Olympia in Tokio - Pro und Kontra
Sinnvolles Fest des Sports oder Seuchenspiele?
(lm/os). Es ist ein Thema, das derzeit polarisiert - und das vollkommen zu Recht. Die Austragung der Olympischen Spiele in Tokio, die am gestrigen Freitag offiziell begonnen haben, steht unter keinem guten Stern. Nachdem die Spiele bereits im vergangenen Jahr wegen der Corona-Pandemie verschoben wurden, ließ das Internationale Olympische Komitee (IOC) unter Leitung von Thomas Bach schnell durchblicken: Eine weitere Verschiebung sei nicht denkbar. Bereits im Mai appellierte ein Zusammenschluss von knapp 6.000 Ärzten an die Verantwortlichen in der japanischen Hauptstadt, die Spiele nicht stattfinden zu lassen, zu groß sei das Risiko angesichts der noch immer allgegenwärtigen Pandemie. Allerdings gibt es trotz allem auch Argumente, die durchaus für eine Austragung der Olympischen Spiele sprechen. Die WOCHENBLATT-Redakteure Oliver Sander und Lennart Möller haben sich intensiv mit der Frage beschäftigt, was für oder gegen Olympia in Tokio spricht.
Pro - Die Spiele als Signalwirkung
Auch wenn die Pandemie das derzeit stärkste Argument gegen die Olympischen Spiele in der japanischen Hauptstadt ist, so gibt es auch durchaus gute Gründe für die Austragung. Dabei muss auch mal ganz pragmatisch gedacht werden: Eine erneute Verschiebung oder gar eine Absage würde sowohl für die Organisatoren der Spiele als auch für die Athleten mit hohen finanziellen Einbußen einhergehen. Beträge in Milliardenhöhe hängen an Fernsehen und Sponsoren. Sollten diese Gelder nicht fließen, würden auch nationale Verbände diese Auswirkungen zu spüren bekommen, da sie anteilig von den Einnahmen des Olympischen Komitees profitieren.
Und dabei sollte nicht vergessen werden, dass viele Athleten auf diesem hohen sportlichen Niveau viele Jahre darauf hinarbeiten, an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Eine weitere Absage könnte den Traum für viele endgültig zerplatzen lassen. Ebenfalls für eine Austragung sprechen die guten Erfahrungen aus den Testwettkämpfen. Der Aufwand, den das Hygienekonzept erfordert, ist enorm - die Athleten, Funktionäre und Medienvertreter sind für den Zeitraum der Spiele vollkommen von der Außenwelt abgeschottet und leben sozusagen in ihrer eigenen Blase. Ausländische Besucher sind komplett von den Spielen ausgeschlossen.
Zum Schluss darf nicht vergessen werden, dass die erfolgreiche Durchführung der Spiele eine Signalwirkung hätte. Von Seiten des Olympischen Komitees war in den vergangenen Monaten immer wieder die Rede von einer "Fackel der Hoffnung" und einem "Licht am Ende des Tunnels". Eine weitere Verschiebung oder Absage würde dagegen eher ein negatives Signal senden.
[b]Lennart Möller
Kontra - Leben in unnatürlicher Blase
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Hand aufs Herz: Freuen Sie sich auf die Olympischen Spiele? Werden Sie sich morgens die TV-Übertragungen anschauen? Ich nicht!
Ich halte es für unverantwortlich, in der jetzigen Situation mit einer noch lange nicht überstandenen Pandemie ein sportliches Großereignis mit mehr als 11.000 Athleten aus aller Welt - plus Schiedsrichter und Trainer - auf engstem Raum durchzuführen. Angesichts steigender Corona-Zahlen mit der Ausrichtung der Olympischen Spiele eine Art Normalität vorzugaukeln, halte ich vor allem mit Blick auf kleine Einzelhändler, Gastronomen und Hoteliers, die sich bereits wieder vor erneuten Schließungen fürchten, für geradezu zynisch.
Dass bereits vor dem ersten Wettkampf die ersten Sportler positiv auf das Coronavirus getestet wurden, überrascht mich nicht. Es werden viele weitere Fälle dazukommen. Auch wenn die Olympioniken während der Spiele in einer unnatürlichen Blase leben, wird es sich nicht vermeiden lassen, dass Sportler das Virus mit nach Hause bringen. Mit Mühe und vielen Restriktionen wurden die Fallzahlen in vielen Ländern nach unten gedrückt. Das darf man nicht mit dem Hinweis auf die ach so teuren Spiele kaputt machen. Mal ganz abgesehen davon, dass die Sportler auch die japanischen Bürger und das Gesundheitssystem in Gefahr bringen.
Kein Wunder, dass kaum ein Japaner positiv über die Olympischen Spiele im eigenen Land denkt.
Dass - zu Recht - keine Zuschauer bei den Wettkämpfen zugelassen sind, ist für mich ein weiteres Argument gegen die Spiele. Es gibt keine Atmosphäre, die das Ereignis in der Vergangenheit besonders ausmachte. Applaus kommt vom Band. Darauf kann ich verzichten. Olympia findet dieses Mal ohne mich statt.
Oliver Sander
Redakteur:Lennart Möller aus Rosengarten |
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