75 Jahre Kriegsende
April 1945: Junge Soldaten sterben in Vahrendorf bei sinnlosem Angriff auf die Britische Armee
as. Vahrendorf. Henry Erdmann war gerade einmal 15 Jahre alt, als er am 26. April 1945 in Vahrendorf sein Leben verlor. Erdmann gehörte zur "Kampfgruppe Panzerteufel". Sie sollte Vahrendorf von den Einheiten der siebten britischen Panzerdivision zurückerobern. Die sehr jungen Männer, größtenteils ohne Kampferfahrung, wurden nur wenige Tage vor der Kapitulation Hamburgs mit unzureichender Bewaffnung und Ausrüstung in einen sinnlosen Kampf, in den sicheren Tod geschickt.
Panzergräben rund um Hamburg
Ab 1944 wird rund um Hamburg eine Hauptverteidigungslinie errichtet, Hitler befiehlt, die Stadt um jeden Preis zu verteidigen. Im Süden erstreckt sich die Verteidigungslinie von Elbufer zu Elbufer, von Over über Hörsten, Meckelfeld, Glüsingen, Beckedorf und Ehestorf bis nach Harburg.
Die Briten kommen
Ende April 1945 stoßen britische Truppen bis nach Vahrendorf vor und besetzen den Ort. Klaus Möller aus Sottorf, Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande für sein Engagement für die Aufarbeitung des Nationalsozialmus, erinnert an die letzten Kriegstage am Kiekeberg: "Am 20. April 1945 erreichten englische Kampfverbände, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen, die Kiekebergdörfer Sottorf, Alvesen, Ehestorf und Vahrendorf, deren Einwohner sich weitgehend schon seit einiger Zeit nur noch in notdürftig zu Luftschutzräumen ausgebauten Kellern aufhielten. Die Kommandeure der britischen Truppen erklärten das Grenzgebiet an der Hauptverteidigungslinie der Hansestadt Hamburg anschließend zur Kampfzone und forderten die Bewohner der betroffenen Dörfer zur Räumung ihrer Häuser und zum Verlassen der Ortschaften auf, was auch zumeist befolgt wurde. Sechs Tage später wurden die in Vahrendorf stationierten Einheiten der siebten britischen Panzerdivision von einem Gegenangriff der 'Kampfgruppe Panzerteufel' überrascht."
Der Angriff beginnt
Am Abend des 25. April beginnt der Angriff. In drei Zügen rückt die rund 120 Mann starke Einheit dann kurz nach Mitternacht in Vahrendorf vor. Sie überraschen die Briten im Schlaf, nehmen einige Soldaten gefangen und können Vahrendorf besetzen - allerdings nur kurz. Die jungen deutsche Soldaten, die sich z. T. noch in der Ausbildung befinden und schlecht ausgerüstet sind, kämpfen gegen einen in jeder Beziehung sowohl personell wie auch materiell überlegenen Gegner. Sie liefern sich blutige Gefechte mit den britischen Soldaten. Ihre Lage wird zunehmend aussichtsloser, denn die Engländer weichen nicht zurück. Im Gegenteil: Sie erhalten Verstärkung und treten mit Panzerunterstützung zum Gegenangriff an. "Es war ein aussichtsloser Kampf der jungen Soldaten", sagt Klaus Möller. Das erkennt auch Kompaniechef Heinz Früh. Als klar wird, dass die völlige Vernichtung seiner Einheit droht, gibt er in den frühen Morgenstunden am 26. April den Befehl zum Rückzug. Tragisch: Der Befehl erreicht nur einen Teil der Kompanie. Etwa die Hälfte der Jugendlichen bleibt zurück und leistet den Briten weiterhin erbitterten Widerstand. Einer nach dem anderen verliert im Kugelhagel sein Leben. Halbwüchsige, die in einen aussichtslosen Kampf geschickt wurden.
Sinnloser Tod
Am 26. April fallen in Vahrendorf junge Engländer ebenso wie Deutsche. "Warum mussten sie - wie so viele andere junge Menschen - in diesen letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs noch sterben? Ihr Tod war so sinnlos wie der ganze Weltenbrand in den vorangegangenen sechs Jahren!", fragt Klaus Möller.
Denn nur drei Tage später, am 29. April, leiten drei mutige Männer die Kapitulation Hamburgs ein. Mehr dazu lesen Sie hier.
Gefallene waren nicht einmal 20 Jahre alt
Nach der Kapitulation Hamburgs am 3. Mai 1945 kehrten die Bewohner der vier Kiekebergdörfer in ihre Häuser zurück. Auch für sie galt danach zunächst eine strenge Ausgangssperre, die in den folgenden Tagen schrittweise gelockert wurde.
Die Aufhebung der Beschränkungen verbanden die britischen Befehlshaber vor Ort mit der Aufforderung an die Dorfbewohner, die Toten zu bergen und zu begraben. "Erst jetzt wurde das ganze Ausmaß der Tragödie sichtbar - die meisten Gefallenen waren nicht einmal 20 Jahre alt", berichtet Klaus Möller. Sie wurden zunächst in zwei Massengräbern beigesetzt.
Im März 1946 begannen drei Angehörige des 12. SS-Ausbildungs- und Ersatzbataillons, die an den Kämpfen teilgenommen hatten, damit, in Vahrendorf einen Soldatenfriedhof anzulegen und die Toten aus den Massengräbern umzubetten. Sie wurden zunächst von Peter Witt, dem Bürgermeister der Gemeinde Vahrendorf, vom Harburger Bestattungsunternehmer Albers und vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge unterstützt. Viele Tote konnten dabei nicht mehr identifiziert werden.
Der Vahrendorfer Soldatenfriedhof wurde ein Jahr später am 27. April 1947 auf dem Krähenberg im Westen des Dorfes eingeweiht. Ein hohes Holzkreuz überragte die schlichten Holzkreuze auf den Gräbern der Bestatteten. Neun Jahre später wurden sie durch Grabkreuze aus Naturstein ersetzt, die den Richtlinien des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge entsprachen.
Maria und Georg Muskowitz pflegen den Friedhof, um ihrem Sohn Martin nah zu sein
Die Pflege des Ehrenfriedhofes lag in den Jahren danach lange in den Händen von Maria und Georg Muskowitz. Ihr Sohn Martin gehörte zu den jungen Menschen, die in diesem aussichtslosen Nachtangriff am En-de des Zweiten Weltkriegs ihr Leben verloren hatten. Am 21. April 1928 war er als einziges Kind seiner Eltern in Zedling bei Kolberg in Pommern zur Welt gekommen und am 15. Januar 1945 im Alter von 16 Jahren zum Wehrdienst einberufen worden. Als seine Eltern erfuhren, dass er zu denen gehörte, die auf dem Ehrenfriedhof ihre letzte Ruhe gefunden hatten, zogen sie aus Liebe zu ihrem toten Sohn nach Vahrendorf. Dort bewohnten sie bis zu ihrem Tode im Jahre 1968 eine ehemalige Flakbaracke, die nur wenige Schritte vom Soldatenfriedhof auf dem Krähenberg entfernt war.
Wie es nach Kriegsende im Landkreis Harburg weiterging, lesen Sie hier.
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Redakteur:Anke Settekorn aus Jesteburg |
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