Familie mit vier Kindern nachts aus Drochtersen abgeschoben
tk. Drochtersen/Stade. Ignoriert das Land den politischen Willen der Stader Kreispolitik? Nächtliche Abschiebungen von Flüchtlings-Familien mit Kindern sollte es nicht mehr geben. Am Mittwochabend gegen 23 klingelte die Polizei bei einer albanischen Familie in Drochtersen. Die Eltern und ihre vier Kinder im Alter von zwei bis 14 Jahren wurden nach Frankfurt gebracht und von dort nach Tirana (Albanien) geflogen. Nach dem Abschiebe-Skandal um Familie Fazlijaj aus Fredenbeck vor zwei Jahren hatte der Stader Kreisausschuss beschlossen, dass sich so etwas nicht mehr wiederholen dürfe.
Das ist der aktuelle Fall: Der Asylantrag der Familie aus Albanien wurde abgelehnt. Unter anderem deshalb, weil das Verwaltungsgericht Stade überwiegend wirtschaftliche Gründe für die Einreise nach Deutschland sah. Der Stader Anwalt Jens Hake hatte versucht, die drohende Abschiebung mit einem Eilantrag abzuwenden. Ein Sohn habe mutmaßlich eine Behinderung. Das müsse erst zu Ende diagnostiziert werden. Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag am Mittwoch zurückgewiesen.
Selbst Kritiker des deutschen Asylrechts sehen in der grundsätzlichen Bewertung dieses Falles keinen Skandal. Nach geltendem Recht sei die Entscheidung richtig. Die Familie habe auch keinen Antrag bei der Härtefallkommission gestellt.
Drochtersens Bürgermeister Hans-Wilhelm Bösch sagt dennoch: "Ich bin irritiert." Irritiert darüber, dass das Land den Beschluss des Kreisausschusses offenbar ignoriert.
Landkreis-Dezernentin Nicole Streitz erklärt, dass es selbstverständlich sei, nächtiche Abschiebungen zu vermeiden. Besonders dann, wenn Kinder betroffen seien. Auch neue Regeln des Landes Niedersachsen zur so genannten Rückführung sollten eine solche nächtliche Polizeiaktion verhindern. In diesem Fall hätte alle beteiligten Behörden bis hin zu Innenminister Boris Pistorius abgewogen und die nächtliche Abschiebung letztendlich angesetzt.
Das Innenministerium erklärt auf WOCHENBLATT-Nachfrage, dass versucht wurde, die nächtliche Abholzeit zu vermeiden. Allerdings hätten die Flugrouten keine andere Lösung zugelassen. Zudem würden nicht alle Fluglinien Rückführungen dulden. "Es gab keine für die Familie günstigere Planung", so Pressesprecher Philipp Wedelich. Eine Zwischenübernachtung sei nur theoretisch denkbar, weil die Bewachung durch die Polizei auch in einem Hotel eine Ingewahrsamnahme ist und nur richterlich angeordnet werden dürfe. Richtig sei, dass aktuelle Fall mit dem Innenminister erörtert wurde. Allerdings die grundsätzlichen Fragen. Dabei, so sein Sprecher, ging es ausdrücklich nicht um die Abholzeiten.
Ob ein politischer Beschluss des Stader Kreisausschusses ausgehebelt wurde, will das Innenministerium nicht bewerten. Es spielt den Ball zurück nach Stade: Die zuständige Ausländerbehörde sitze dort. (Die gesamte Erklärung des Innenministeriums lesen Sie online hier)
Anders als im Fall Fazlijaj wurden die Betroffenen vorher über den Zeitpunkt ihrer Abschiebung informiert. Ein Dolmetscher wurde auf Antrag Landkreises dazu geholt. Eine freiwillige Ausreise haben sie laut Streitz abgelehnt. "Abschiebung ist immer das letzte Mittel", so die Kreis-Dezernentin.
Rechtsanwalt Jens Hake sieht in dem Fall keinen Abschiebe-Skandal - zieht aber als Fazit: "Letztendlich ist eine Abschiebung immer inhuman."
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