Erfolgreich integriert
Palästinenser aus Syrien mit erstem Pass ohne Kreuze

Ahmad Mohammad und seine Frau Rama Altabbaa sind ihrem Unterstützer Günther Knabe sehr dankbar | Foto: bim
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bim. Tostedt. Für Ahmad Mohammad (34) ist es das erste Mal, dass in seinem Pass statt Kreuzen und Strichen eine Staatsangehörigkeit steht - die deutsche. Er und seine Frau Rama Altabbaa (27) sind aus Syrien geflüchtet, haben in Rekordzeit Deutsch gelernt und sind beste Beispiele für eine gelungene Integration. "Ich war selbstständig und wollte selbstständig bleiben", sagt der Friseurmeister zu dem, was ihn antreibt. Während er bald seine Ausbildung zum Metallbauer bei Carsten Ritter in Königsmoor abgeschlossen hat und dort auch übernommen wird, arbeitet Rama Altabbaa als medizinische Fachangestellte in einer HNO-Praxis in Hamburg.
Staatenlos mit unbefristeter
Aufenthaltserlaubnis

Ahmad Mohammad, früher als Friseurmeister selbstständig, ist ein in Syrien geborener Palästinenser, die dort als staatenlos mit unbefristeter Aufenthaltserlaubnis gelten, auch wenn sie die gleichen Pflichten haben. "Ich galt als Flüchtling, weil mein Opa nach Syrien geflüchtet war", erzählt er. Seit 1949 gebe es in Damaskus ein Lager für geflüchtete Palästinenser, Jarmuk, das heute ein Wohnviertel von Damaskus mit überwiegend palästinensischen Bewohnern sei.
An den Tag, an dem sein Friseursalon zerbombt wurde - ebenso wie eine Schule und eine Moschee - erinnert sich Ahmad ganz genau. "Das war am 16. Dezember 2012, es gab rund 250 Tote", berichtet er. Seine Existenz war vernichtet, seine Zukunft ungewiss. Er entschloss sich schweren Herzens, seine Heimat zu verlassen. Es folgte eine Odyssee durch viele Länder - teils mit selbst verdientem, teils mit von Familie und Freunden geliehenem Geld.
Den Eltern in
den Libanon gefolgt

Seine Eltern waren bereits in den Libanon geflüchtet. Ahmad folgte ihnen, bestritt seinen Lebensunterhalt als Schulbusfahrer. Kurz kehrte er nach Syrien zurück, um die inzwischen 18-jährige Rama zu heiraten. Im Libanon wollte er zunächst genug verdienen, um sie versorgen zu können, bis die wirtschaftliche Situation in dem Land aussichtslos wurde.
"Wir wollten unser Glück in der Türkei suchen, wo Ramas Bruder, mein bester Freund, lebt", erzählt Ahmad, der für zehn Monate Anstellung in einer Saftfabrik fand und mit Rama eine Wohnung mietete. "Meine Hoffnung war immer, nach Syrien zurückzukehren", sagt er. Sein Bruder war inzwischen nach Schweden geflüchtet - Ahmads nächstes Ziel. "Der Weg von der Türkei nach Europa war sehr gefährlich, daher blieb Rama in der Türkei." Mit einem für neun Personen ausgelegten und mit 35 Personen besetzten Schlauchboot ging es im Juli 2015 von der Türkei in einer zweieinhalbstündigen Fahrt zur griechischen Insel Kos und nach zwei Wochen zwischen Strand und Straßemit der Fähre nach Athen.
Im Schleuser-Bus zur
griechischen Grenze

Weiter führte die Tour in einem Schleuser-Bus bis zur griechischen Grenze und von dort ca. sieben Stunden zu Fuß bis Mazedonien - immer mit der Angst, aufgegriffen und zurückgeschickt zu werden. Mit dem Zug ging es weiter nach Serbien, dann wieder Schritt um Schritt, immer auf der Hut und mit griffbereitem Bestechungsgeld, bis Belgrad und bei einem weiteren Tagesmarsch bis Ungarn. Die in kleinen Gruppen laufenden Flüchtlinge hatten kein Wasser und kein Essen, versteckten sich im Wald und in Maisfeldern vor den als brutal verschrieenen ungarischen Soldaten. "Dann waren wir nur noch zu fünft, hatten keine Kraft mehr und liefen einfach auf der Straße", denkt der 34-Jährige zurück. Ein Fabrikbesitzer gab ihnen zu trinken und fuhr sie - natürlich gegen Geld - nach Budapest. Von Budapest brachte ein afrikanischer Schleuser Ahmad zu seinem nächsten Zwischenstopp, wie er glaubte - nach Deutschland. Weil er hier registriert wurde, war das nun Ausgangspunkt seines Asylverfahrens und damit der Schlusspunkt seiner Flucht, die ihn rund 5.000 Euro kostete.
Von Friedland
nach Winsen

Vom Auffanglager in Friedland über die Ausländerbehörde in Winsen kam Ahmad in eine Asylbewerberunterkunft in Tostedt - und traf Flüchtlingsunterstützer Günther Knabe. Da der auch im Arbeitsskreis Naturschutz aktiv ist, hatte er gleich Aufgaben zu vergeben. Sein Ansatz: "Es ist besser, etwas Sinnvolles zu machen und dabei die Sprache zu erlernen, als im Container zu sitzen." Und Ahmad organisierte sich Friseurzubehör und tat das, was er gelernt hat: Er frisierte seine Mitbewohner und Günther Knabe.
Auch in Deutschland war er seit seiner Ankunft im Juli 2015 als staatenlos geführt worden. Rama holte er im Januar 2016 nach. "Sie war schlau", berichtet Ahmad stolz. Denn die 27-Jährige reiste von Syrien über Indien nach Deutschland, um nicht im Libanon, der Türkei, Ägypten oder Jordanien zu stranden, wie viele andere ihrer Landsleute.
Paar ist deutschem
Untrerstützer sehr dankbar

"Ohne Günther hätten wir das nicht geschafft", erklärt das Paar dankbar. Der Tostedter half bei der Wohnungs-, Praktikums- und Ausbildungsplatzsuche und unterstützte beim Deutschlernen. "Die beiden sind die am schnellsten eingebürgerten Flüchtlinge", meint Günther Knabe, denn seinen Erfahrungen nach dauere eine Einbürgerung acht Jahre. Ahmad Mohammad schaffte es in sechs, Rama Altabbaa in fünf Jahren. Und Ahmad zeigt stolz seinen Reisepass. "Das ist der erste Pass in meinem Leben, in dem mein Wohnort steht."

Ahmad Mohammad und seine Frau Rama Altabbaa sind ihrem Unterstützer Günther Knabe sehr dankbar | Foto: bim
Ahmad Mohammad mit dem Balkenmäher bei einem Einsatz im Schmokbachtal  | Foto: Knabe
Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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