„Staatliches Raubrittertum“ - Bäcker wehren sich gegen Zwangsgebühren
(mi). Die Regelung ist äußerst umstritten: Seit April vergangenen Jahres müssen Lebens- und Futtermittelbetriebe für Hygienekontrollen eine Zwangsgebühr zahlen, egal ob die amtlichen Kontrolleure etwas beanstanden oder nicht. So sieht es eine von Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) auf den Weg gebrachte Änderung der Gebührenordnung vor. Neben Futtermittelherstellern sind es vor allem Bäcker, die sich gegen diese Praxis wehren. Einer der schärfsten Kritiker ist der Landesinnungsmeister des Bäckerhandwerks, Karl-Heinz Wohlgemuth, aus dem Landkreis Harburg. Sein Vorwurf: Die Landesregierung entlastet ihre Kassen auf Kosten des Handwerks.
„Es kann nicht sein, dass Betriebe, die Hygienestandards und andere Vorschriften voll erfüllen, trotzdem zur Kasse gebeten werden. Das ist genauso, als ob man bei einer Geschwindigkeitskontrolle vorschriftsmäßig fährt und dennoch bezahlen muss“, fasst der Innungsmeister den Standpunkt des organisierten Bäckerhandwerks zusammen.
Mit den Zwangsgebühren wollte Landwirtschaftsminister Christian Meyer die Wirtschaft an den Kosten des Verbraucherschutzes beteiligen und so die Allgemeinheit entlasten. Für Karl-Heinz Wohlgemuth ist das kein Verbraucherschutz, sondern „behördliches Raubrittertum“. Wohlgemuth: „Nur wenn es etwas zu beanstanden gibt, sind Gebühren in Ordnung. Die bloße Durchführung der Kontrollen ist eine hoheitliche Aufgabe, dafür die Betriebe zur Kasse zu bitten, ist indiskutabel.“
Im Einzugsbereich der Innung sind von der Zwangsgebühr rund 1.100 Bäckerbetriebe mit rund 4.000 Verkaufsstellen betroffen. Wie viel eine Bäckerei zahlen muss, richtet sich nach dem Umsatz des Betriebes. Liegt der über 250.000 Euro jährlich, kostet jede Kontrolle 92 Euro, bei einem Umsatz bis 125.000 Euro fallen rund 56 Euro an. Da viele Betriebe mehrere Niederlassungen haben, die separat geprüft werden, kann das laut Wohlgemuth Mehrkosten von rund tausend Euro bedeutet. Für den Innungsmeister eine zusätzliche Belastung für das ohnehin schon unter Druck stehende Bäckerhandwerk. Hintergrund: Gab es Mitte 1990er Jahren noch über 2.100 selbständige Bäckereien sind es heute nur noch rund 1.100, also 50 Prozent weniger. Der Grund ist laut Innungsmeister Karl-Heinz Wohlgemuth neben dem immer stärkeren Konkurrenzkampf mit der Backindustrie und den großen Handelsketten auch eine ausufernde Verwaltungs- und Kontrollbürokratie. Der Innungsmeister ist jedoch zuversichtlich, dass zumindest die Zwangsgebühren keine Dauereinrichtung sind, sondern früher oder später von den Gerichten kassiert werden.
Derzeit werde gerade vor dem Landgericht Oldenburg die Klage eines Futtermittelherstellers gegen die Gebührenregelung verhandelt. „Wir blicken gespannt auf den Prozess, werden aber unabhängig von dessen Ausgang eigene Verfahren anstrengen,“, sagt Wohlgemuth.
Die Gewinner des Streits um die Gebühren scheinen - wie so häufig - Anwälte und Kanzleien, denn offenbar droht der Landesregierung eine Klagewelle. Schon jetzt sind bei den niedersächsischen Verwaltungsgerichten laut Innungsverband rund 600 Verfahren gegen die Zwangsgebühren anhängig, 60 davon von Bäckereibetrieben. Kritiker sprechen bereits davon, dass die Gebühr auf Dauer mehr Kosten verursacht als sie dem Steuerzahler erspart.
Redakteur:Mitja Schrader |
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