Bei Debatte um "Berliner Erklärung"
Beschimpfungen durch AfD sorgen für Eklat im Salzhäuser Samtgemeinderat
Von einem korrupten, "augenscheinlich dementen Bundeskanzler" und einer "ideologischen Verblendung" der Kommunalpolitiker war die Rede. Doch was sich liest wie in der Kneipe aufgeschnappte übelste Stammtischparolen, haute jetzt Melanie Hardt (AfD) in der Sitzung des Salzhäuser Samtgemeinderats raus, als es um den Beitritt zur "Berliner Erklärung" des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes ging. Zahlreiche Städte und Gemeinden haben sich bereits dem Bekenntnis zur Demokratie sowie gegen Extremismus und fremdenfeindliche Remigrationspläne angeschlossen, wie sie laut Veröffentlichungen des Medienunternehmens Correctiv von Rechtsextremen angeblich bei einem Treffen in Potsdam geschmiedet wurden.
Bundeskanzler wurde "augenscheinliche Demenz" unterstellt
Melanie Hardt und ihr AfD-Fraktionskollege Henning Schwieger beantragten, die "Berliner Erklärung" von der Tagesordnung zu nehmen, da Correctiv-Gründer David Schraven kurz zuvor angeblich im Zuge eines Verfahrens vor dem Hamburger Landgericht eingestanden habe, die Remigrations-Berichterstattung sei "frei erfunden". Diese Behauptung der AfDler war jedoch nicht zutreffend. Mit den Gegenstimmen von Hardt und Schwieger lehnte der Rat deren Antrag ab.
Dass über den Erklärungs-Beitritt daraufhin weiter diskutiert wurde, verurteilte Melanie Hardt als "Armutszeugnis", bevor sie dann Bundeskanzler Olaf Scholz Korruptheit und Demenz unterstellte. "Wir können diese Wortwahl und Beleidigungen gegen Politiker unter namentlicher Nennung nicht dulden", fuhr ihr Samtgemeinde-Bürgermeister Wolfgang Krause empört in die Parade. Hardt erklärte sich bereit, die Äußerungen zurückzunehmen - nur um kurz darauf dem Rat bei der Behandlung des Themas Rechtsextremismus "ideologische Verblendung" vorzuwerfen und dem Gremium dafür ihre "tiefste Verachtung" auszusprechen. Wolfgang Krause fiel ihr umgehend erneut ins Wort und stellte klar: "Das geht so nicht!".
AfD-Schimpftiraden sorgen bei Ratsmitgliedern für Empörung
Die Schimpftiraden der AfD-Fraktion sorgten bei den übrigen Ratsmitgliedern für Empörung. Michael Klaproth (CDU) zeigte sich "beschämt, dass wir auf der kommunalen Ebene die gängigen Plattitüden der AfD anhören müssen". Der Samtgemeinderat wolle sich mit dem Anschluss an die "Berliner Erklärung" gegen Extremismus aussprechen. Umso beschämter - so Klaproth - sei er über die gehörten "beleidigenden Worte".
Auch UWG-Mann Michael Albers fand in Richtung der AfDler Melanie Hardt und Henning Schwieger deutliche Worte: "Selbst wenn man solchen Erklärungen kritisch gegenüber steht, weil die Wirkung begrenzt ist, ist das, was ihr gerade von euch gegeben habt, für uns eine Bestärkung, der Berliner Initiative beizutreten."
Dieser Ansicht folgten bei der Abstimmung schließlich die Mehrheit des Rates gegen die beiden AfD-Stimmen.
Demokratie-Erklärung beschäftigte auch Buchholzer Stadtrat
• Auch der Buchholzer Stadtrat debattierte über eine Erklärung zur Unterstützung der Demokratie - und beschloss diese einstimmig. Das lag auch daran, dass die beiden AfD-Ratsleute Marina Graul und Rainer Sekula bei der Ratssitzung nicht anwesend waren und Sylvia Röhr, die für die Partei dieBasis im Rat sitzt und mit der AfD eine Gruppe bildet, vor der Debatte den Sitzungssaal demonstrativ verließ. Röhr kehrte erst nach der Abstimmung an ihren Platz zurück. Zufall? Wohl kaum!
"Jeder Mensch sollte sich in Buchholz wohl fühlen, das ist unsere gemeinsame Aufgabe", erklärte die SPD-Ratsfrau Steffi Menge. Demokratie bedeute Vielfalt, die Würde eines Menschen dürfe nie in Frage gestellt werden. Mit der Erklärung zeige Buchholz deutlich, dass es für Werte wie Offenheit und Respekt einstehe.
"Für uns gehören Werte wie Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde zur politischen Grund-DNA", betonte CDU-Ratsherr Jonas Becker. Zeichen allein würden aber nicht genügen, sagte er. "Die Gesellschaft muss aktiver werden und die Demokratie aktiv verteidigen, egal ob in der Kneipe, im Verein oder auf der Straße!"
KOMMENTAR: AfD hat die "gute Kinderstube" weiträumig umfahren
Nachdem der Antrag der Salzhäuser AfD auf Streichung der "Berliner Erklärung" von der Ratstagesordnung gescheitert war, las Fraktionsmitglied Melanie Hardt eine Stellungnahme vor und appellierte an die Ratskollegen, sich bei ihrem Demokratieverständnis an die eigene "gute Kinderstube" zu erinnern. Eben diese hat Melanie Hardt womöglich gehabt, an diesem Tag aber weiträumig umfahren bzw. vergessen. Es war schockierend, zu hören, wie sich die bis dahin integer auftretende, auf ihre Wortwahl bedachte Ratsfrau immer schlimmer in Hasstiraden hineinsteigerte, die nichts mehr mit freier Meinungsäußerung zu tun hatten und jeden Anstand vermissen ließen.
War es die Enttäuschung über den abgelehnten Antrag, der Hardt so wüten ließ, verletzte Eitelkeit oder der Reflex, sich einmal bei der Angriffs-Rhetorik der "großen" Bundes-AfD zu bedienen? Ganz egal, was die Gründe sind: Sollten Hardt & Co. sich weitere verbale Ausfälle dieser Art leisten, stünde "AfD" aus meiner Sicht in der Samtgemeinde Salzhausen nicht mehr für "Alternative für Deutschland", sondern für "Aus für Demokratie". Christoph Ehlermann
Redakteur:Christoph Ehlermann aus Salzhausen |
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