Mutter einer Gelähmten kämpft für Gesetzesänderung
Außerklinische Intensivpflege ist weiterhin zu Hause möglich
ce. Salzhausen. "Uns fällt ein großer Stein vom Herzen! Unsere Tochter und andere Menschen mit ähnlicher Behinderung müssen nicht in ein Heim, sondern können weiterhin in der vertrauen Umgebung der Familie versorgt werden." Das sagt Katharina Dezelske (52), Mutter der querschnittsgelähmten elfjährigen Elisabeth aus der Samtgemeinde Salzhausen (Landkreis Harburg). Die Rechtsanwältin, die dem Verein "INTENSIVkinder zuhause e.V." angehört, hat gemeinsam mit dieser und anderen Initiativen eine Änderung des Gesetzes zur außerklinischen Intensivpflege durchgesetzt - über viele Ministerien bis hin zur Bundesregierung.
Dezelskes Tochter Elisabeth ist querschnittsgelähmt, seit sie als Kleinkind mit ihrer Familie einen Autounfall hatte. Sie kann nur den Kopf und die Schultern sowie ein bisschen die Finger bewegen.
"Außerklinische Intensivpflege ist ein spezieller Bereich der häuslichen Krankenpflege. Betroffene wie Elisabeth können jederzeit in lebensbedrohliche Situationen kommen, weshalb sie permanente Überwachung benötigen", erklärt Katharina Dezelske. Ihre Tochter Elisabeth ist auf künstliche Beatmung angewiesen und wird im Haus der Familie rund um die Uhr von Kinderkrankenschwestern eines ambulanten Pflegedienstes betreut. Mit Unterstützung einer Schulbegleitung besucht sie die 5. Klasse der Oberschule in Jesteburg. Per Augensteuerung kann sie am Computer schreiben. "Meine Lieblingsfächer sind Mathe, Religion und die Naturforscher-AG", erzählt sie begeistert dem WOCHENBLATT-Reporter. Der kennt Elisabeth, seit sie 2017 einen regionalen Literaturwettbewerb in ihrer Altersklasse gewann. Damals schrieb sie eine berührende Geschichte über ihr großes Hobby Pferde.
"Das Leben mit Intensivpflege ist vielfältig. Die zu Pflegenden sind individuelle Persönlichkeiten, die so selbstbestimmt wie möglich am Ort ihrer Wahl sein möchten", betont Katharina Dezelske. "Die Politiker hatten lange Zeit eine falsche Vorstellung vom Umgang mit diesen Menschen, die sich nämlich über ihre Fähigkeiten definieren und nicht über ihre Behinderung."
2019 sollte die außerklinische Intensivpflege gesetzlich neu geregelt werden. Der dabei herausgekommene Gesetzesentwurf löste bei den Betroffenen eine Protestwelle aus, sah er doch statt einer Betreuung zu Hause fast ausschließlich eine stationäre Unterbringung in Heimen vor. "Dabei gilt bei allen Pflege- und Krankenversicherungen der Grundsatz 'Ambulant vor stationär'", gibt Dezelske zu bedenken.
Katharina Dezelske und der Verein "Intensivkinder zuhause.de" leisteten daraufhin im Schulterschluss mit Wohlfahrts-, Selbsthilfe- und Pflegeverbänden sowie den Behindertenbeauftragten von Bund und Ländern massiven Widerstand gegen die Pflegepläne. Mit Erfolg: Nach zweijähriger politischer Debatte ist jetzt auf Basis des Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetzes ("IPReG") die neue Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses - des obersten Beschlussgremiums der Selbstverwaltung von Ärzten, Psychotherapeuten, Krankenhäusern und -kassen - erlassen worden. Das Bundesgesundheitsministerium muss diese Außerklinische-Intensivpflege-Richtlinie noch genehmigen. Sie macht die außerklinische Intensivpflege von darauf angewiesenen Menschen in häuslicher Umgebung weiter möglich. "INTENSIVkinder zuhause e.V." setzt sich weiter für die Umsetzung ein und ist solidarisch mit den Wachkoma-Patienten, die noch nicht hinreichend geschützt sind. "Es war ein langer Weg und hat viel Kraft gekostet", sagt Katharina Dezelske. "Aber wir freuen uns für Elisabeth und alle Betroffenen, dass wir für sie etwas Gutes erreicht haben."
Redakteur:Christoph Ehlermann aus Salzhausen |
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