"Man ist sofort ein Penner"
Heinz Jahnke (60) lebt seit eineinhalb Jahren auf der Straße
kb. Seevetal. „Die Tage sind schon verdammt lang“, sagt Heinz Jahnke (60). Mit einem Becher Kaffee in der Hand sitzt er an seinem „Stammplatz“, in einer Bushaltestelle in der Glüsinger Straße in Meckelfeld. Heinz Jahnke ist seit August 2016 wohnungslos. Sein wichtigstes Hab und Gut - Schlafsachen, Hygieneartikel und Kleidung - hat er in einem Einkaufstrolley und einer Plastiktüte bei sich. Obwohl er versucht, sich warm anzuziehen, die Kälte setzt Jahnke zu. „Das ist mein erster Winter, den ich komplett draußen lebe. Das ist schon hart.“
Heinz Jahnke ist gelernter Maschinen-Schlosser und Maschinen-Techniker, 36 Jahre hat er als Lkw-Fahrer gearbeitet. „Nach einem Unfall habe ich dann meinen Job verloren“, erzählt der 60-Jährige. Nach der Scheidung von seiner Frau lebte er zunächst mit seiner Tochter in einer Wohnung, als diese auszog, musste auch Heinz Jahnke raus. „Die Wohnung war für mich allein zu groß, das Amt übernahm die Miete nicht mehr“, sagt Jahnke. Sein Problem: Er fand keine geeignete Alternative. Anfangs übernachtete er noch zeitweise bei einem Bekannten, inzwischen lebt Jahnke komplett auf der Straße. Er versucht, seine Situation mit Humor und Optimismus zu meistern.
Der Alltag von Heinz Jahnke ist geprägt vom Umherziehen. Nach dem Aufstehen führt ihn der erste Weg des Tages zu einem öffentlichen WC. Zähneputzen, Händewaschen, der Gang zur Toilette - für ihn ein wichtiges Stück Normalität. „Mir ist wichtig, dass ich halbwegs ordentlich aussehe und mich pflege“, sagt er. Vormittags pendelt Jahnke von einem windgeschützten Ort zum nächsten. Willkommen ist er selten. „Ich werde oft weggejagt, bekomme Platzverweise und Hausverbote. Manche Kunden beschweren sich hinter meinem Rücken bei Gastronomen, wenn ich mal länger in einem Imbiss stehe und etwas esse oder trinke“, sagt er. „Man ist für andere sofort ein Penner.“
Anders geht es ihm, wenn er in „seiner“ Bushaltestelle sitzt. „Es gibt wirklich viele nette Menschen, die fragen, wie es mir geht, mir einen Euro oder etwas zu essen zustecken“, erzählt er. Heinz Jahnke ist dankbar für jedes freundliche Wort und jede Hilfe, auch wenn es ihm manchmal schwer fällt, diese anzunehmen. „Gerade wenn ältere, alleinstehende Damen kommen, von denen man weiß, dass sie selber nicht viel haben“, so Jahnke. Eine, die ihm regelmäßig einen Kaffee vorbeibringt, ist Claudia Günter (50). Sie wohnt gegenüber der Bushaltestelle. „Ich habe Heinz immer im Blick und manchmal ein richtig schlechtes Gewissen, wenn ich in meinem Wohnzimmer sitze und es mir gemütlich mache“, sagt sie.
Gemütlich ist es für Heinz Jahnke selten und wenn sich andere in ihr warmes Bett kuscheln, begibt er sich zu seinem Schlafplatz unter freiem Himmel. „Dort ist es halbwegs geschützt und der Boden ist warm“, erzählt er. Ein Glücksfall bei der derzeitigen Kälte. Genau verraten, wo er schläft, will Heinz Jahnke aber nicht. Denn ein bisschen Angst begleitet ihn in jeder Nacht.
Der schlimmste Tag der Woche ist für den Wohnungslosen der Sonntag. „Dann ist im Ort nichts los und die Zeit vergeht noch langsamer“, sagt er. Selten leistet sich der Hartz IV-Empfänger einen kleinen Luxus und geht essen. „Das Leben auf der Straße ist teuer. Ich kann ja nicht selber kochen, mir keinen Kaffee machen - ich muss alles kaufen. Da muss man rechnen.“ Seine Tochter wohnt inzwischen in Ostfriesland, baut sich dort ein eigenes Leben auf. Auf der Tasche liegen will er ihr nicht.
Eine Küche fehlt dem begeisterten Hobby-Koch am meisten. Er hofft fest darauf, wieder in einer eigenen Wohnung zu leben: „Ich bin Optimist, durch und durch. Ich bleibe am Ball, laufe die Wohnungsämter ab und höre mich um.“ Der Gang in die Obdachlosenunterkunft - für Heinz Jahnke keine Lösung. „Da wird so viel getrunken und auf Dauer kann man da ja auch nicht wohnen“, sagt er. Gerne würde er in Meckelfeld oder Umgebung bleiben. „Hier habe ich 30 Jahre gelebt und kenne viele Leute“, sagt er.
Ein Leben auf der Straße - Heinz Jahnke hätte nie gedacht, dass er einmal in dieser Situation landen würde. Abfinden will er sich damit nicht: „Ich wünsche mir eine kleine Wohnung. Ein Zimmer würde reichen, es muss nichts Dolles sein. Dann kann ich mir wieder ein normales Leben aufbauen.“
• Wer ihm dabei helfen will oder auch nur zeitweise einen Ort zum Aufwärmen, einen Waschraum oder Ähnliches zur Verfügung stellen kann, meldet sich bei Heinz Jahnke unter Tel. 0176 - 27201261.
Redakteur:Katja Bendig aus Seevetal |
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