Abschiebung einer georgischen Familie
Asylrecht: Geltende Gesetze sollen unmoralisch sein
"Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes abgeschlossen wird." So steht es im Aufenthaltsgesetz. Das nähere Verfahren ist im Asylgesetz geregelt. Vor rund zwei Wochen ist eine vierköpfige Familie aus Georgien unter Anwendung dieser Gesetze in ihr Herkunftsland abgeschoben worden. Der Stader Redaktionsleiter Jörg Dammann hat den Fall aufgegriffen: In seinem als Meinungstext gekennzeichneten Artikel "Abgeschoben nach Georgien: Die andere Story" (hier online nachzulesen) legte er dar, warum dieser Fall - frei von Emotionen - ausschließlich unter dem Aspekt von Recht und Gesetz betrachtet werden muss.
Lehrerin übt Kritik
Doch genau diese Intention des Artikels, das Handeln der Behörden in einem rein sachlichen Kontext darzustellen, ruft heftige Kritik seitens der Lehrerin hervor, in deren Klasse die minderjährige Tochter der georgischen Familie ging. So wirft Anna G., die an der Grund- und Oberschule Oldendorf unterrichtet, dem Autor vor, er würde sich "als weißer Ritter für die Behörden des Landkreises Stade gerieren".
G. präsentiert eine Analyse des Vorgangs aus ihrer Sicht: Das Prozedere rund um die Abschiebung stelle "ein perfektes Beispiel für die operative Logik der Funktionssysteme" dar, so G. Behörden würden Entscheidungen treffen, die zwar rational zu begründen seien, "die aber im Ergebnis zu einem diskriminierenden, menschenunwürdigen Vorgang führen." Deshalb sei es wichtig, bei solchen Einzelschicksalen wie im Fall der georgischen Familie deutlich zu machen, "dass dies zwar geltendes Recht ist, moralisch aber trotzdem nicht richtig ist", schreibt G., deren Kritik in vollem Wortlaut als Kommentar unter dem Online-Artikel nachzulesen ist:
Hohe moralische Warte
Dazu sei angemerkt, dass sich G. offenbar gar nicht im Klaren darüber ist, wohin dies führt, wenn man ihre Logik weiterdenkt: Am Ende ließen sich alle Entscheidungen von Ämtern und Urteile von Gerichten, die nicht im Sinne der Betroffenen sind, als "diskriminierend" anprangern. Der Rechtsstaat wird so unter Generalverdacht gestellt. Denn das bleibt festzuhalten: Die georgische Familie hatte gegen die Ablehnung ihres Asylantrags den Rechtsweg beschritten - ohne Erfolg. Für einen sachlichen Diskurs zum Themenkomplex Asylrecht und Abschiebung dürfte gewiss nicht hilfreich sein, wenn sich die eine Seite dabei als Moral-Instanz aufschwingt. G. blickt aus einer hohen moralischen Warte auf diejenigen herab, die für die Anwendung von Recht und Gesetz verantwortlich sind.
Rassismus-Vorwurf
"Wir müssen Mitgefühl haben, wenn wir in Würde leben wollen", schreibt G. weiter. Ein Satz, den sicher jeder unterschreiben könnte, der aber so pauschal wie im konkreten Fall unangemessen ist. Die Eltern der georgischen Familie haben sich schließlich selbst durch ihr Verhalten in eine Situation manövriert, die letztlich nur die Abschiebung zur Folge haben konnte. Schließlich wird von G. noch die Rassismus-Keule hervorgeholt: "Wenn das Mitgefühl für das Leid anderer Menschen abhängig ist von deren Nationalität, ist das im Kern rassistisch", so die Lehrerin.
Zustimmende Zuschriften
Der Artikel hat aber auch viele positive Reaktionen hervorgerufen. Die Redaktion erreichten überwiegend kurze Kommentare mit Aussagen wie "Aus meiner Sicht hat die zuständige Behörde völlig nach Recht und Gesetz gehandelt" (Ingo M.) oder "Ich möchte Ihnen danken für den mutigen Artikel, mit dem Sie über die Abschiebung berichtet haben" (Jürgen A.).
Er habe zwar vollstes Verständnis für Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen fliehen und hier ein neues Leben beginnen wollen, schreibt Harald W. aus Stade. Doch auch er sei der Meinung, dass die Familie aufgrund der bestehenden Rechtslage zu Recht abgeschoben worden sei. W.s Kritik hat eine andere Stoßrichtung: "Für verwerflich halte ich eher das Verhalten von diesen Asylkreisleuten, die die Presse instrumentalisieren wollen und so in der Tat fragwürdige Abschiebeentscheidungen bzw. die Kritik daran entwerten. Inflationäres Genörgel hilft da in der Sache keinem."
Bürgermeister meldet sich zu Wort
Gemeldet hat sich auch der Oldendorfer Bürgermeister Johann Schlichtmann. In dem Dorf hat die georgische Familie gewohnt. Schlichtmann kommt abschließend zu Wort: "Als ehemaliger Polizeibeamter und Hauptverantwortlicher für die Durchführung von Abschiebungen und als Bürgermeister der Gemeinde Oldendorf möchte ich Ihnen ein großes Lob für den Artikel aussprechen. Ich war beim Vollzug angeordneter Abschiebungen immer davon überzeugt, dass die vorgelagerten Behörden und Instanzen nach Recht und Gesetz und unter Beachtung der Rechtmäßigkeitsgrundsätze ihre Anordnung trafen. Sie haben einen sehr sachlichen und vor allem rechtlich einwandfreien Artikel geschrieben. Und Sie haben vor allem die Wahrheit des Einsatzablaufes dargestellt."
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