Kritik an strengen EU-Vorgaben
Uferschnepfen bremsen Deicherhöhung in Nordkehdingen aus

Die Uferschnepfe ist nach EU-Recht streng geschützt. Aufgrund des Schnepfen-Schutzes könnte es zu erhebliche Verzögerungen bei der Erhöhung der Elbdeiche in Nordkehdingen kommen | Foto: Adobe Stock/RK; weyo/jd
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  • Die Uferschnepfe ist nach EU-Recht streng geschützt. Aufgrund des Schnepfen-Schutzes könnte es zu erhebliche Verzögerungen bei der Erhöhung der Elbdeiche in Nordkehdingen kommen
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Die Verantwortlichen in Hannover, Berlin und Brüssel haben es offenbar noch immer nicht begriffen: Der Küstenschutz an der Nordsee und in besonderer Weise entlang der Elbe ist eine elementare Aufgabe. Werden die Deiche nicht bis zur Mitte dieses Jahrhunderts deutlich erhöht, ist die Lebensgrundlage von Millionen Menschen bedroht. Vor allem bedingt durch den Klimawandel, werden die Sturmfluten immer häufiger und höher. Doch strenge naturschutzrechtliche Vorgaben verhindern eine zügige Erhöhung der Deiche, auch an der Unterelbe. Die Forderung der Deichverbände und vieler Politik vor Ort, den Küstenschutz über den Naturschutz zu stellen, wird in den Hauptstädten ignoriert. Beispiel Nordkehdingen: Dort drohen bei der zwingend erforderlichen Deicherhöhung drastische Beschränkungen, weil für das Gebiet an der Elbe nach EU-Recht besonders strenge Artenschutzauflagen gelten. Dagegen regt sich jetzt Widerstand.

Nur zehn Wochen pro Jahr – von Anfang Juli bis Mitte September – sollen für die Arbeiten am Deich zur Verfügung stehen, weil im EU-Vogelschutzgebiet die vom Aussterben bedrohte Uferschnepfe brütet. "Sie ist die wichtigste Brutvogelart in diesem EU-Vogelschutzgebiet. Das Gebiet gilt mittlerweile als bedeutendstes Brutgebiet für Niedersachsen", erklärt Landkreis-Sprecher Daniel Beneke. Uferschnepfen seien sehr standorttreu, würden aber sensibel auf Störungen reagieren. Sie verlassen dann meist den Brutplatz und kehren auch nicht wieder zurück.

Deicherhöhung an der Elbe geht zu langsam voran

Pro Jahr könnte nur 500 Meter Deich erhöht werden

Konkret geht es um sechs Kilometer Hauptdeichlinie in Balje-Hullen östlich der Ostermündung. Dort soll der Elbdeich von 7,80 Meter auf bis zu 9,60 Meter erhöht werden. Sollte sich an den Beschränkungen nichts ändern, würden die Arbeiten wohl zwölf Jahre dauern, heißt es vom Deichverband Kehdingen-Oste. Denn von Anfang Oktober bis Ende März kann am Deich wegen der Sturmflutgefahr ohnehin nicht gearbeitet werden. In den übrigen zehn Wochen könnten pro Jahr nur rund 500 Meter Deich ertüchtigt werden. Das Planfeststellungsverfahren soll im kommenden Jahr beginnen, Planfeststellungsbehörde für die Deicherhöhung ist der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN).

Die Uferschnepfen reagieren sehr empfindlich auf Störungen | Foto: Patrick Weber
  • Die Uferschnepfen reagieren sehr empfindlich auf Störungen
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Landkreis sucht nach Lösungen

„Wir wissen um die schwierige Problematik und suchen intensiv nach Lösungen. Es handelt sich hier um Europa- und Bundesrecht, das die beim Landkreis Stade angesiedelte Untere Naturschutzbehörde nicht außer Kraft setzen kann“, sagt Beneke. Er betont: „Diese Einschränkungen hat die Europäische Union zu verantworten, nicht der Landkreis Stade als zuständige Naturschutzbehörde.“ Der NLWKN als Planfeststellungsbehörde führe das Verfahren, der Landkreis werde voraussichtlich als sogenannter Träger öffentlicher Belange um eine Einschätzung gebeten. Landrat Kai Seefried (CDU) werde mit dem niedersächsischen Umweltminister Christian Meyer (Grüne) in Kontakt treten, kündigt Beneke an.

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EU-Kommission kann eine Ausnahme machen

Im Zweifelsfall bliebe womöglich nur noch der Gang nach Brüssel: Laut dem Bundesnaturschutzgesetz stellt die sogenannte Bestickanpassung ein Projekt dar, das zwingend einer sogenannten Verträglichkeitsprüfung unterliegt. Bei der Bestickhöhe handelt es vom Land vorgegebenes Maß, wie viel ein Deich in einem bestimmten Abschnitt zu erhöhen ist. Dabei ist bereits ein Zuschlag für den klimabedingten Anstieg des Meeresspiegels einberechnet. Denkbar seien etwa Kompensationsmaßnahmen wie spezielle Ausweichflächen für die Uferschnepfe. „Führt ein Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen, ist aber alternativlos und von überwiegend öffentlichem Interesse, kann die EU-Kommission eine Ausnahme erteilen“, erläutert Beneke die Rechtslage. Das zuständige Bundesministerium müsse dafür bei der EU-Kommission vorstellig werden.

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Immer mehr gesetzliche Vorgaben

Ohnehin erschweren immer mehr behördliche Vorgaben und komplexere gesetzliche Rahmenbedingungen den Deichbau, gerade hinsichtlich des Naturschutzes. Bei der geplanten Deicherhöhung in Jork-Hinterbrack benötigte der dortige Deichverband beispielsweise zwei Jahre, um das naturschutzfachliche Konzept zu erarbeiten. Zudem soll für zwei Kilometer erhöhten Elbdeich nun 15 Hektar statt wie bisher zwei Hektar als Ausgleichsflächen bereitgestellt werden. Umgerechnet auf die 77 Kilometer Elbdeich allein im Landkreis Stade wären 580 Hektar an Kompensationsflächen erforderlich. Das entspräche einer Fläche von fest zwei mal drei Kilometern. Dabei geht es um eine Ausgleichsmaßnahme für das sogenannte Biotopgras, das aktuell vielerorts auf den Deichen wächst und nach Ansicht des Umweltministeriums angeblich ökologisch wertvoller sein soll als die spezielle Grasmischung, die künftig die Deichverbände verwenden wollen, um eine feste Grasnarbe zu gewährleisten.

Die Uferschnepfe ist nach EU-Recht streng geschützt. Aufgrund des Schnepfen-Schutzes könnte es zu erhebliche Verzögerungen bei der Erhöhung der Elbdeiche in Nordkehdingen kommen | Foto: Adobe Stock/RK; weyo/jd
Die Uferschnepfen reagieren sehr empfindlich auf Störungen | Foto: Patrick Weber
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Jörg Dammann aus Stade

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