Abschlussübung der Freiwilligen Feuerwehr
Modernste Technik kann Leben retten
Sirenen und Blaulicht im Innovationspark TIP: Ein Einsatzleitwagen und ein Löschfahrzeug der Freiwilligen Feuerwehr Buchholz rasen mit hohem Tempo zur Einsatzstelle. Ist ein Brand ausgebrochen? Was zunächst nach einem potenziell lebensgefährlichen Feuerwehreinsatz aussieht, handelt sich um die Abschlussübung eines Forschungsprojekts. Dabei geht es um nichts weniger als den Höhepunkt in der dreijährigen Entwicklung eines Einsatzunterstützungssystems der Zukunft, wie Landrat Rainer Rempe kurz vor Übungsstart gespannt hervorhob.
„Es war hochinteressant, immer wieder über die Projektfortschritte auf dem Laufenden gehalten zu werden. Besonders beeindruckt hat mich neben der Technik die enge und hochengagierte Kooperation aller Beteiligten. Ganz besonders danke ich unseren Freiwilligen Feuerwehren, die das Projekt mitgetragen und wichtigen Input aus der Praxis beigesteuert haben“, so Landrat Rempe zum bisherigen Projektverlauf. „Nun drücke ich die Daumen, dass alles klappt. Ich bin davon überzeugt, dass die Ergebnisse dazu beitragen, das digitale Einsatzunterstützungssystem weiterzuentwickeln und Feuerwehreinsätze dadurch künftig noch sicherer und erfolgreicher zu gestalten.“
Enge Verzahnung von Wissenschaft, Wirtschaft und Feuerwehr
Modernste Technik kann Leben retten. Darum entwickeln der Landkreis Harburg und die Dräger Safety AG & Co. KGaA aus Lübeck gemeinsam mit weiteren Partnern im bundesgeförderten Forschungsprojekt „USIN5G“ („Usage Scenarios for Innovation Networks in 5G“) Szenarien, mit denen 5G-Technologie genutzt werden kann, um die Freiwilligen Feuerwehren im Einsatz digital zu unterstützen. Den Prototypen des digitalen Einsatzleitsystems „Dräger Smart Rescue System“ konnten die Freiwilligen Feuerwehren Buchholz und Dibbersen kürzlich gemeinsam mit den Entwicklern Dräger, hochschule 21 Buxtehude und dem Geodätische Institut und Lehrstuhl für Bauinformatik & Geoinformationssysteme (gia) der RWTH Aachen bei der Abschlussübung des USIN5G-Teilprojekts „Intelligenter Katastrophenschutz (IKS)“ unter realen Bedingungen testen.
Eine Vorstufe des Systems wird zusätzlich seit vergangenem Oktober und noch bis Ende Oktober 2024 von 99 Freiwilligen Feuerwehren im Landkreis Harburg erprobt, die dafür mit speziellen Tablets ausgerüstet wurden. In den Prototypen der Einsatzunterstützungs-App eingeflossen sind mittlerweile das BIM (Building Information Modell) der hochschule 21 Buxtehude, das Bauwerkinformationen liefert, sowie die von der RWTH Aachen entwickelte Indoor-Positionierung, die Bewegungsdaten der Rettungskräfte bereitstellt.
Der Feldversuch erwies sich dabei schnell als Win-Win-Situation: Die Entwickler erhielten aus erster Hand Informationen, was die Feuerwehren im Einsatz brauchen und konnten das System so laufend weiterentwickeln. Zudem fanden bereits Anfang 2023 gemeinsam mit der RWTH Aachen erste Tests der Sensortechnik, die Einsatzkräfte in Gebäuden lokalisieren soll, in der Brandgewöhnungsanlage der Feuerwehrtechnischen Zentrale FTZ in Hittfeld und im Mai ausführliche Tests eines 5G-Drohnen-Prototypen mit erfolgreichem Flug über dem 5G-Campus des TIP Innovationsparks statt.
Digitales Einsatzunterstützungssystem mit Schwerpunkt Indoor-Lokalisierung von Einsatzkräften
Nach einer Generalprobe vor einer Woche wurde es nun ernst, das neue digitale Einsatzunterstützungssystem der Zukunft wurde einem echten Härtetest unterzogen. Zunächst sollte es bereits auf dem Weg zum Einsatzort zentrale einsatzbezogene Informationen wie zum Beispiel den Anfahrtsweg mit Echtzeitverkehrslage, Alarminformationen, sowie 3D-Gebäude- und Feuerwehrpläne inklusive Objektfotos zur Verfügung stellen. Ganz besonders galt es in der Live-Demonstration jedoch zu erproben, ob das Zusammenspiel von Software, Sensorik und autonomen Drohnen im Ernstfall reibungslos funktioniert, um über 5G Daten in Echtzeit zur Verfügung zu stellen und insbesondere jederzeit genau feststellen zu können, wo genau sich Einsatzkräfte im Gebäude aufhalten. In Zusammenspiel mit weiteren Daten, etwa zu freien Fluchtwegen, dem Gebäudezustand oder zur Lage von Brandherden können die Einsatzkräfte dadurch gezielt gesteuert werden.
„Wenn wir zu einem Einsatz alarmiert werden, wissen wir zumeist nicht, was uns vor Ort konkret erwartet und müssen für den Schutz von Eigentum und insbesondere von Menschenleben auf bedrohliche und sich oftmals blitzartig verändernde Umstände reagieren. Dabei kommt es auf jede Minute an“, erläutert stellvertretender Kreisbrandmeister Torsten Lorenzen den großen Gewinn, den 5G und Echtzeitdaten für die Einsatzführung bedeuten. „Mit einem digitalen Einsatzunterstützungssystem, das uns in Echtzeit Informationen über Gefahrenstellen am Einsatzort, über Fluchtwege oder darüber liefert, ob und wo sich Personen in einem brennenden Gebäude aufhalten, könnten wir sehr viel schneller reagieren und unsere Einsätze zukünftig noch zielgerichteter abarbeiten.“
5G-basiertes digitales Einsatzunterstützungssystem: Härtetest liefert wichtig Erkenntnisse für Weiterentwicklung
Wie das in Zukunft aussehen wird, machte die Übung mehr als eindrucksvoll deutlich. Das Einsatzunterstützungssystem ermöglichte es Einsatzleiter Volker Kleeblatt bereits während der Anfahrt, auf Livebilder der in 90 Metern Höhe über Mayr & Wilhelm schwebenden Drohne zuzugreifen und sich so frühzeitig einen Überblick über die Lage vor Ort zu verschaffen. Genauso hilfreich für die Vorbereitung seiner Einsatzstrategie waren das 3D-Raummodell des Bürogebäudes in Verbindung mit den Livedaten, die von den Sensoren innerhalb des Gebäudes zuverlässig über 5G zur Verfügung gestellt wurden: Im Echtfall hätten dem Ortsbrandmeister beispielsweise Informationen zu Brandherden und möglichen Gaskonzentrationen im ersten Stock zur Verfügung gestanden. Volker Kleeblatt stellte einen Brand im Obergeschoss fest. Mittlerweile waren die Feuerwehrkräfte per Funk informiert worden, dass das Gebäude zwar erfolgreich evakuiert worden war, aber eine Person im ersten Stock vermisst wurde. Die Einsatzkräfte bereiteten den Löschangriff vor und rüsteten sich mit voller Atemschutzausrüstung und der vorbereiteten 5G-Ortungselektronik aus. Der Angriffstrupp der Feuerwehr betrat das Gebäude, um zu löschen und die vermisste Person zu retten und arbeitete sich dazu ins erste Stockwerk vor. Im ersten Stockwerk simulierten die Feuerwehrleute mit einem Rauchvisier stark eingeschränkte Sicht durch Rauchschwaden. Sie durchquerten drei Räume und funkten dann „Mayday“: Ein Atemschutznotfall. Die Retter waren nun selbst auf Rettung angewiesen. Volker Kleeblatt beorderte nun ebenfalls mit Atemschutz und Rauchvisier ausgestattete Kameradinnen und Kameraden eines Sicherheitstrupps ins Gebäude und lotste sie unter Nullsicht per Funk und mithilfe des 3D-Gebäudemodells durchs Gebäude: Der Löschtrupp wurde gefunden und aus dem Gebäude gebracht – im Echtfall wären sie dort direkt vom Rettungsdienst behandelt worden. Dann beenden Volker Kleeblatt und Dräger-Projektleiter Timm Wallrodt die Übung.
Dank der realitätsnahen Übung konnten wichtige Erkenntnisse gewonnen werden, insbesondere in Bezug auf noch notwendige Anpassungen zur zuverlässigeren Realisierung der Indoor Positionierung zur Lokalisierung der Einsatzkräfte. Timm Wallrodt konnte zum Abschluss ein positives Fazit ziehen: „Der Härtetest hat uns wichtige Erkenntnisse für die Weiterentwicklung des Einsatzunterstützungssystems geliefert, die wir nun im Detail auswerten. Softwareseitig haben sämtliche 5G-Datenschnittstellen reibungslos funktioniert, die praxisnahe Einbindung von Sensor- und autonomen Drohnendaten erfolgte in Echtzeit und ohne Verzögerung. Wir werden beide Komponenten in näherer Zukunft in unser Produkt am Markt integrieren können. Für die zukünftige Sicherheit der Feuerwehrleute war die heutige Übung ein wichtiger Schritt.“
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