Greift der Fiskus in die Ratsschatulle? Neues Umsatzsteuerrecht beschäftigt derzeit die Kommunen

Das EU-Wettbewerbsrecht wirft seinen Schatten 
auch auf das Rathaus in Seevetal | Foto: Foto archiv/ Montage msr
  • Das EU-Wettbewerbsrecht wirft seinen Schatten
    auch auf das Rathaus in Seevetal
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(mi). Jede Menge Unsicherheit herrscht derzeit in vielen Kommunalverwaltungen. Der Grund: EU-Bürokraten haben mal wieder zugeschlagen und Städten und Gemeinden mit einer Änderung im Umsatzsteuerrecht ein juristisches Minenfeld gelegt, mit dessen sicherer Umschiffung sich Kämmerer und Politik derzeit auseinandersetzen müssen. Die Materie ist dabei so kompliziert, dass nur Rechtsexperten voll durchblicken. Auch für den Bürger könnte es teuer werden.

Umsatzsteuer für Feuerwehrleistungen

Gemurmel im Finanzausschuss der Samtgemeinde Hollenstedt: Handeln der Feuerwehr soll in Zukunft umsatzsteuerpflichtig sein? Die Feuerwehr ist doch kein Unternehmen? „Gewisse Leistungen der Retter werden nach neuem Recht der Umsatzsteuer unterworfen sein“, erklärt dazu Malte Höppner. Der Steuerjurist informierte jetzt in Hollenstedt über die anstehenden Änderungen. Was er berichtete, zeigt: Auf die Kommunen kommen große Änderungen zu:

Auch hoheitliches Handeln kann den Wettbewerb verzerren

Bisher war das Umsatzsteuerrecht für Kommunen (juristische Personen öffentlichen Rechts) einfach geregelt: Handelte eine Verwaltung hoheitlich, also im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags, waren Einnahmen umsatzsteuerfrei. Nur bei unternehmerischer Tätigkeit, zum Beispiel durch die Stadtwerke, mussten bis zu 19 Prozent Umsatzsteuer bezahlt werden. Auf Druck der EU gibt es im Umsatzsteuerrecht seit Kurzem den § 2b UStG. Vereinfacht ausgedrückt sagt die neue Vorschrift: Kommt es durch hoheitliches Verwaltungshandeln zu einer „Wettbewerbsverzerrung“, dann ist auch dieses unternehmerisch und deswegen mit Umsatzsteuer zu belegen. Ein Beispiel: Löscht die Feuerwehr einen Brand, ist alles klar, denn das darf nur die Feuerwehr. Holen die Retter aber eine Katze aus einem Baum oder pumpen einen Keller aus, sind das Tätigkeiten, die auch private Anbieter leisten könnten. Die Gebühren hierfür unterliegen daher zukünftig der Umsatzsteuer.

Moratorium bis 2020 / Problem interkommunale Zusammenarbeit

Bis 2020 müssen alle Kommunen nach dem neuen Recht verfahren. Derzeit dürfen sie sich noch davon befreien lassen.
Besonders relevant ist die neue Regelung auch für die sogenannte interkommunale Zusammenarbeit. Typischer Fall: Ein Bauhof wird in einer anderen Kommune gegen Bezahlung tätig. Hier wird man nach der Einführung von § 2b UStG vermehrt von umsatzsteuerpflichtigen Leistungen ausgehen müssen. Wollen Kommunen eine Umsatzbesteuerung weiter vermeiden, bleibt ihnen nur die Möglichkeit, mit Hilfe juristischer Fachleute die Verträge umzugestalten. Das zieht natürlich Kosten nach sich.

Kämmerer sehen neues Recht kritisch

In den Finanzverwaltungen trifft die Änderung auf ein geteiltes Echo:
„Aus meiner Sicht stellt die neue Regelung eine Belastung dar“, erklärt dazu zum Beispiel der Kämmerer der Gemeinde Seevetal Josef Brand, schließlich müsse jeder Posten auf seine Umsatzsteuerrelevanz überprüft werden. Im schlimmsten Fall könnten bestimmte Serviceleistungen auch für den Bürger teurer werden, weil die 19 Prozent Steuer an sie weitergegeben werden. Ähnlich skeptisch ist man bei der Stadt Winsen: Kämmerer Matthias Parchatka erklärt, die Auswirkungen ließen sich noch nicht sicher bestimmen. Er gehe aber davon aus, dass ­
§ 2b UStG vor allem eines, näm­lich Mehraufwand, bedeute. „Ich ver­stehe zwar die Intention, den Wettbewerb schützen zu wollen, aber hier schießt man mit Kanonen auf Spatzen“, so der Kämmerer.
Neutraler betrachtet man die Sache in der Stadt Buchholz: „Ich glaube nicht, dass die Änderung auf uns große Auswirkung hat. Dort, wo das neue Recht greift, sind die Beträge so gering, dass sie nicht berücksichtigt werden müssen“, so Stadtrat Dirk Hirsch.

Rechtssicherheit aber schwer zu kalkulierende Mehrkosten

Beim Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund befürchtet man zwar auch einen gewissen Mehraufwand für die Kommunen, begrüßt die Änderung aber im Wesentlichen. Es werde endlich Rechtssicherheit geschaffen, so Geschäftsführer Berthold Ernst.
Doch sind die Kosten wirklich zu vernachlässigen? Ein Beispiel: Die Gemeinde Seevetal stellt allein für den Einkauf von Beratungsleistungen 20.000 Euro nachträglich in den Haushalt ein. Die Kosten, die innerhalb der Behörde durch die neu geschaffene Steuerbürokratie verursacht werden, dürften diese Summe noch um einiges überschreiten.

Neues Steuerrecht als Chance?

Wer Umsatzsteuern zahlt, hat auch die Möglichkeit, so genannte Vorsteuer geltend zu machen, das heißt bei großen Investitionen, die in einem der Umsatzsteuer-Relevanten Bereich getätigt werden, kann ein sich die Kommune einen Teil der Investitionskosten vom Fiskus erstatten lassen. Folgt man Experten, kann es für Kommunen, die gerade große Investitionen zum Beispiel den Baue eines Feuerwehrhauses tätigen deswegen sogar lohnend sein, das neue Recht schon vor 2020 einzuführen. Kritiker warnen jedoch vor zu viel Euphorie, und raten genau zu prüfen, bevor Vorsteuer geltend gemacht wird. Ansonsten kann es später durch Rückforderungen des Finanzamts für die Kommunen extrem teuer werden.

Redakteur:

Mitja Schrader

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