"Eine Gebärde sagt mehr als ein Wort": Gebärdendolmetscherin beim Festgottesdienst in Meckelfeld
kb. Meckelfeld. Egal ob bei Behördengängen, auf Info-Veranstaltungen oder in Vorlesungen: Mit im wahrsten Sinne des Wortes vielsagenden Gesten und Mimiken sorgt Gebärdendolmetscherin Susanne Goemann aus Sinstorf dafür, dass Gehörlose am täglichen Leben teilhaben und das gesprochene Wort verstehen können. In Kürze ist Susanne Goemanns Arbeit auch in Meckelfeld zu erleben: Im Rahmen des Kirchweihfestes dolmetscht sie den Festgottesdienst am Pfingstsonntag, 8. Juni, um 10 Uhr in der Meckelfelder Kirche. Ein Novum in der Kirchengemeinde.
Die Idee zu einem Gottesdienst an dem auch Gehörlose teilnehmen können, kam von einem Gemeindebriefausträger, der selbst gehörlos ist. Die Pastoren Bernd Abesser und Peter M. Schwarz mussten nicht lange überzeugt werden und trafen sich bald darauf mit Susanne Goemann. "Egal ob es sich um einen Gottesdienst oder eine Firmenveranstaltung handelt, ich versuche immer, mich so gut es geht vorzubereiten", erzählt die Gebärdendolmetscherin. "Wenn ich weiß, worum es in der Predigt geht und welche Lieder gesungen werden, kann ich z.B. seltene Begriffe noch einmal nachschlagen", erklärt Goemann. Spontan muss sie trotzdem bleiben.
Die 50-Jährige ist mit der Gebärdensprache groß geworden. Als Kind gehörloser Eltern übernahm sie früh die Rolle der Übersetzerin. Zur Dolmetscherin ließ sich Susanne Goemann aber erst auf dem zweiten Bildungsweg an der Universität Hamburg ausbilden. Die Gebärdensprache ist eine eigenständige Sprache mit einer eigenen Grammatik. Gebärden können einzelne Worte, wie z.B. "Tisch" oder komplexere Inhalte ausdrücken. Als Sprachinstrument dient der gesamte Körper: Handstellung, Bewegung, Mimik, Kopf- und Körperhaltung, Ausführung der Gebärde - alles hat eine Bedeutung. So können in der Gebärdensprache auch Witze erzählt oder Poesie vorgetragen werden. "Mit der Mimik kann ich z.B. bestimmte Gefühle oder bei Liedern die Höhe der gesungenen Töne transportieren", erklärt Susanne Goemann. "Es ist eine sehr lebendige Sprache."
Das Dolmetschen ist aufgrund seiner Komplexität sehr anstrengend. Bei Veranstaltungen, die mehrere Stunde dauern, lösen sich zwei Dolmetscher ab. "Die Konzentration lässt sonst zu sehr nach", so Goemann.
Was viele nicht wissen: Die Gebärdensprache ist keineswegs international. Zwar ähneln sich einige Gesten, sodass eine Verständigung zwischen Gehörlosen aus verschiedenen Ländern tendenziell einfacher ist, als zwischen Sprechenden fremder Sprachen, aber ansonsten unterscheiden sich die Gebärdensprachen. Und selbst innerhalb eines Landes gibt es verschiedene Dialekte, die sich allerdings meist auf einzelne Wörter beschränken und nicht die Grammatik betreffen.
Beim Gottesdienst in Meckelfeld wird Susanne Goemann ganz vorne bei den Pastoren stehen. Da Sichtkontakt unbedingt notwendig ist, werden die ersten Bankreihen für Gehörlose reserviert. Susanne Goemann freut sich auf diese besondere Premiere: "Ich hoffe, dass viele Betroffene die Gelegenheit nutzen, den Gottesdienst mitzuerleben", so Goemann. "Und vielleicht kommen ja auch einige, die einfach neugierig sind, wie die Gebärdensprache funktioniert."
Redakteur:Katja Bendig aus Seevetal |
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