Lange Quarantäne
Ohne Coronainfektion vier Wochen unter "Hausarrest"

Sina-Marie (li.) und Birgit S. mit ihren Quarantänebescheinigungen sowie Michael S. freuen sich über ihren wiedergewonnenen Alltag | Foto: bim
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bim. Rosengarten. Der Coronavirus ist nicht sichtbar, eine abstrakte Gefahr, die weit weg zu sein scheint, und dennoch für große Verunsicherung sorgt. Die wenigsten Menschen kennen in ihrem Umfeld jemanden, der mit dem Virus infiziert ist, und für viele ist es ein Tabuthema. Birgit S. (55) wagt den Schritt in die Öffentlichkeit und berichtet im WOCHENBLATT, wie es ihr und ihrer Familie in den vergangenen Wochen ergangen ist. Sie ist kerngesund. Aber weil ihr Mann Michael (58) und ihre Tochter Sina-Marie (20) nacheinander am Coronavirus erkrankt waren, durfte sie selbst vier Wochen ihr Haus in der Gemeinde Rosengarten nicht verlassen.
Alles begann Anfang März: Michael und Birgit S. hatten mit einem befreundeten Ehepaar einen Skiurlaub in Südtirol gebucht. "Wir hatten uns vorab im Hotel nach der aktuellen Lage erkundigt. Obwohl man uns dort beruhigte, dass die Infektionen rund 400 Kilometer entfernt aufgetreten seien, sind wir mit gemischten Gefühlen per Bahn dorthin gefahren - aber mit Desinfektionsmittel im Gepäck und stets auf Abstand bedacht", berichtet Birgit S.. Kurz vor dem Ende ihres einwöchigen Urlaubs wurde Südtirol zum Krisengebiet erklärt: "Wir waren an dem Sonntag die letzten Gäste in dem Hotel, das danach geschlossen wurde", sagt sie.
Zwei Tage später klagte Michael S. abends über starke Glieder- und Kopfschmerzen und war körperlich sehr schlapp. Die Hausärztin reagierte umgehend und nahm wenig später in voller Schutzmontur bei dem Paar aus dem Auto heraus einen Abstrich aus Rachen und Nase. Tags darauf erfuhren sie vom Ergebnis: "Sie sind positiv", erklärte die Ärztin Michael S., der zu den ersten zehn Corona-Infizierten im Landkreis Harburg gehörte.
Von dem Moment an stand die Familie unter Quarantäne. Wiederum einen Tag später meldete sich das Gesundheitsamt des Landkreises. "Wir mussten erklären, wo wir wann mit wem Kontakt hatten", berichtet Birgit S. das Prozedere. Fortan erkundigten sich die Mitarbeiterinnen des Gesundheitsamtes täglich nach dem Befinden der Familie. "Wir fühlten uns gut umsorgt", sagt die 55-Jährige. Außerdem waren die Familienmitglieder aufgefordert, jeweils Tagebuch zu führen über mögliche Symptome oder Fieber. "Man hat das Gefühl, man träumt das, und steckt trotzdem mittendrin", sagt Birgit S..
Bei ihrem Mann wurden die Symptome nach drei Tagen schwächer. Doch nun ging es bei Sina-Marie los: "Ich habe plötzlich nichts mehr geschmeckt und gerochen, hatte extreme Migräne und bekam schlecht Luft bis hin zu Atemnot", berichtet die 20-Jährige, deren zweiter Test ebenfalls positiv auf Corona ausfiel. Die junge Frau hat im vergangenen August ihre Ausbildung begonnen - zur Kauffrau im Gesundheitswesen bei einer großen Krankenkasse. Sie hielt Kollegen und ihren Freundeskreis über ihren Instagram-Account auf dem Laufenden. "Damit habe ich manchem die Angst vor dem Coronavirus genommen", sagt die 20-Jährige. Außerdem sei sie nun die einzige Auszubildende im Unternehmen, die alle Abteilungen durchlaufen könne, da von ihr kein Infektionsrisiko mehr ausgehe.
Der Familie fehlten in der Quarantäne natürlich besonders die persönlichen Kontakte. Schlimm sei auch gewesen, von anderen Menschen abhängig zu sein. "In dieser Zeit kristallisierte sich heraus, wer wirklich für einen da ist und wer nicht", so Birgit S.. Auf ihre Freunde war jedenfalls Verlass: Sie kauften ein und munterten die Familie mit liebevollen Geschenken wie einem Klorollen-Turm, selbstgebastelten Schutzengeln und "Haltet durch"-Parolen auf. "Das tat so gut. Andere haben angerufen oder Nachrichten geschickt."
Dankbar sind die drei auch ihren Arbeitgebern aus Hamburg, Hollenstedt und Buxtehude, die Verständnis für die Ausnahmesituation zeigten.
In der Quarantäne blieb viel Zeit für gemeinsame Aktivitäten wie das morgendliche Frühstück oder das abendliche Streaming-Erlebnis, aber auch dafür, aufzuräumen oder die Fotoalben zu gestalten. "Seit zehn Jahren wollte ich unsere Garnitur streichen. Das habe ich in dieser Zeit erledigt", so Birgit S., die sich mit Freundinnen dank Houseparty-App zumindest am Computerbildschirm zur gemeinsamen Fitness traf.
Sina-Marie stand vor der Infektion kurz vor dem Auszug. Die Wochen in der "häuslichen Absonderung", wie es im Amtsdeutsch heißt, seien letztlich "ein schöner Abschluss für unser Familienleben", finden Sina-Marie und Birgit S..
Sie hätten es ohnehin gut im Vergleich zu manchen anderen Infizierten: "Wir führen ein tolles Familienleben, haben ein schönes Zuhause mit Garten, und das Wetter war relativ gut", resümiert Birgit S.. Dennoch war sie nach der langen Quarantäne glücklich über die wieder gewonnene Freiheit. "Ich habe mir das gleichnamige Lied von Marius Müller-Westernhagen angemacht und bin nachts um halb eins singend durch unsere Straße gelaufen."

Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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