Insektensterben in Seevetal
Intensive Landwirtschaft tötet Ökosysteme

Der direkte Vergleich zweier Wiesen. Links gemäht, rechts "wild" | Foto: sra
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  • Der direkte Vergleich zweier Wiesen. Links gemäht, rechts "wild"
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Ausgerechnet die Landwirtschaft, Produzent von Getreide, Gemüse und Futter für die Tiere, soll mitverantwortlich sein für das Insektensterben? Wie kann es sein, dass ein Zweig, der mehr mit und in der Natur arbeitet als die meisten Branchen, mit knapp 17 Millionen Hektar bewirtschafteter Fläche, verantwortlich für den Rückgang von Insekten ist? Auf einen Punkt geht Insektenschützer Günter Garbers aus Seevetal besonders ein: "Es wird viel zu früh und viel zu oft gemäht!" So die Feststellung und Behauptung des Landwirts.

Ökosystem Wiese

Auch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) sieht es so, dass ein erheblicher Einflussfaktor für den Rückgang der so wichtigen Kerbtiere die intensive Art und Nutzung der Landflächen ist.
Diese intensive Bewirtschaftung hat in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen. Nicht nur der starke Einsatz von Pestiziden ist ein großer Teil des Problems, sondern auch der häufige und frühe Schnitt der Grünflächen.
Aus den gemähten Wiesen wird in den allermeisten Fällen Heu gewonnen, was wiederum an die gestiegene Anzahl der Nutztiere verfüttert wird. Weniger Fleischkonsum führt zu weniger Tierfutterbedarf, führt zu weniger benötigtem Heu, führt zu weniger benötigter gemähter Wiesen.
So könnte eine Argumentationskette aussehen. "In der Küche kann zum Beispiel jeder etwas fürs Klima tun, und zwar ne Menge", so der Naturliebhaber.
Günter Gabers tut es nach eigener Aussage in der Seele weh, wenn gemäht wird. "Hier tobt das Leben auf der Wiese. Wenn hier morgen gemäht wird, stirbt alles weg. Alles."
Gabers betont, dass er natürlich verstehe, dass die Bauern das Heu brauchen, um ihre Tiere zu füttern, aber es gehe ihm um die Zeit und die Häufigkeit der Schnitte. "Ich mähe meine Wiesen Anfang September das erste Mal. Einige Landwirte machen jetzt den zweiten, manche sogar den dritten Schnitt.
Wie soll sich die Natur denn erholen, wenn wir sie durchgehend ausbeuten?" Johann Knappe, Kreis-Landwirt aus Stade, sagt dazu Folgendes: "Wir können an dem Schnittzeitpunkt und der Häufigkeit nichts ändern.
Wir brauchen die Menge, um die Tiere zu versorgen, und Rinder zum Beispiel benötigen einen bestimmten Eiweißgehalt im Gras, welcher eben zu bestimmten Zeitpunkten im Jahr am höchsten ist."
"Das höchste Qualitätspotenzial der Grünland- und Ackerfutteraufwüchse liegt in der Regel im ersten Aufwuchs", schreibt agrarheute.com.

Biodiversität in Gefahr

Auf landwirtschaftlich genutzten Flächen von einem Hektar befinden sich laut einer Studie vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) auf einer "herkömmlichen" Anbaufläche ca. neun Millionen Insekten.
Im Gegensatz dazu findet man auf einer ökologisch betriebenen Anbaufläche ca. 27 Millionen.
Diese Zahlen weisen darauf hin, wie schädlich die aktuell angewandten Verfahren für das entsprechende Ökosystem sind.
Das Umweltbundesamt (UBA) hat in einer Studie aus dem Jahr 2022 festgestellt, dass die Anzahl der Insekten in Deutschland in den letzten 30 Jahren um bis zu 75 Prozent zurückgegangen ist.
"Wir befinden uns mitten in einem Albtraum, da Insekten eine zentrale Rolle für das Funktionieren unserer Ökosysteme spielen", warnte Prof. Dr. Johannes Steidle der Universität Hohenheim bereits 2017 im Bezug auf eine ähnliche Studie.

Nicht nur Landwirte sind angesprochen

Weniger wichtig als die Menge seien "viel mehr die besonders seltenen und spezialisierten Arten, die oft auf Lebensräume angewiesen sind, die es in unserer Kulturlandschaft kaum noch gibt und die man in einer überschaubaren Zeit auch nicht wieder herstellen kann.
Manche von ihnen leben in Symbiose mit anderen Arten und sind existenziell auf deren Vorkommen angewiesen.
Der Gesetzgeber legt die Nutzungsintensität von Wirtschaftsgrünland aktuell in die Hände der Bewirtschafter.
Heißt, je nach Bedarf kann gemäht werden", teilt die Abteilung Umwelt des Landkreises Harburg auf Nachfrage mit. Garbers legt die Verantwortung aber nicht nur in die Hände der Landwirte.
Er weist auf die "sterilen" Gärten der Bürger hin.
"Wir müssen radikal was ändern. Deutsches Rasengut ist der Tod für Insekten. Wenn jeder Gartenbesitzer nur einen kleinen Teil wild wachsen lassen würde, dann hätten wir schon eine Menge erreicht.
Wir müssen den Kindern und Jugendlichen doch Hoffnung machen."
Die Landwirte bitte er, einen kleinen Streifen beim Mähen stehenzulassen. Auch das würde Rückzugsort für viele Arten bieten.

Redakteur:

Sven Rathert aus Seevetal

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