Ausbeutung durch Schwarzarbeit - Gesetzesreform gefordert

In dieser Unterkunft in Neu Wulmstorf soll der Mitarbeiter tätig gewesen sein | Foto: archiv
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mi. Neu Wulmstorf. Der Fall sorgt derzeit deutschlandweit für Schlagzeilen. Nach Recherchen des NDR hat offenbar in einer Flüchtlingsunterkunft in Neu Wulmstorf ein Sozialarbeiter Flüchtlingen Schwarzarbeit und Wohnungen gegen Provision vermittelt. Ein Ermittlungsverfahren gegen den Mann läuft. Herausgekommen ist die Sache nur, weil ein Betroffener sich wehrte. Insider sagen, ein Fall dieses Ausmaßes sei eher selten, allerdings: Schwarzarbeit gebe es auch bei Flüchtlingen in der Region. Befördert werde sie auch durch die herrschende Gesetzeslage.

Ermittlungsverfahren eingeleitet

Polizeisprecher Jan Krüger bestätigte dem WOCHENBLATT, dass ein Ermittlungsverfahren gegen den arabisch sprechenden Mitarbeiter des Unterkunftsbetreibers Human Care eingeleitet wurde. Laut NDR soll der Mann einem Flüchtling einen Job in einer Hamburger Diskothek angeboten haben und wollte dafür als Provision die Hälfte des Lohns abkassieren. Auch Wohnungen soll der direkt nach Bekanntwerden der Vorwürfe entlassene Mann gegen Zahlungen vermittelt haben.

Ehrenamtliche wollen sich nicht äußern

Wie könnte man solche „Ausbeutungsverhältnisse“ in Zukunft verhindern? Bei involvierten Parteien wird - wie so oft bei unangenehmen Fragen - gemauert. Cornelia Meyer von der Flüchtlingshilfe Neu Wulmstorf, einem Netzwerk Ehrenamtlicher, das Flüchtlinge vor Ort unterstützt (das WOCHENBLATT berichtete mehrfach) will sich diesmal gegenüber dem WOCHENBLATT gar nicht äußern Sie verweist auf Human Care. Das Unternehmen betreibt die Unterkunft im Auftrag des Landkreises Harburg.

Human Care will zukünftig über die Gefahr von Schwarzarbeit informieren

Beim Landkreis stärkt man Human Care den Rücken: Die fristlose Kündigung sei konsequent und gerechtfertigt. In direkter Verantwortung sieht Kreissprecher Johannes Freudewald seine Behörde nicht. Human Care obliege die Auswahl und Überprüfung des Personals. Human Care fordere demnach von jedem Mitarbeiter auch ein Führungszeugnis an.
Human Care selbst teilte dem WOCHENBLATT mit, man werde den Vorfall zum Anlass nehme, in allen Einrichtungen mit einer mehrsprachigen Kampagne auf die Folgen von illegaler Beschäftigung aufmerksam zu machen.
Für Martin Koschmall, der ehrenamtlich in der Flüchtlingsarbeit tätig ist, ein richtiger Schritt. Er sagt: Ebenso wichtig wie die Schulung der Mitarbeiter sei es, dass Flüchtlinge für das Thema sensibilisiert werden. „In manchen Ländern ist es ganz normal, dass man seine Arbeitskraft ohne viel Behördenkram anbietet - Schwarzarbeit ist nicht jedem Flüchtling bei seiner Ankunft ein Begriff.“
Laut einer Studie der Uni Tübingen und Linz, die der NDR zitiert, arbeiten rund 30 Prozent aller Flüchtlinge in Deutschland schwarz. Die Untersuchung ist allerdings umstritten.

Flüchtlingsrat fordert Reform / Skepsis gegenüber Integrationsgesetz

Beim niedersächsischen Flüchtlingsrat kennt man das Problem. Dort will man Schwarzarbeit nicht mit der besonderen Situation der Flüchtlinge entschuldigen, kritisiert allerdings, dass die Mechanismen, Flüchtlinge in legale Arbeit bringen, viel zu schwerfällig seien. Skeptisch ist Kai Weber, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Niedersachsen, ob die Schaffung von 100.000 1-Euro-Jobs im Zuge des Integrationsgesetzes das Problem zu lösen hilft. „Die Leute mit künstlichen Arbeitsstellen unter ihrer Qualifikation zu beschäftigen, halte ich nicht für sehr zielführend.“ Flüchtlinge müssten von Beginn an normal bei den Jobcentern gemeldet sein. Außerdem dauere die Anerkennung von Abschlüssen immer noch zu lange. „Wenn ein syrischer Arzt - wie im Landkreis Harburg geschehen - als Rasenpfleger arbeiten muss, führt das nicht gerade zur Akzeptanz deutscher Arbeitsmarktgesetze“, so Weber.

"Viele Flüchtlinge haben keine Wahl"

Dass die Zeit eine wichtige Rolle spielt, bestätigt auch ein Insider: „Wir haben hier in unserer Unterkunft Leute, die legal Jobs nachgehen, aber auch Schwarzarbeiter.“ Vor allem Flüchtlinge, die ihre Angehörigen in der Heimat unterstützen, seien anfällig für Schwarzarbeit. „Diese Gruppe hat einfach keine Zeit zu warten, bis sie irgendwann mal einer legalen Tätigkeit nachgehen kann. Sie stehen bei ihren Familien in der Verantwortung, die häufig Schulden bei Fluchthelfern haben.“

Redakteur:

Mitja Schrader

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