrüßte ein Großteil der Leser die Namensgebung wegen der Bedeutung des Reformators, einige Bürger äußerten Kritik an der Namensgebung wegen Luthers antisemitischer Schriften. Der Ortsrat Steinbeck entschied schließlich einstimmig, dass der "Martin-Luther-Weg" bestehen bleiben durfte.

Redakteur:

Pauline Meyer aus Neu Wulmstorf

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