Vorfall sorgt bei Landkreis und DRK für Entsetzen
Gewalt-Attacke gegen Notfallsanitäterin in Stade-Bützfleth
Gewalt gegen Helfer: Es gibt bundesweit immer häufiger Attacken gegen Rettungskräfte im Einsatz. Auch im Landkreis Stade ereignen sich vermehrt solche Fälle. Für Entsetzen sorgte jetzt ein Vorfall aus der Stader Ortschaft Bützfleth. Dort wurde eine Notfallsanitäterin des Rettungsdienstes durch eine aggressive Patientin so schwer verletzt, dass sie im Krankenhaus behandelt werden musste und mehrere Tage krankgeschrieben ist. Der Landkreis Stade als Auftraggeber und das DRK als Betreiber des Rettungsdienstes verurteilen diese Tat aufs Schärfste.
Patientin wurde gewalttätig und spuckte
Sie kam, um zu helfen – und wurde attackiert: Die Notfallsanitäterin wurde von einer 20-jährigen Patientin, die sich zur Behandlung von offenen Wunden bereits im Rettungswagen befand, bei einem Einsatz in Stade-Bützfleth angegriffen. Die Retterin erlitt Verletzungen, die eine ärztliche Behandlung und eine Krankschreibung nach sich zogen. Die Polizei rückte mit zwei Streifenwagen an, die Patientin spuckte und trat auch in Richtung der Polizeibeamten und beleidigte sie.
Lebensgefährte ging auf Einsatzkräfte los
Gegen die 20-Jährige wird nun unter anderem wegen Körperverletzung und tätlichen Angriffen auf Einsatzkräfte ermittelt. Der 35-jährige Lebensgefährte der Patientin kam hinzu, versuchte die Behandlung seiner Partnerin zu unterbinden und ging ebenfalls auf die Einsatzkräfte los. Gegen ihn laufen Strafverfahren wegen Beleidigung, Bedrohung und tätlichen Angriffen auf Einsatzkräfte. Beiden droht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.
Landrat: "Angriff ist beschämend"
„Dieser Angriff ist beschämend“, sagt Landrat Kai Seefried. „Ich verurteile diese Attacke aufs Schärfste.“ Die Einsatzkräfte hätten Wertschätzung und Respekt verdient, die Gesellschaft müsse ihnen den Rücken stärken. In der Strafverfolgung müssten alle Möglichkeiten des Rechtsstaats ausgeschöpft werden. „Unsere Einsatzkräfte stehen ein für unseren demokratischen Rechtsstaat“, sagt der Landrat. „Wer Einsatzkräfte angreift, der greift diesen Staat an.“
„Helfende Hände schlägt man nicht“, sagt der Präsident des DRK-Kreisverbandes, Michael Roesberg. „Unsere Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter rücken aus, um Verletzte oder Verwundete zu versorgen. Sie leisten einen wichtigen Dienst für unsere Gesellschaft.“ Angriffe auf Rettungskräfte dürften nicht toleriert werden. Die gemeinsame Botschaft von Seefried und Roesberg ist eindeutig: „Null Toleranz bei Gewalt gegen Einsatzkräfte!“
Polizeipräsident ruft dazu auf, Übergriffe publik zu machen
Polizeipräsident Thomas Ring von der Polizeidirektion Lüneburg hatte bei der Vorstellung des Sicherheitsberichts der Polizei im Kreishaus kürzlich dazu aufgerufen, Übergriffe auf Einsatzkräfte publik zu machen, konsequent zu verfolgen und den Betroffenen den Rücken zu stärken. „Polizistinnen und Polizisten, Feuerwehrfrauen und -männer sowie Rettungskräfte helfen Menschen in Not, schützen unsere Demokratie und die Rechte jeder und jedes Einzelnen“, sagte Ring.
Auch Rainer Rempe, Landrat im Landkreis Harburg, verurteilt Übergriffe auf Rettungskräfte auf das Schärfste: „Die Tatsache, dass tätliche Angriffe gegenüber Rettungskräften immer öfter vorkommen, ist erschreckend und absolut nicht hinnehmbar. Diese Taten sind auf das Schärfste zu verurteilen und müssen unmittelbare und harte strafrechtliche Konsequenzen haben. Rettungskräfte leisten einen wichtigen und herausfordernden Job für uns alle. Dafür verdienen sie höchsten Respekt und Anerkennung."
Im Landkreis Harburg mussten sich Rettungskräfte bisher glücklicherweise selten Verstärkung holen, weil sie angegriffen wurden. Trotzdem befasst sich der Rettungsdienst des Landkreises Harburg aktuell gemeinsam mit Kreisverwaltung und Polizei mit der Thematik. Geplant ist, zusammen mit der Polizei ein Konzept für Übergriffe auf Rettungskräfte zu entwickeln. Darin werden Deeskalation, Gesprächsführung, Gesprächstaktiken und auch die Selbstverteidigung sowie die Bewältigung in der Zeit nach Übergriffen behandelt.
"Jeder kann einmal auf schnelle Hilfe angewiesen sein"
"Jede und jeder von uns kann einmal darauf angewiesen sein, schnell Hilfe zu bekommen", so Rainer Rempe. "Das sollten sich auch all jene ins Bewusstsein rufen, die Rettungskräfte verbal oder körperlich attackieren oder Videos solcher Attacken in den sozialen Netzwerken ansehen und verbreiten. Wir alle sind dafür verantwortlich, in welcher Gesellschaft wir leben, und sollten uns gegen Gewalt und Aggression stark machen.“
Um diesen Vorfall geht es
Der Vorfall ereignete sich in der vergangenen Woche. Aus welchen Gründen auch immer: Von der Stader Polizei gab es dazu keine Pressemitteilung. Die Attacke wurde erst jetzt publik, weil der Landkreis Stade auf die zunehmende Gewaltproblematik gegen Einsatzkräfte aufmerksam gemacht hat.
Das WOCHENBLATT hakte bei der Polizei nach. Laut dem stellvertretenden Stader Polizeisprecher Matthias Bekermann hat sich der Fall wie folgt zugetragen:
Gegen 7 Uhr morgens ging ein Notruf ein, wonach sich am Obstmarschenweg in Bützfleth eine Person aus dem Fenster gestürzt haben soll. Vor Ort traf der Rettungsdienst auf eine 20-jährige Frau und deren 35-jährigen Lebensgefährten. Beide behaupteten, dass niemand aus dem Fenster gesprungen sei. Die Frau wies allerdings leichte Verletzungen auf, die geblutet haben. Sie wurde zur Behandlung der Wunden in den Rettungswagen gebracht. Das passte offenbar dem Mann nicht, der die Rettungskräfte anpöbelte. Daraufhin soll die Frau aufgesprungen und laut Bekermann "durchgedreht" sein. Die aufgebrachte Patientin schlug auf eine 47-jährige Rettungssanitäterin ein, die durch die Attacke verletzt wurde.
Alarmiert vom Rettungsdienst, rückte zwischenzeitlich die Polizei mit zwei Streifenwagen an. Die Beamten mussten eingreifen, da die Situation weiter eskalierte. Denn der Notarzt hatte entschieden, dass die Frau in die Elbe Kliniken gebracht wird, um von einem Psychiater untersucht zu werden. Dies erfolgte mithilfe der Polizisten unter Zwang, da sich die Patientin mit Händen und Füßen dagegen wehrte. Der Lebensgefährte mischte sich erneut ein und attackierte die Beamten. Gegen ihn wird nun wegen eines tätlichen Angriffs auf Einsatzkräfte ermittelt. Auch gegen die Frau läuft deswegen eine Anzeige. Hier kommen wohl noch die Straftatbestände der Bedrohung und Beleidigung hinzu. Sie soll auf der Fahrt ins Krankenhaus eine breite Palette an Schimpfwörtern ausgestoßen haben. Der Facharzt im Elbe Klinikum sah aber keinen Anlass für eine Einweisung in die Psychiatrie, sodass die Frau wieder in die Freiheit entlassen wurde.
Was den Fall noch skurriler macht: Vor dem Einsatz des Rettungsdienstes soll das Pärchen laut Polizei bereits eine 60-jährige Nachbarin bepöbelt und angegriffen haben, sodass die ältere Dame zu Boden ging. Sie kam ins Krankenhaus. In diesem Fall ermittelt die Polizei wegen vorsätzlicher Körperverletzung. Fest steht: Der Mann war alkoholisiert. Beim Pusten wurden 1,6 Promille festgestellt. Die Frau dürfte sich nach Angaben der Polizei wohl in einem "psychischen Ausnahmezustand" befunden haben. Beide Personen sind polizeibekannt.
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