Auslaufmodell Plastiktüte? Freiwillige Selbstverpflichtung des Handels soll Verbrauch eindämmen

Bei einer Shoppingtour kommt einiges an Plastiktüten zusammen. Eine Gebühr kann dazu führen, dass deutlich weniger Tragetaschen verbraucht werden. Dann wäre das Ziel der EU erreicht | Foto: bim
  • Bei einer Shoppingtour kommt einiges an Plastiktüten zusammen. Eine Gebühr kann dazu führen, dass deutlich weniger Tragetaschen verbraucht werden. Dann wäre das Ziel der EU erreicht
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(kb). „Ich bräuchte noch eine Tüte.“ - „Gern, die kostet 10 Cent.“ - „Ach nein, dann doch nicht.“ Szenen wie diese beobachtet man derzeit häufiger an der Kasse von Media Markt in Buchholz. Seit einiger Zeit werden dort Plastiktüten nicht mehr kostenlos an die Kunden abgegeben. In den vielen Fällen führt das dazu, dass Kunden auf die umweltschädlichen Einwegtragetaschen verzichten.
Media Markt/Saturn gehört zu den großen Unternehmen in Deutschland, die sich flächendeckend an der freiwilligen Selbstverpflichtung des Handels beteiligen, Plastiktüten ab 1. April nicht mehr kostenfrei abzugeben. Ziel soll sein, deren Verbrauch einzudämmen. Hintergrund ist ein Vorstoß der EU. Bis Ende 2019 soll der jährliche Verbrauch der Tragetaschen auf 90 Stück pro Jahr und Kopf und bis 2025 noch weiter auf höchstens 40 Tüten sinken.
Die Zahlen des Bundesumweltamtes aus dem Jahr 2010 sprechen für sich: Insgesamt 5,7 Milliarden Plastiktüten verbrauchen allein die Deutschen pro Jahr. Das sind 71 Plastiktüten pro Person - und damit stehen die Deutschen im Vergleich zu anderen EU-Bürgern richtig gut da: Im Schnitt werden in der Europäischen Union 198 Plastiktüten pro Person und Jahr verbraucht. Während sich die Iren auf 18 Stück beschränken, greift man in Bulgarien besonders gern zur Plastik-Tragetasche: Hier kommt man auf die stolze Zahl von 421 Tüten.
Die Iren waren allerdings nicht immer so sparsam. Erst als eine Abgabe auf den Vertrieb von Plastiktüten (44 Cent pro Stück) eingeführt wurde, sank der Verbrauch der Tragetaschen und das deutlich: 328 Plastiktüten pro Jahr vebrauchte ein Ire zuvor in einem Jahr.
Zu einer gesetzlichen Reglementierung des Plastiktütenverbrauchs konnte man sich in Deutschland bisher nicht durchringen. Hier setzt man vorerst auf eine Vereinbarung des Handelsverbandes Deutschland (HDE) und des Bundesumweltministeriums. Ein einheitliches Preismodell ist dabei nicht vorgesehen, jedes Geschäft soll selbst entscheiden, wie viel eine Plastiktüte kostet. Innerhalb von zwei Jahren sollen laut HDE mindestens 80 Prozent der Kunststofftüten in Deutschland kostenpflichtig sein.
Dass Tragetaschen bezahlt werden müssen ist zum Beispiel im Lebensmittelhandel bereits selbstverständlich. Ebenso selbstverständlich war es bisher, in Modehäusern, Parfümerien oder Apotheken kostenlose Tragetaschen zu bekommen.
Ob die Kunden eine Tüten-Gebühr akzeptieren, wenn sie gerade einen Anzug für mehrere Hundert Euro gekauft haben, fragen sich viele Textiler. Ähnliche Vorbehalte könnte es bei Parfümerien oder Juwelieren geben. Zudem sind bedruckte Tragetaschen ein wichtiges Marketingins-
trument - viele Geschäfte dürften damit wenig Interesse haben, deren Verbrauch einzudämmen. Eine andere Lösung als die kostenpflichtige Plastiktüte
wäre hier das Umsteigen auf umweltfreundlichere Papier-Tragetaschen.

Plastikmüll - Geißel der Weltmeere

Plastik-Tragetaschen mögen praktisch sein, in erster Linie tragen sie aber zur Umweltverschmutzung durch Plastikmüll bei. So besteht durchschnittlich dreiviertel des gefundenen Mülls in den Ozeanen aus Kunststoffen.
Durch die Verschmutzung entstehen verschiedene Probleme: Plastik hat eine sehr lange Abbauzeit und zersetzt sich zum Teil in immer kleinere Teile, dabei werden u.a. Weichmacher freigesetzt. Ein nicht unerheblicher Teil des Plastikmülls wird von Meerestieren gefressen und kann zu inneren Verletzungen und letztlich zum Tode führen. Giftige Substanzen können so zudem in die Nahrungskette gelangen. Viele Tiere sterben auch, weil sie sich in Plastikmüll verheddern und strangulieren. Absinkendes Plastik kann den Meeresboden verhärten, weiterhin begünstigen Plastikteile den Transport von nicht-einheimischen Arten in neue Habitate.

Das sagt der örtliche Handel:

Helmut Gericke, Inhaber der Markt-Apotheke in Winsen: „Wir arbeiten seit 20 Jahren fast ausschließlich mit Papiertüten. Die letzten Plastiktüten, die wir haben, werden jetzt abgeschafft und gegen wiederverwendbare Stofftaschen ausgetauscht. Übrigens: Alle Tüten waren und bleiben kostenlos bei uns.“

Stackmann-Prokuristin Regina Meybohm: „Eine Entscheidung ist bei uns noch nicht gefallen. Allerdings ist es schon heute so, dass wir zum einen auch Papiertüten verwenden, zum anderen regen wir bei unseren Kunden an, dass sie ihre Einkäufe in eine Tüte dazulegen, wenn sie schon eine dabei haben.“

Jürgen Müller Emden, Geschäftsführer des Media Marktes in Buchholz: „Bei uns gibt es künftig keine kostenlosen Plastiktüten mehr. Gemeinsam mit unseren Kunden möchten wir so einen Beitrag dazu leisten, die Verwendung der herkömmlichen Tüten zu reduzieren. Wir setzen für die Zukunft auf umweltfreundliche Permanent-Tragetaschen. Diese kosten einmalig Geld, werden bei Beschädigung aber kostenlos ersetzt.“

Redakteur:

Katja Bendig aus Seevetal

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