Antisemitismus war immer da
Als einer der Zeitzeugen des Holocaust kämpft Ivar Buterfas-Frankenthal gegen das Vergessen
as. Landkreis Harburg. "Ich habe im Dritten Reich gelitten - und heute wird mein Neffe zusammengeschlagen!" Ivar Buterfas-Frankenthal (89) ist erschüttert. Seit Jahren setzt sich der Holocaust-Überlebende dafür ein, die Erinnerung an die Gräueltaten der Nationalsozialisten in der Gesellschaft wach zu halten. Auf mehr als 1.500 Veranstaltungen hat er bisher seine Geschichte erzählt.
Jetzt wurde er für die Internationale Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem (Jerusalem) interviewt. Buterfas-Frankenthal beantwortete Fragen zu seiner Geschichte, seiner Familie und berichtete von Repressalien vor und nach 1945. Der Film soll in der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit eingesetzt werden.
"Meine Arbeit war noch nie so wichtig wie heute", sagt Ivar Buterfas-Frankenthal, der zuletzt in Hamburg für sein Engagement gegen Rassenhass und Antisemitismus mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse ausgezeichnet wurde. "Es geschehen laufend Überfälle auf Juden. Wenn wir das nicht ernst nehmen, mit drakonischen Strafen für die Täter belegen, wächst uns das über den Kopf! Die Zeitzeugen sterben dahin, wie Schnee schmilzt in der Sonne. Die Erinnerungen an den Schrecken verblassen, und es kommt verstärkt zu Übergriffen gegen Juden!" Buterfas-Frankenthal zählt einige auf: "In Halle hat ein Rechtsextremist 2019 versucht, mit Gewalt in eine Synagoge einzudringen und die dort betenden Juden zu ermorden. Im vergangenen Jahr wurde vor einer Synagoge in Hamburg ein jüdischer Student mit einem Spaten niedergeschlagen. Und am vergangenen Samstag wurde mein Neffe brutal verprügelt (siehe unten, Anm. der Red.). Das sind keine Einzelfälle. Sondern Folgen des in unserer Gesellschaft nach wie vor vorhandenen Antisemitismus!"
Neffe in Hamburg brutal verprügelt
Der Neffe von Ivar Buterfas-Frankenthal, Michael T. (Name von der Redaktion geändert), ist am vergangenen Samstagnachmittag in Hamburg Opfer eines antisemitischen Angriffs geworden.
Gemeinsam mit seiner Mutter und anderen Demonstranten hat der 60-Jährige an einer friedlichen "Mahnwache für Israel - Gegen Antisemitismus" in der Mönckebergstraße teilgenommen. Eine Gruppe von vier jungen Passanten bepöbelte die Teilnehmer der Mahnwache wüst und skandierte antisemitische Parolen. Als Michael T. die Gruppe zur Rede stellte, schlug einer der Männer ihm plötzlich brutal ins Gesicht. Michael T. ging sofort zu Boden.
"Mein Neffe liegt im Krankenhaus, musste inzwischen mehrfach operiert werden. Joch- und Nasenbein sind gebrochen, der Kiefer angebrochen. Und jetzt läuft er Gefahr, dass die Netzhaut des Auges sich ablöst", berichtet Ivar Buterfas-Frankenthal.
Die Täter flüchteten unerkannt. "Der protokollierende Polizist hat es abgelehnt, die Fotos der Täter, die meine Schwester gemacht hatte, als Beweismittel anzunehmen. Das ist für einen raschen Fahndungserfolg sicher nicht vorteilhaft", so Buterfas-Frankenthal. Mittlerweile hat der Staatsschutz die Ermittlungen übernommen.
Buterfas-Frankenthal ist überzeugt: Hätte der Täter ein Messer dabeigehabt, wäre sein Neffe jetzt tot. "Mein Neffe wurde verprügelt bei einer friedlichen Mahnwache - das nehme ich nicht hin. Es ist seit 75 Jahren der erste Anschlag auf ein Mitglied unserer Familie." Der 89-Jährige findet klare Worte: "Ich bitte nicht - ich fordere eine energische Aufklärung und empfindliche Strafen für die Täter. Damit sich jeder Randalierer darüber im Klaren ist, dass Deutschland sich das nicht länger gefallen lässt."
Als einer der letzten Zeitzeugen berichtet Ivar Buterfas-Frankenthal am Dienstag, 9. November, um 20.15 Uhr in der Empore Buchholz über seine Erlebnisse. Moderiert wird der Abend von der NDR-Info-Moderatorin Sabine Rein. Karten gibt es für je 12,50 Euro unter https://empore-buchholz.de.
Redakteur:Anke Settekorn aus Jesteburg |
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