Renaturierungsmaßnahmen im Landkreis Harburg
Moore bekommen wieder "nasse Füße"

Libellen sollen bei Kakenstorf neuen Lebensraum erhalten. Dazu gestaltet der Landkreis einen Graben naturnah um | Foto: Landkreis Harburg / Uwe Quante
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bim/nw. Landkreis Harburg. Jahrhundertelang beuteten die Menschen Moore aus, nutzten den Torf als Brennmaterial und legten die Moore trocken. Aus heutiger Sicht eine fatale Entwicklung. Denn inzwischen ist klar: Moore spielen als effektive Kohlenstoffspeicher eine wichtige Rolle beim Klimaschutz. Doch damit sie diese Funktion übernehmen können, müssen sie wieder „nasse Füße“ bekommen und renaturiert werden. Genau das passiert jetzt im Großen Everstorfer Moor bei Heidenau: Im Auftrag der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Harburg finden entsprechende Arbeiten statt.
Das Große Everstorfer Moor gehört zu den ehemals ausgedehnten Moorlandschaften im Westen des Landkreises. Diese wurden insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg im großen Stil entwässert, umgebrochen und für Land- und Forstwirtschaft genutzt. In den vergangenen Jahrzehnten wurden die Nutzungen noch einmal intensiviert. Heute sind viele ehemalige Moore Maisäcker oder Fichtenforste.
Doch Moore sind effektive Kohlenstoffspeicher. Obwohl Moore nur drei Prozent der Erdoberfläche bedecken, speichern sie rund 30 Prozent des erdgebundenen Kohlenstoffs. Pro Hektar binden sie viermal mehr CO₂ als die Tropenwälder. Hinzu kommt: Sie sind Lebensraum für viele selten gewordene Tier- und Pflanzenarten.
Das Große Everstorfer Moor ist eines der wenigen Moore im Landkreis, das 1988 mit einer Gesamtfläche von 470 Hektar unter Schutz gestellt wurde und der vollständigen Zerstörung entging. Zusammen mit dem Großen Moor bei Wistedt und dem Tister Bauernmoor bildet es das EU-Vogelschutzgebiet „Moore bei Sittensen“, das für seine Kranichvorkommen überregional bekannt ist.
„Während wir uns seit Jahrzehnten bemühen, die Gräben im Moor für eine Wiedervernässung zu verschließen und dabei mit kleinen Schritten vorankommen, droht eine zweite Gefahr“, erläutert Armin Hirt von der Unteren Naturschutzbehörde. „Die trockengelegten Moorreste werden von Bäumen besiedelt und verwandeln sich in Birkenwald. Die Verdunstung der Bäume beschleunigt die Entwässerung und damit die CO₂-Freisetzung. Mitarbeiter der Firma Eisenschmidt fällen daher im Auftrag der Unteren Naturschutzbehörde junge Birkenbestände. Das Land Niedersachsen fördert das. Mit Kettensägen und Schutzausrüstung arbeiten sich die Arbeiter auf den zentralen Moorflächen langsam vor und schaffen Lichtungen im dichten Birkenwald. Die gefällten Bäume werden aufgeschichtet und bleiben im Moor. Noch über Jahre bilden sie Verstecke und Winterquartiere für die Kreuzotter, die auch zu den Bewohnern des Großen Everstorfer Moores gehören."
Bei dieser Maßnahme soll es aber nicht bleiben. Die Untere Naturschutzbehörde hat in den vergangenen Jahren im Moor verschiedene Flächen erworben. „Für die abschließende Renaturierung und damit einen großen Schritt zum nachhaltigen Klimaschutz benötigen wir noch die Unterstützung weniger Grundeigentümer. Wir bleiben optimistisch, dass das gelingt“, sagt Armin Hirt.
Bachlauf bekommt
wieder Schwung

Und auch in Kakenstorf erhält die Natur wieder eine Chance: Der Landkreis Harburg startet mit Restrukturierungsarbeiten an einem kleinen Graben. Der kleine Bachlauf auf Flächen des landkreis-eigenen Kompensationspools erhält dazu einen geschwungenen, naturnahen Verlauf. Vorbild sind historische Karten, die die ursprüngliche Gewässerstruktur belegen.
Noch verläuft der Graben auf etwa 100 Metern schnurgerade und nahezu ohne Struktur an den steilen Ufern und der Sohle. Das ändert sich. Neue Gewässerschleifen mit gewässertypischen Prall- und Gleitufern verlängern den Graben auf etwa 120 Meter. So entstehen abwechslungsreiche und naturnahe Lebensräume, in denen sich beispielsweise Kleinstlebewesen, Amphibien und Libellen wohl fühlen. Totholz, Lesesteine und Kiesel in dem neuen Gewässerlauf bieten gefährdeten Tier-und Pflanzenarten weitere Rückzugsmöglichkeiten.
Gleichzeitig profitiert der Wasserhaushalt: Ein gewundener, naturnaher Gewässerlauf führt zu einem langsameren Abfluss von Regenwasser, und in Senken und Mulden bleibt Wasser stehen. Das mildert dann zukünftige Dürren und Trockenheit ab und ist Voraussetzung für artenreiche Nass- und Feuchtwiesen. Hohe Grundwasserstände fördern so eine typische Niedermoorentwicklung. Das hat auch positive Auswirkungen auf das Klima: Niedermoorböden binden das Treibhausgas CO₂ und gelten als optimaler, natürlicher CO₂-Speicher.
Die etwa 3,3 Hektar große Fläche befindet sich in rund 400 Metern Entfernung zur Este und dem Naturschutzgebiet Estetal. Dort wurden ab Winter 2019 bereits auf dem ehemaligen Ackeranteil etwa 2,3 Hektar „Wilder Wald“ in enger Abstimmung mit der Forstbetriebsgemeinschaft Jesteburg entwickelt. Die Restrukturierung des Grabens rundet die naturschutzfachliche Maßnahmenumsetzung ab. Diese Arbeiten werden durch den Kreisverband der Wasser- und Bodenverbände im Landkreis Harburg umgesetzt.

Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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