Stresstest für den Katastrophenschutz
Blackout im Landkreis Stade: Krisenstab probte den Ernstfall
Blackout: Dieses Wort steht für ein Katastrophenszenario, das niemand erleben möchte - und dennoch müssen alle darauf vorbereitet sein. Auch der Landkreis Stade. Der hat für den Fall eines großflächigen Stromausfalls einen Notfallplan entwickelt. Dieser Plan wurde jetzt erstmals einem Stresstest unterzogen: Zwei Tage lang simulierte der Krisenstab der Kreisverwaltung den Ernstfall. Bei der Übung in der Feuerwehrtechnischen Zentrale (FTZ) in Stade-Wiepenkathen überschlugen sich die Ereignisse. Die rund 100 Mitarbeiter des Kreishauses, die dem Stab angehören, standen im Verlauf der Übung vor immer neuen Herausforderungen.
Erst Starkregen, dann Sturmflut
Die Simulation hat es in sich: Erst Starkregen und Hagel, dann ein Sturm, der stündlich stärker wird, massenhaft Bäume umkrachen lässt, unzählige Keller überflutet und sämtliche Ortswehren seit Stunden in Atem hält. Sogar eine Tornadowarnung wird ausgegeben. Rund 2.000 Feuerwehrleute sind im Dauereinsatz, die Kräfte vor Ort haben ihre Kapazitätsgrenze erreicht. Danach geht noch eine Sturmflutwarnung ein: Gegen die Elbdeiche soll die höchste Sturmflut aller Zeit branden. Am Ende spitzt sich die Lage weiter zu: Erst ist Stade von einem Stromausfall betroffen, dann erstreckt sich der Blackout auf den gesamten Landkreis. Vorgegeben wurden die Szenarien von zwei externen Experten, die als Trainer fungierten und dafür sorgten, dass der Adrenalinspiegel beim Krisenteam nicht sinkt.
Landrat verkündet Katastrophenfall
Geleitet wurde die Katastrophenschutzübung von der Ordnungs-Dezernentin Sabine Brodersen und der Kreisbaurätin Madeleine Pönitz. Brodersen war für die Schicht am ersten Tag zuständig. Ihre Aufgabe war es, den Krisenstab zusammenzutrommeln. "Eine Stunde war dafür angesetzt", berichtet Brodersen. Danach geht es Knall auf Fall. Angesichts der dramatischen Wetterlage verkündet der Landrat gegen Mittag den Katastrophenfall. Das ist notwendig, um die rechtliche Grundlage für das weitere Handeln des Krisenstabes zu schaffen. Selbst im Notfall darf nicht auf Bürokratie verzichtet werden: Die Arbeit des Stabes muss minutiös im Einsatztagebuch protokolliert werden, standardisierte Abläufe sind einzuhalten und Formblätter in vierfacher Ausfertigung auszufüllen - und wenn jemand den Raum verlässt oder betritt, muss auch dies akribisch notiert werden.
Eine solche Dokumentation sei zwingend erforderlich, um sich später bei strafrechtlichen Ermittlungen abzusichern, erläutert der Erste Kreisrat Thorsten Heinze. Er verweist auf die Ereignisse rund um die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal, wo die Behörden kein gutes Bild abgaben. Als dann die Kreisbaurätin mit ihrer Schicht übernimmt, verschlechtert sich die Lage weiter. "Die Trainer haben immer wieder neue Szenarien eingespielt. Wenn wir gerade dachten, eine Situation im Griff zu haben, kam eine neue Schreckensnachricht." Richtig ernst sei es dann geworden, als hieß: Blackout im gesamten Kreisgebiet für mindestens vier Stunden.
Notstromaggregate für den Krisenfall
Dieser Teil der Übung lag Landrat Kai Seefried besonders am Herzen: "In diesen Krisenzeiten hat der Katastrophenschutz einen wesentlich höheren Stellenwert als früher. Dabei bildet das kürzlich fertig ausgearbeitete Papier zum Blackout eine wichtige Grundlage." Das Papier sieht u.a. vor, dass bei einem großflächigen Stromausfall in den Kommunen zentrale Anlaufstellen entstehen. In den sogenannten "Leuchttürmen" laufen alle Fäden auf örtlicher Ebene zusammen. Damit diese im Ernstfall dauerhaft einsatzbereit sind, hat der Landkreis etliche Notstromaggregate angeschafft und reichlich Diesel gebunkert. Über die Aggregate sollen auch die Funkmasten mit Strom versorgt werden. Der Krisenstab selbst wird die Kommunikation über Satellitentelefone sicherstellen.
Auch die medizinische Versorgung muss bei einem Blackout gewährleistet bleiben. Für das Stader Elbe Klinikum steht in diesem Fall eine riesige Stromquelle in Containerform bereit. "Wir können damit die Stromversorgung des Krankenhauses zu 100 Prozent aufrechterhalten", sagt Seefried. Schwieriger sieht es bei den Seniorenheimen aus. Die müssen prinzipiell selbst für Notfälle vorsorgen - etwa bei Bewohnern, die beatmet werden. Doch es fehlen dafür klare Vorgaben. Der Landkreis habe die Betreiber auf die Problematik angesprochen, so Seefried.
Bürger müssen selbst vorsorgen
Der Landrat macht außerdem deutlich: Die Bevölkerung kann im Ernstfall nicht mit individueller Hilfe rechnen. Aufgabe des Landkreises sei es, allgemeine Gefahren abzuwenden und nach Möglichkeit die kritische Infrastruktur aufrechtzuerhalten. Daher sein Appell: "Jeder Bürger steht selbst in der Verantwortung, persönliche Vorsorge zu treffen, in dem er u.a. Notvorräte anlegt." Um bei einem Stromausfall an Informationen zu gelangen, sollte sich jeder ein batteriebetriebenes Radio zulegen.
Viele wichtige Infos zum Thema Katastrophenschutz und zur persönlichen Vorsorge bietet die gemeinsame Serie mit dem Landkreis, die im Frühjahr im WOCHENBLATT erschien. Alle Folgen sind hier online nachzulesen: Katastrophenschutz-Kampagne.
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