Nachbarschaftsstreit
Ein Kangal verunsichert seit Monaten eine Nachbarschaft in Hittfeld
ts. Hittfeld. Einfamilienhäuser mit Gärten reihen sich in der schmalen Wohnstraße Am Redder in Hittfeld aneinander. Von den Terrassen eröffnet sich der Blick in ein Wäldchen. Seit April ist es für einige Anwohner mit der Idylle dahin: Seitdem lebt ein Kangal, auch bekannt als Anatolischer Hirtenhund, in der Nachbarschaft. Aggressiv und dominant trete das kräftige Tier auf und sei auch schon durch Gärten geflitzt, berichten Nachbarn. Mit seinem Gebell strapaziere der Hund die Nerven seiner Nachbarn - morgens, mittags, abends und nachts.
Mit dem Eigentümer des Hundes zu sprechen, haben Nachbarn inzwischen aufgegeben. Der sei nicht einsichtig, sagen sie. Von den zuständigen Behörden fühlen sie sich allein gelassen. Die Nachbarn wissen nicht mehr weiter. Ihre Hinweise auf tierschutzrechtliche Verstöße, hier ist das Kreisveterinäramt zuständig, und auf ordnungsrechtliche Verstöße, hier ist das Ordnungsamt der Gemeinde Seevetal zuständig, brachten bislang nicht den gewünschten Erfolg - nämlich dem Eigentümer das Tier zu entziehen.
"Die Hundehaltung ist so verboten", sagt Tierschützerin Julia Welsch. Die Vorsitzende des Vereins zur Hilfe und Unterstützung tot aufgefundener Haustiere unterstützt die Nachbarn. Der Kangal wird im Freien an einer Leine an der Stange gehalten. Mittlerweile kann das Tier sich in eine Wetterschutzhütte verkriechen - monatelang sei das nicht der Fall gewesen.
Der Kangal, der bis zu 65 Kilo schwer werden kann, sei gegenüber anderen Hunden meist dominant und eher unverträglich, heißt es im Tierinformationsportal "Zoo Royal". Diese Wesenszüge bei einer großen Hunderasse, die sehr kräftig ist und ein großes Revier beansprucht, seien mit dem Leben im heutigen Deutschland kaum vereinbar, urteilt das Magazin. Auch Tierschützerin Julia Welsch meint, dass der Kangal besser als Hütehund einer Herde aufgehoben sei - und nicht in dem begrenzten Garten eines Wohngebiets.
Nachbar Reinhart Knopp führt Lärmprotokolle, schreibt dem Ordnungsamt auf, wann der Hund wieder laut bellt oder jault. "Meine Frau muss morgens zur Arbeit, wird um den Schlaf gebracht", sagt er. Mehrere Anzeigen haben Nachbarn bei der Polizei gestellt.
Protokolle, Anzeigen bei der Polizei und Zeugenaussagen können Hinweise sein, die ein Handeln des Veterinäramtes oder des Ordnungsamtes erfordern.
Die Vorwürfe müssen nachweisbar sein. Hundehaltung ist in Deutschland nicht verboten. "Mitarbeiter des Veterinäramts nehmen einen Hund nicht sofort mit, sondern machen zunächst Vorschläge, Missstände abzustellen", sagt Kreissprecher Andres Wulfes. Die Kriterien regelt die Tierschutz-Hundeverordnung des Bundes. Darin steht zum Beispiel, dass Hunde ausreichend Auslauf und bei Haltung im Freien eine Schutzhütte haben müssen.
Wie rechtlich schwierig es ist, einem Halter die Hundehaltung zu verbieten, zeigt die Antwort der Seevetaler Gemeindeverwaltung: Dies könne insbesondere dann erfolgen, wenn der Halter aufgrund einer vorsätzlichen Straftat innerhalb der letzten fünf Jahre zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, geschäftsunfähig ist, aufgrund einer psychischen, oder geistigen oder seelischen Behinderung betreut wird, von Alkohol oder Betäubungsmitteln abhängig ist oder wiederholt oder gröblich gegen das Niedersächsische Hundegesetz verstoßen hat oder aufgrund geringer Kräfte der Hund nicht sicher geführt werden kann. Alle Tatbestände müssen nachgewiesen werden, zum Beispiel mit Hilfe von fachärztlichem Gutachten oder durch entsprechende beweiskräftige Zeugenaussagen.
Der Kangal verbreitet Furcht in der Siedlung Am Redder. "Man hat Angst, mit dem eigenen Hund zu gehen", sagt eine Nachbarin. Jugendliche, die dazu in die Siedlung kämen, würden mit dem Kangal laufen. Nachbarn haben den Eindruck, dass der Hund seine Betreuer beherrsche - und nicht umgekehrt. Das Deutsche Rote Kreuz betreibt eine Kindertagesstätte in der Straße.
Seit April sammeln die Nachbarn Hinweise, um die Ämter davon zu überzeugen, dass der Kangal nicht artgerecht gehalten werde und gefährlich sei - bisher ohne Erfolg.
Möglicherweise ändert eine Anzeige bei der Polizei etwas daran, die Nachbar Olaf Karl vor mehr als drei Wochen gestellt hat, weil der Kangal seinen Labrador angegriffen habe. "Das Tier kam auf uns zugerannt und sprang meinen Hund an", erzählt er. Olaf Karl sei dann mit seinem Hund auf ein fremdes Grundstück geflüchtet, aber der Kangal setzte ihnen nach. "Nachbarn haben uns sogar in ihr Haus gelassen. Dort haben wir gewartet, bis die Polizei kam."
Nach einer tödlichen Attacke auf einen Yorkshireterrier in Hemelingen, berichtete der Weser-Kurier im Januar, hat das Bremer Ordnungsamt zwei Kangals von ihrem Halter vorläufig getrennt.
Redakteur:Thomas Sulzyc aus Seevetal | |
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