Zwischenruf
Eine Entschuldigung fehlt
Julian Reichelt muss seinen Posten als BILD-Chefredakteur räumen - diese Nachricht schlug in den Medien Wellen. Lediglich die BILD, die sonst doch gern Missstände anprangert und Aufklärung fordert, hält sich äußerst bedeckt. In einer kleinen Meldung auf Seite fünf wurde am Dienstag der Wechsel in der Führungsetage bekannt gegeben.
Dass Julian Reichelt abgesetzt wurde, ist richtig - aber warum erst jetzt?
Viel zu lang hat die Verlagsleitung sich vor Reichelt gestellt. Reichelt, der Macher, der kernige Typ, der sich nimmt, was er will. Auch junge Mitarbeiterinnen. Im März war der Chefredakteur nach Beschwerden von Mitarbeiterinnen kurz freigestellt - interne Untersuchungen hätten ergeben, dass es "keine Anhaltspunkte für sexuelle Belästigung oder Nötigung“ gab. Es mag sein, dass die Affären einvernehmlich waren. Dennoch bleibt der Tatbestand des Machtmissbrauchs, wenn ein Vorgesetzter immer wieder Beziehungen mit jungen Kolleginnen anfängt, sie je nach seinem Erfolg bei ihnen fördert oder feuert.
Aber was ist jetzt anders als im März? Nach einem Artikel in der New York Times gefährdet Reichelt Springers Expansionsabsichten in den USA. Ich bin überzeugt: ohne diesen Artikel hätte sein Fehlverhalten keine Konsequenzen für Reichelt gehabt. Verlagschef Mathias Döpfner verabschiedete sich daraufhin flugs mit Bedauern von Reichelt. Das Bedauern wäre bei den betroffenen Frauen deutlich angebrachter gewesen.
Anke Settekorn
Redakteur:Anke Settekorn aus Jesteburg |
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