Interview
Decatur-Brücke: Gutachter erklärt, warum ein Prüfergebnis immer noch nicht vorliegt
ts. Maschen. Ist die Instandsetzung der Decatur-Brücke über dem Rangierbahnhof Maschen technisch möglich? Im Auftrag der Gemeinde Seevetal sucht Prof. Dr. Reinhard Maurer in komplexen Berechnungen nach einer Antwort auf diese Frage. Warum das Ergebnis auf sich warten lässt, erklärt der Brückenbauexperte aus Dortmund in einem Interview per E-Mail im WOCHENBLATT.
WOCHENBLATT: Warum ist es bis jetzt nicht gelungen, eine Aussage zu einer möglichen Sanierung und Wiedernutzung der Decatur-Brücke zu treffen?
Prof. Dr. Reinhard Maurer: Aus vorgeschriebenen Sicherheitsgründen ist eine offizielle Aussage zu einer möglichen Instandsetzung und Weiternutzung der Decatur-Brücke grundsätzlich erst dann möglich, wenn unser Erstgutachten durch ein unabhängiges Zweitgutachten bestätigt ist.
Erfreulicherweise kommen bei der Decatur-Brücke letztlich beide Gutachten zu den gleichen Bewertungen und Aussagen. Danach ist die Tragfähigkeit der bestehenden Spannbetonbrücke für die Brückenklasse 60 ausreichend.
Ausgenommen sind die Knotenbereiche, an denen die beiden Rampen in das Haupttragwerk einbinden. Derzeit laufen zu diesen beiden Knotenpunkten lediglich noch einige Berechnungen, um den Umfang der notwendigen Verstärkungsmaßnahmen noch etwas genauer einzugrenzen. Grundsätzlich sind diese notwendigen Verstärkungen technisch machbar.
WOCHENBLATT: Warum lassen Berechnungen, die klare Ergebnisse als Resultat haben sollen, so viel Raum für Interpretation zu?
Maurer: Die hier durchgeführten Berechnungen sind nicht vergleichbar mit der Schulmathematik, wo es zu jeder Aufgabe eine eindeutige richtige Lösung gibt. Das hat im Wesentlichen zwei Gründe: Erstens unterliegen viele Einflussfaktoren für die tatsächliche Tragfähigkeit Unschärfen und Streuungen, sodass für die einzusetzenden Zahlenwerte kein fester Wert, sondern lediglich eine Bandbreite „von bis“ angegeben werden kann. Zweitens wird die sogenannte Schubtragfähigkeit bei Querkraft und Torsion – das Hauptproblem der Decatur-Brücke – von mehreren sich überlagernden Tragmechanismen beeinflusst, deren Zusammenspiel in jedem konkreten Einzelfall unterschiedlich sein kann.
Es gibt daher verschiedene Berechnungsverfahren, die sich in ihrem Genauigkeitsgrad, besonders bei den Schubproblemen, unterscheiden. Um die tatsächlich vorhandene Schubtragfähigkeit zu berechnen wie im vorliegenden Fall, bedarf es der Anwendung komplexer wissenschaftlicher Methoden. Je mehr Einflüsse und Tragmechanismen für die Schubtragfähigkeit erfasst werden, desto genauer nähern sich die Berechnungen der physikalischen Wirklichkeit an, sie werden dadurch aber auch immer komplizierter und aufwendiger in der Durchführung.
Bei der Decatur-Brücke mussten wie üblich in den beiden Gutachten jeweils unterschiedliche wissenschaftliche Berechnungsverfahren angewendet werden, um die Kontrolle durch eine völlig unabhängige Gegenrechnung mit einem anderen Verfahren zu gewährleisten. Durch unterschiedliche Lösungsansätze unterscheiden sich die Ergebnisse in einer gewissen Bandbreite. Beide kommen aber letztlich in den entscheidenden Punkten zu den gleichen Bewertungen.
WOCHENBLATT: Die CDU in Seevetal hat beantragt, zu prüfen, die Decatur-Brücke zumindest für den öffentlichen Fuß- und Radverkehr "zeitnah" freizugeben. Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussicht zur Freigabe der Brücke für Fußgänger und Radfahrer?
Maurer: Für das Herbeiführen der Entscheidung sind noch klärende Gespräche mit dem Straßenbaulastträger erforderlich.
Seevetal drängt darauf. die Decatur-Brücke abzugeben
ts. Seevetal. Seevetals Bürgermeisterin Martina Oertzen (CDU) soll gemeinsam mit dem Landrat, dem Land Niedersachsen und dem Bund die Gespräche fortsetzen, um die Möglichkeit einer Übernahme der Decatur-Brücke zu prüfen. Das hat der Rat der Gemeinde Seevetal am Mittwochabend in einer Resolution einstimmig beschlossen. Vorbild ist die Vereinbarung die Freien und Hansestadt Hamburg mit dem Bund zu einer Köhlbrandquerung. Der Bund hat zugesagt, sich finanziell zu beteiligen. "Neu ist, dass der Bund sich einbringt. Durch diesen Impuls haben sich die Dinge verändert", sieht Martina Oertzen die Möglichkeit, dass die Gemeinde Seevetal nicht mehr länger Straßenbaulastträger der Decatur-Brücke bleibt.
Redakteur:Thomas Sulzyc aus Seevetal | |
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