Tagebuch eines Wochenendes
Die Freizeit vom Sturm verweht: So hart schuftet ein ehrenamtlicher Feuerwehrmann für uns
(ts). 25 Meter lange Bäume drohten auf Gebäude zu fallen: Für Hauseigentümer im Landkreis Harburg hätte der Orkan des vergangenen Wochenendes zum Albtraum werden können – wenn nicht die Feuerwehrleute zur Stelle gewesen wären. Einer von ihnen war Jörn Peters von der Freiwilligen Feuerwehr Hörsten. Dem Sturm ausgesetzt, entschärfte der 38-Jährige mit der Motorsäge Gefahrenherde. Das alles nach einer Zwölf-Stunden-Schicht im Hamburger Hafen. Ehrenamtlich, für null Euro. Das persönliche Protokoll eines Sturmwochenendes zeigt, stellvertretend für alle, was ein freiwilliger Feuerwehrmann leistet.
Schichtende im Hamburger Hafen. Hauptberuflich fährt Jörn Peters Großgeräte, bringt Container und Waren auf Reisen. Während am Freitag für die meisten Menschen das Wochenende begonnen hat, bereitet sich der Feuerwehrmann auf eine unruhige Nacht im Sturmtief vor. Gegen 16 Uhr treffen er und fünf weitere Kameraden im Feuerwehrgerätehaus in Hörsten ein, richten das Einsatzfahrtzeug her. Etwas Verpflegung hat sich Jörn Peters eingepackt: eine Snack-Salami, Wasser, Cola.
Um 17.17 Uhr hinterlässt Sturmtief "Zeynep" erste Spuren: Alarm! "Baum auf Straße" heißt es im pragmatischen Feuerwehrdeutsch. Jörn Peters ist einer von zwei Sägeführern des Einsatztrupps aus Hörsten. Wie schwer ist die Arbeit an der Motorsäge? "Man sollte körperlich fit sein", antwortet er.
Die Bedingungen sind widrig: Wind drückt, Regenwasser im Gesicht. Die Feuerwehrleute aus Hörsten reinigen einen Gully, damit Wasser von der Fahrbahn abfließen kann. Allein zwei Stunden arbeiten Jörn Peters und seine Kameraden daran, eine Fahrbahn von einem umgestürzten Baum zu räumen. Ein Kraftakt. "Es ist schon bedrohlich, wenn ein 25 Meter Baum zu fallen droht und sich das Erdreich in drei Metern Umkreis bewegt", sagt Jörn Peters.
Der Einsatz an dem Orkanfreitag endet gegen 23.15 Uhr. Rückkehr in Feuerwehrhaus, das Einsatzfahrzeug herrichten. Um 0.30 Uhr ist Jörn Peters zu Hause bei seiner Frau und seinem dreieinhalb Jahre alten Sohn. Zur Entspannung bliebt nur wenig Zeit: eine Serie gucken, Wasser und Salzbrezeln dazu. Eine Stunde später ist Jörn Peters im Bett. Gegen drei Uhr wacht er auf. Die Satellitenanlage hat sich gelöst, macht Krach an der Hausfassade. Jörn Peters steigt aus dem Bett, geht vor die Tür. Im Dunkeln und bei Wind verzichtet er aber darauf, zur Reparatur auf die Leiter zu steigen. Zurück im Bett, schläft er wieder ein.
Am Samstag ist die kurze Nachtruhe jäh beendet. Um 6.37 Uhr lösen Orkanböen die nächsten Alarmmeldungen aus: "Baum auf Straße", "Baum droht zu fallen". Zeit für ein Frühstück bleibt nicht. Jörn Peters eilt zum Feuerwehrhaus. Zusammen mit vier anderen Feuerwehrmännern und einer Feuerwehrfrau bildet er an diesem Tag den Einsatztrupp aus Hörsten. Als Erste erreichen sie einen Carport, an den sich ein entwurzelter Baum bedrohlich angelehnt hat. Wenig später treffen Feuerwehrkameraden aus Meckelfeld mit der Drehleiter ein. Jörn Peters hilft dabei, die Baumkrone kräftig zu stutzen. "Damit sie dem Wind keine Angriffsfläche mehr bietet", erklärt er. Am Ende haben die Feuerwehrleute den Baum um ein Drittel seiner Größe gestutzt und damit die Gefahr beseitigt, dass er auf Gebäude stürzt.
Gegen 9.30 Uhr erreichen Jörn Peters und seine Kameraden den Seevetaler Ortsteil Helmstorf. Heftige Sturmböen haben sechs nahe beieinander stehende Bäume entwurzelt. Ineinander gekeilt halten sie sich noch in der Senkrechten, drohen auf die Fahrbahn zu stürzen. Jörn Peters ist daran beteiligt, die Bäume beiseite zu räumen.
Der Magen knurrt mittlerweile. Ein Feuerwehrkamerad bietet gegen 11 Uhr an, Frühstück zu besorgen, kehrt mit Brötchen zurück. Die Feuerwehrleute belegen die frischen Teigwaren selbst mit Käse, Wurst oder Fleischsalat. Woher genau die leckeren Zutaten gekommen sind, weiß Jörn Peters nicht - aber sie schmecken, sättigen den hungrigen Magen. Anschließend ist er an mehreren kleineren Hilfseinsätzen beteiligt.
Gegen 15.15 Uhr kehrt Ruhe ein. Auf der Rückfahrt zum Feuerwehrhaus helfen die Ehrenamtlichen noch einem Hausbesitzer im Dorf, Wasser aus dem Keller zu pumpen. 16.15 Uhr - endlich im Feuerwehrhaus! Eine Stunde später ist Jörn Peters zu Hause. Die Arbeit ist für ihn noch nicht beendet. Er steigt auf die Leiter, befestigt die Satellitenanlage am Haus. Endlich Zeit mit der Familie: Gemeinsam essen sie Tomatensuppe, die seine Frau gekocht hat. Jörn Peter bringt seinen Sohn zu Bett. Anschließend macht er sich es zusammen mit seiner Frau auf der Couch gemütlich. Um 21 Uhr muss er der Müdigkeit Tribut zollen - ab ins Bett. Ein Wochenende vom Sturm verweht. Ohne Freizeit. Alles im Dienst der Gesellschaft. "Die Familie musste ganz schön einstecken", sagt Jörn Peters.
Bleibt ja noch der Sonntag. An diesem Tag aber nicht. Denn Jörn Peters hat regulär Dienst in seinem Hauptberuf. Um 5.30 Uhr steht er auf. Um sieben Uhr beginnt seine Zwölf-Stunden-Schicht im Hamburger Hafen.
Redakteur:Thomas Sulzyc aus Seevetal | |
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