Gegen das Vergessen
Bildhauer Ulf Petersen und Schüler schufen Mahnmal für von Nazis getötete Hamburger Kinder
Ein schreckliches Ereignis jährt sich zum 79. Mal: In der Nacht auf den 21. April 1945 wurden in der ehemaligen Hamburger Schule am Bullenhuser Damm, seinerzeit eine Außenstelle des Konzentrationslagers (KZ) Neuengamme, 20 jüdische Kinder und 28 erwachsene Häftlinge von Nationalsozialisten ermordet. Zuvor waren die Jungen und Mädchen im KZ zu pseudomedizinischen Zwecken missbraucht worden. Um an das tragische Schicksal und den Holocaust zu erinnern, schufen der renommierte Bildhauer Ulf Petersen (65) aus Eyendorf (Landkreis Harburg) und Hamburger Schüler jetzt gemeinsam ein spektakuläres Mahnmal.
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Projekt wurde mit Margot-Friedländer-Preis ausgezeichnet
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Den Anstoß zur Kooperation gab Nicole Mattern vom Vorstand der Vereinigung "Kinder vom Bullenhuser Damm e.V.", als sie die Hamburger Brecht-Schule besuchte und dort von den Gräueltaten erzählte. Daraufhin hatten sieben Jugendliche der schuleigenen Vielfalt-AG zwischen 14 und 16 Jahren die Idee, auf dem eigenen Schulhof einen Gedenkort zu kreieren. Für ihre Projektidee wurden sie im vergangenen Jahr in Berlin mit dem Margot-Friedländer-Preis inklusive knapp 3.000 Euro von der namensgebenden Holocaust-Überlebenden persönlich ausgezeichnet. Für die Umsetzung des Vorhabens gewann man Ulf Petersen. Den Kontakt hatte Nicole Mattern geknüpft, die von einem zuvor von Petersen in Wilhelmsburg geschaffenen Mahnmal beeindruckt gewesen war.
"Ich erhielt von der Brecht-Schule den Auftrag, mit den Schülern in einem Workshop einen Entwurf für das Mahnmal zu erarbeiten", berichtet Ulf Petersen gegenüber dem WOCHENBLATT. Dafür trafen sie sich an insgesamt sieben Wochenenden in seinem Eyendorfer Atelier und in der Hamburger Schule, entwickelten Gestaltungsmöglichkeiten und machten sich Gedanken, wie die Kinder des Mahnmals dargestellt werden sollten. "Ich war beeindruckt, wie intensiv sich die Jugendlichen mit den Themen Nationalsozialismus und Holocaust beschäftigt hatten und mit welch starkem Engagement sie am Mahnmal mitarbeiteten", so Petersen.
Künstler und Schüler schufen Mahnmal im Workshop
Für die Darstellung der Kinder wurden Schattenspiel-artige Umrisse auf Pappe übertragen und in Form geschnitten. "Wir haben uns für ein Szenario spielender Kinder entschieden, denn wir wollten nichts Belastendes schaffen, gleichwohl aber etwas Einprägsames." Das stählerne Mahnmal zeigt lebensgroße Silhouetten von Kindern, von denen vier spielen. Die fünfte Figur hat den Kopf gesenkt und ist - im Gegensatz zu den anderen - negativ ausgeschnitten. "Diese Figur steht als Symbol für die fehlenden, weil umgebrachten Kinder, die niemals spielen durften", erklärt Ulf Petersen.
Bei der feierlichen Einweihung des Mahnmals im Beisein von Ulf Petersen, der Schüler sowie christlicher, islamischer und jüdischer Religionsgemeinschaften erklärte Hamburgs zweite Bürgermeisterin und Gleichstellungssenatorin Katharina Fegebank (Grüne): "Den ermordeten Kindern setzt die Brecht-Schule heute ein Denkmal, das alle Schülerinnen und Schüler, alle Lehrerinnen und Lehrer auf dem Weg ins Schulgebäude täglich daran erinnert, sich stark zu machen gegen jede Form von Ausgrenzung und Diskriminierung, gegen Rassismus und Antisemitismus."
Einweihung von "Gegenstück" wegen Israel-Krieg verschoben
Am Fuß des Mahnmals verewigte Ulf Petersen unter Glas auf einer Kupfertafel die Namen der 20 ermordeten Kinder. Neben ihren Namen liegt eine stählerne Rose, die quasi die "Brücke" baut zum Rosengarten, der heute zur Gedenkstätte Bullenhuser Damm gehört. Auf deren Gelände findet jetzt zum Jahrestag der Ermordung der Kinder und Erwachsenen eine Gedenkfeier statt, bei der auch Petersen und die Schüler anwesend sind. Für den Rosengarten schuf der Künstler auch ein "Gegenstück" zum Mahnmal an der Brecht-Schule. "Diese ergänzende Arbeit sollte ursprünglich nun anlässlich des 79. Jahrestages der Tötung der Kinder eingeweiht werden. Doch aufgrund des Überfalls der Hamas wurde dies auf 2025 verschoben, da in diesem Jahr nicht mit dem Besuch der in Israel lebenden Angehörigen der Toten zu rechnen ist", bedauert Petersen.
Redakteur:Christoph Ehlermann aus Salzhausen |
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