Salzhausen
Gesundheitswesen im Landkreis Harburg tendiert zum Pflegefall
Das Gesundheitswesen im Landkreis Harburg könnte bald selbst zum Pflegefall werden, da es um es derzeit alles andere als gut bestellt ist. Das war der Tenor einer Infoveranstaltung, zu der der Salzhäuser Samtgemeinde-Bürgermeisterkandidat Michael Klaproth (CDU) jetzt in die Dörpschün eingeladen hatte. Als Referenten präsentierten Notarzt Dr. med. Jörn Jepsen, der CDU-Landtagsabgeordnete und Kreis-DRK-Vizepräsident Jan Bauer sowie Kai Uffelmann, Geschäftsführer der Krankenhäuser Buchholz und Winsen, ihre Sicht zur Lage.
Zum Auftakt beschrieb Jörn Jepsen anhand ernüchternder Zahlen die negative Entwicklung der ärztlichen Versorgung in Deutschland. Er wies darauf hin, dass es zum Wintersemester 1989/1990 bundesweit 16.000 Medizin-Studienplätze gab, im Winter 2022/2023 nur noch 9.948. Derzeit würden an den Universitäten mindestens 6.000 solcher Plätze fehlen. Das Interesse am Medizinstudium sei gleichzeitig so groß, dass es für die erwähnten knapp 10.000 freien Plätze 35.567 Bewerber gegeben habe.
Zahl der Medizinstudenten ging drastisch zurück
Jörn Jepsen prognostizierte, dass in den nächsten Jahren 20 Prozent der niedergelassenen Ärzte in Deutschland in den Ruhestand gehen würden - insgesamt rund 83.000 Mediziner. In Niedersachsen werde bis 2035 die Anzahl der Hausärzte von jetzt 5.199 auf dann rund 3.750 sinken. "Der Großteil der ländlichen hausärztlichen Planungsbereiche wird einen Versorgungsgrad unter 75 Prozent aufweisen, und somit droht dort auch rechnerisch eine Unterversorgung." Kassenärztliche Vereinigung und Ärztekammer drängten schon lange darauf, die seit Jahrzehnten immer weiter zusammengekürzten Kapazitäten der medizinischen Fakultäten zur Sicherstellung des beruflichen Nachwuchses aufzustocken.
Zur Lösung des Problems könnte laut Jörn Jepsen unter anderem neben der Erhöhung der Medizin-Studienplätze auch die Einrichtung einer Landarztquote beitragen. Zudem müsse der Bedarfsverkehr in ländlichen Regionen ausgebaut werden, um den Bürgern den Weg zur Arztpraxis zu erleichtern. Auch müssten die Ärzte entlastet werden, statt ihnen - wie von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplant - zusätzliche Arbeitsbelastungen wie einen ärztlichen Besuchsnotdienst aufzudrücken.
Schließlich appellierte Jepsen an die Bürger, ihr Anspruchsdenken als Patient herunterzuschrauben. "Viele Menschen sehen in jeder Bagatelle einen Notfall und erwarten eine sofortige Behandlung. Die Hemmschwelle wird immer geringer, während die Vollkasko-Mentalität immer mehr um sich greift", berichtete er aus der Praxis. "Krankenhäuser, Rettungsdienst und Notdienst sind kein Selbstbedienungsladen", sprach Jepsen auch Kai Uffelmann und Jan Bauer aus dem Herzen.
Auch bei Medizinern herrscht Fachkräftemangel
"Das größte Dilemma ist auch bei den Medizinern der Fachkräftemangel", hob Jan Bauer hervor. Um dem entgegenzuwirken, habe die CDU im Landtag die Schaffung von 200 zusätzlichen Medizin-Studienplätzen an Niedersachsens Universitäten beantragt. Dies sei abgelehnt worden mit der Begründung, das Thema habe "keine Priorität". Als Konsequenz aus dieser Absage stand für Bauer und auch für Michael Klaproth fest: "Wir müssen uns viel stärker in das Gesundheitswesen in Niedersachsen einmischen!" Klaproth appellierte zudem, bei der Vergabe von Studienplätzen "nicht nur auf den Abiturnoten-Schnitt der Bewerber, sondern viel mehr auf ihre Sozialkompetenz zu achten".
Kai Uffelmann prangerte an, dass 80 Prozent der Krankenhäuser in Deutschland mit finanziellen Defiziten kämpften, weil vom Bund zu wenig Unterstützung komme. "Allein in diesem Jahr werden 80 Krankenhaus-Insolvenzen erwartet", berichtete er. "Die Krankenhäuser in Buchholz und Winsen funktionieren, und der Patientenzulauf ist gut. Grundsätzlich bräuchten wir aber in monetärer Hinsicht mehr Rückhalt aus Berlin und nicht immer mehr Bürokratie."
Redakteur:Christoph Ehlermann aus Salzhausen |
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