Das WOCHENBLATT gibt Asylbewerbern ein Gesicht: Vom Studenten zum Asylanten
Kayvan P. (27) steht an seinem Fenster in der Asylbewerber-Unterkunft in Meckelfeld. Dort ist er im April angekommen. Im Iran - seiner Heimat - wurde er geschlagen und bedroht. Was seinen Fall besonders macht: Kayvan P. studierte in Italien. Dort durfte er aber keinen Asylantrag stellen.
Das WOCHENBLATT stellt in loser Reihenfolge Asylbewerber vor und sagt, warum sie nach Deutschland gekommen sind.
(mum). Der Iraner Kayvan P. (27) schaut aus seinem Fenster auf einen trostlosen Hinterhof in Meckelfeld. Der Lärm der nahen Autobahn 1 ist sogar durch das geschlossene Fenster zu hören. Die Gleise der Güterverkehrstrecke sind nur einen Steinwurf entfernt. Hier würde niemand freiwillig sein Haus bauen. Für Asylbewerber ist der Ort jedoch gut genug. Seit April wohnt Kayvan P. dort - gemeinsam mit 57 anderen Flüchtlingen aus 16 Nationen.
Die Einrichtung besteht bereits seit mehr als 20 Jahren. Anfang der 90er Jahre hatte der Landkreis den Schlichtbau errichten lassen, um dort die zahlreichen Flüchtlinge unterzubringen. In den vergangenen Jahren standen viele Zimmer leer. Doch jetzt - in einer Zeit, in der wöchentlich bis zu 20 Flüchtlinge in den Landkreis Harburg kommen, ist die Unterkunft komplett belegt.
Kurz bevor das Interview beginnt, sieht Kayvan P. im Hof eine Frau. Als sie aus Afrika nach Deutschland kam, war sie schwanger. Ihr Sohn, der auch in der Unterkunft wohnt, ist inzwischen 17 Jahre alt. „Hoffentlich muss ich nicht auch so lange hier bleiben“, sagt Kayvan P. Er setzt sich an den Tisch und beginnt, seine Geschichte zu erzählen.
Kayvan P. passt nicht in das Bild eines Asylbewerbers, das gern an Kneipen-Stammtischen diskutiert wird. Der junge Mann hat eine glückliche Kindheit. Gemeinsam mit seiner Schwester und seinem Bruder wohnte er in Teheran, der Hauptstadt Irans. Der Vater arbeitet als Spediteur, war früher Marine-Offizier und zeitweise auch in den USA stationiert.
Kayvan P. hat ein Talent für Sprachen. Dank eines Stipendiums darf er in Italien studieren. Es verschlägt ihn nach Turin - drei Jahre ist das her. Seine Semesterferien verbringt er zu Hause bei seiner Familie. So auch im Februar dieses Jahres.
Dann geschieht das Unfassbare: Kayvan P. wird von der Geheimpolizei verhaftet. „Man hat mich mehrere Tage verhört und immer wieder geschlagen“, berichtet er, während seine Augen sich mit Tränen füllen. Die Polizisten beschuldigen ihn der Spionage. Nachts in der Zelle hofft er auf ein Wunder. Kayvan P. weiß von Menschen, die einfach verschwunden sind. „Ich schwöre, dass ich nichts verbrochen habe. Ich weiß nicht, warum man gerade mich verdächtigt hat“, beteuert der Iraner. Nach ein paar Tagen darf Kayvan P. gehen. „Wir behalten Dich ab jetzt im Auge“, sagt ein Beamter zu ihm an der Tür.
„Ich hatte nur noch Angst“, erinnert sich der Student. Er zählt die Tage bis zu seinem Rückflug Anfang März nach Italien. „Immer wenn es an der Tür geklingelt hat, fürchtete ich, dass sie mich wieder abholen.“
Zurück in Italien geht Kayvan P. zur Polizei. Er bittet um Asyl. „Ich konnte mir nicht vorstellen, unter diesen Umständen wieder in meine Heimat zurückzukehren.“ Doch man teilt ihm mit, dass er aufgrund seines Studenten-Visums keinen Asylantrag stellen darf. Er solle es in einem anderen Land versuchen.
„Deutschland ist so mächtig. Die Politik lässt sich nicht einschüchtern. Das beeindruckt mich. Darum wollte ich hierher.“ Mit dem Zug geht es über die Schweiz nach Bremen. Dort hat Kayvan P. einen Bekannten, der ihn ermutigt hat, zu ihm zu kommen. Doch dieser lässt sich dann nicht blicken. Der Iraner geht allein zur Polizei, bittet um Asyl. „Ich hatte große Angst, dass man mich dort genauso behandelt wie im Iran“, so Kayvan P. Doch die Beamten sind freundlich und hilfsbereit. In Bremen bleibt der junge Mann noch drei Tage, dann geht es weiter in die Durchgangsunterkunft nach Braunschweig und schließlich nach Meckelfeld.
„Ich sitze den ganzen Tag in meinem Zimmer“, sagt Kayvan P. „Kann ich nicht zumindest ehrenamtlich etwas machen?“ fragt er Johannes Freudewald. Der Landkreis-Sprecher hat das Treffen in der Unterkunft organisiert. Aus dem Internet lädt sich der Iraner Bücher auf seinen PC. „Ich lese sehr viel.“
Zu seiner Familie hat er regelmäßig Kontakt über Skype. Facebook sei im Iran gesperrt. „Ich wünsche mir so sehr, wieder studieren zu dürfen“, so der 27-Jährige. Dann möchte er als Übersetzter arbeiten. „Und irgendwann werde ich mich mit meiner Familie in der Türkei treffen“, träumt Kayvan P. „Dorthin können Iraner problemlos einreisen.“
Ein weiteres Schicksal:
"Ich will meine Würde behalten"
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Redakteur:Sascha Mummenhoff aus Jesteburg |
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