Letzte Ruhe im eigenen Garten: Bremen lockert den Friedhofszwang / Wie denkt man in der Region darüber
(kb). Nach dem Tod eingeäschert zu werden und die Asche unter dem Lieblingsbaum im eigenen Garten verstreuen zu lassen - für immer mehr Menschen ist das eine schöne Vorstellung. Anderen hingegen sträuben sich die Nackenhaare bei dem Gedanken, dass Omas Asche zwischen Begonien und Nelken hinterm Haus landet. Bisher war eine Diskussion über das Thema eher müßig - in Deutschland herrscht Friedhofszwang. Einzige Ausnahmen sind Seebestattungen und Bestattungen in Fried- bzw. Ruhewäldern.
Einen Vorstoß, den Friedhofszwang zu lockern, wagt jetzt das kleinste Bundesland, Bremen. Die Bremer Bürgerschaft hat in der vergangenen Woche in erster Lesung beschlossen, dass ab 1. Januar 2015 die Asche Verstorbener auch auf privaten Grundstücken, gesondert ausgewiesenen öffentlichen Flächen und in Einzelfällen auch auf sonstigen öffentlichen Grundstücken verstreut werden darf. Voraussetzung ist, dass eine schriftliche Verfügung der verstorbenen Person vorliegt, in der festgehalten ist, an welchem Ort das Ausstreuen der Asche gewünscht wird. Zudem muss eine Person zur Totensorge bestimmt sein, die für die wunschgemäße Bestattung sorgt. Die Gesetzesänderung in Bremen, initiiert durch SPD und Grüne, könnte Signalwirkung auf andere Bundesländer haben.
Dorothea Blaffert, Pastorin in Klecken und stv. Superintendentin des Kirchenkreises Hittfeld, steht dieser Form der Bestattung skeptisch gegenüber. "Durch die Möglichkeit, die Asche auf privaten Grundstücken zu verstreuen, wird der Trauer der öffentliche Zugang genommen", sagt Blaffert. Aus ihrer langjährigen Erfahrung weiß sie, wie wichtig es vielen Menschen ist, einen Ort der Trauer zu haben. "Es sind nicht nur Familienangehörige, die trauern. Auch Freunde, Kollegen oder Nachbarn haben oft den Wunsch, ein Grab aufzusuchen", sagt die Pastorin. Das sei nicht möglich, wenn die Asche des Verstorbenen in einem privaten Garten liege.
Dennoch: Laut einer repräsentativen Emnid-Umfrage aus dem vergangenen Jahr lehnen 65 Prozent der Deutschen den Friedhofszwang ab. In anderen europäischen Ländern wie der Schweiz, den Niederlanden oder Tschechien gibt es viele Möglichkeiten, die Asche Verstorbener beizusetzen. Hier gilt der Grundsatz "Asche zur freien Verfügung". So landet die Urne mit den Überresten der Liebsten durchaus auch mal auf dem Kaminsims.
Ein Wunsch, den auch in Deutschland viele Hinterbliebene hegen, weiß Evelyn Schaller-Corde, Geschäftsführerin eines Bestattungsunternehmens in Buchholz. "Allein aus Kostengründen fragen viele Angehörige nach, ob sie die Urne auch mit nach Hause nehmen dürfen", so Evelyn Schaller-Corde. Viele Menschen könnten sich einen Platz auf dem Friedhof nicht mehr leisten. Sie und ihr Team würden eine Lockerung des Friedhofszwangs durchaus begrüßen. "Aber mit dem Ausstreuen der Asche auf privaten Grundstücken habe ich aus Pietätsgründen so meine Probleme", sagt die Bestattungsunternehmerin. Was passiere z.B., wenn das Grundstück verkauft werde?
Dem CDU-Landtagsabgeordneten Heiner Schönecke behagt der Gedanke, den Friedhofszwang zu lockern, überhaupt nicht. "Als Christen haben wir eine jahrhundertealte Bestattungskultur, ich sehe keinen vernünftigen Grund, etwas daran zu ändern", so Schönecke. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Svenja Stadler aus Seevetal sieht die Sache hingegen ähnlich wie ihre Parteikollegen in Bremen. "Ich finde es persönlich richtig, wenn man dem festgehaltenen Wunsch der Menschen folgt und sie selbst bestimmen lässt, wo sie ihre Totenasche verstreut haben wollen", sagt Stadler.
Vorerst ist das außerhalb Bremens Zukunftsmusik. Pastorin Dorothea Blaffert würde sich statt einer ähnlichen Gesetzesänderung in Niedersachsen ohnehin etwas ganz anderes wünschen: "Ich denke an gut gepflegte Friedhöfe, die viele Möglichkeiten für individuelle Grabgestaltung bieten. Die an alte Gärten erinnern, wo die Lebenden zur Ruhe kommen und wo Namen und Geschichten aufgeschrieben sind."
Redakteur:Katja Bendig aus Seevetal |
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