Immer weniger Lkw-Fahrer
Teurer Führerschein und überfüllte Raststätten

Foto: Pixabay

(sv). Der Mangel an Lkw-Fahrern, den Großbritannien aktuell durch den Brexit erlebt, nimmt auch in Deutschland dramatisch zu: "Jedes Jahr gehen 40.000 Fahrer in Rente und es fangen gerade mal zehn Prozent neu an", sagt Helmuth Petersen, Geschäftsführer der Spedition Petersen & Bileck in Buchholz (Landkreis Harburg). "Es fehlen also jährlich 36.000 weitere Lkw-Fahrer, die wir eigentlich dringend benötigen. Ich schätze, wir brauchen weniger als fünf Jahre, bis auch wir vor leeren Regalen stehen werden."

Dass die leeren Regale bereits Realität sind, hätten im vergangenen Sommer die Lieferengpässe bei Getränken wie Mineralwasser bewiesen, sagt Petersen. Zudem sei immer häufiger zu bemerken, dass in Einzelhandelsketten wie Famila oder Edeka ein Produkt für einige Tage oder gar Wochen nicht zu kaufen sei.

Hohe Kosten für den Führerschein

Die Hauptgründe für den Fahrermangel bleiben der teure Führerschein und der fehlende Nachwuchs. Zunehmend mehr Schüler würden sich nach dem Abitur gegen Ausbildungsberufe entscheiden, sagt Volker Schilling, Geschäftsführer des Unternehmens VS Transporte und Baustoffe in Harsefeld (Landkreis Stade). "Heutzutage wollen alle nur noch studieren. Der Nachwuchs, den wir kriegen, entscheidet sich erst ab 30 für unsere Branche. Und inzwischen überaltern unsere Fahrer." Zwanzig Fahrer beschäftigt Schilling aktuell, sechs weitere könnte er noch gebrauchen.

Immer deutlicher spüren Spediteure wie Schilling und Petersen die Konsequenzen der Abschaffung der Wehrpflicht im Jahr 2011. Nach der Schule konnten junge Männer als Teil ihrer Ausbildung in der Bundeswehr auch den Lkw-Führerschein machen. "Die Hürden und Kosten waren damals viel niedriger, ich musste für meinen Lkw-Führerschein vielleicht 18 Mark zahlen", sagt Volker Schilling.

Heute müssen angehende Lkw-Fahrer rund 10.000 Euro in ihren Führerschein investieren. Mit dem Führerschein ist es dann allerdings nicht getan: Alle fünf Jahre müssen Berufskraftfahrer in insgesamt 35 Stunden fünf Weiterbildungs-Module für insgesamt 500 Euro belegen, um ihren Lkw-Führerschein zu behalten: Eco-Training/Assistenzsysteme, Sozialvorschriften/Fahrtenschreiber, Gefahrenwahrnehmung, Schadensprävention und Ladungssicherung.

Fahrer, die ohne eine gültige Weiterbildung fahren, können mit Geldstrafen von bis zu 5.000 Euro rechnen. Zu diesen fünf Standard-Weiterbildungen kommen je nach Speditionsbranche noch weitere. Zum Beispiel benötigen Fahrer von Gefahrguttransporten eine ADR-Bescheinigung, die ebenfalls nur fünf Jahre lang gültig ist und um die 800 Euro kostet. Und das bei einem Jahresgehalt von rund 30.000 Euro brutto im Jahr (Statista, deutschlandweit, 2018). Dazu kommen allerdings noch steuerfreie Spesen, erklärt Volker Schilling: 14 Euro am Tag für Nahverkehrsfahrer und 28 Euro am Tag für Fernfahrer.

Schilling übernimmt die Kosten für Ausbildung, Führerschein, die Module und deren "Auffrischung" für alle seine Fahrer, damit er sie überhaupt halten kann. "Ich halte das Auffrischen der Module alle fünf Jahre für übertrieben. Wir organisieren ohnehin jedes Jahr in Zusammenarbeit mit der Straßenverkehrs-Genossenschaft Stade (SVG) eine Fortbildung für unsere Fahrer."

Aufgrund des fehlenden Nachwuchses beschäftigen viele Speditionen Rentner als Aushilfsfahrer. Besonders für diese Gelegenheitsfahrer seien die Weiterbildungen eine finanzielle Belastung, die durch das Gehalt kaum auszugleichen sei. "Die arbeiten dann oft nur noch, bis die Module ausgelaufen sind", sagt Schilling.

Überfüllte Raststätten: Lkw stehen schon in Auffahrten

Das vielerorts noch schlechte Image des Berufskraftfahrers, nie zuhause zu sein, entspreche laut Petersen und Schilling nicht länger der Realität (Fernfahrer ausgenommen). Lkw-Fahrer in beiden Speditionen arbeiten fünf Tage die Woche bei Festlohn und sind jeden Abend zuhause, große Touren wie z. B. nach Schweden oder in die Schweiz kämen eher selten vor und seien daher sogar begehrt unter den Fahrern.

Problematisch dagegen sei laut Schilling und Petersen die Situation auf den Raststätten: Immer mehr Lkw-Fahrer müssten auf Parkplätze ohne WCs und Duschen ausweichen, was den Job nicht attraktiver für den Nachwuchs mache. "Wer bis 17 Uhr keine Raststätte angefahren hat, kriegt in der Regel keinen Parkplatz mehr. Das geht inzwischen so weit, dass viele Fahrer schon in den Auffahrten parken, um ihre Lenkzeiten einzuhalten", sagt Petersen.

Berufskraftfahrer dürfen in der Regel nur neun Stunden und maximal zweimal die Woche zehn Stunden am Tag fahren, das ist die sogenannte Lenkzeit, die im Fahrtenbuch händisch oder elektronisch dokumentiert werden muss.

Redakteur:

Svenja Adamski aus Buchholz

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