Laut niedersächsischem Innenministerium bestand akute terroristische Anschlagsgefahr
Mutmaßlicher Islamist: Polizei durchsuchte Wohnung in Drochtersen
jd/ig. Stade/Lüneburg. Die Polizei wurde am vergangenen Freitag in den Landkreisen Stade und Lüneburg aktiv, um einen islamistischen Terroranschlag zu vereiteln. Das niedersächsische Innenministerium sprach von "einer akuten terroristischen Anschlagsgefahr", die dank des Polizeieinsatzes gebannt werden konnte. Im Landkreis Stade durchsuchten die Einsatzkräfte eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in Drochtersen, zu der sie sich mit Gewalt Zutritt verschafften. Die Beamten hatten die Wohnungstür aufgebrochen.
Der Einsatz in Drochtersen stand im Zusammenhang mit der Festnahme eines 19-Jährigen im Landkreis Lüneburg. Der junge Mann, der am Freitag im Rahmen der Polizeiaktion festgenommen wurde, soll ein mutmaßlicher Islamist sein. Er hatte zuvor in der von der Polizei gestürmten Wohnung in Drochtersen bei seinen Eltern gewohnt und war dann zu seinem Onkel nach Barum im Landkreis Lüneburg gezogen, weil er in der Nähe einen Job angenommen hatte. Er soll an seinem Arbeitsplatz festgenommen worden sein.
Bei den Behörden sollen zuvor laut Polizeiangaben konkrete Hinweise eingegangen sein, dass möglicherweise ein Anschlag geplant sei. In Internet-Chats ging es wohl um Pläne, Attentate auf Polizeidienststellen zu verüben. Die Polizei sprach "von ernstzunehmenden Hinweisen auf unmittelbar bevorstehende schwere Straftaten".
Der festgenommene 19-Jährige - es handelt sich nach WOCHENBLATT-Informationen um einen gebürtigen Tschetschenen - wird von den Sicherheitsbehörden der islamistischen Szene zugerechnet. Er ist dem Amtsgericht Lüneburg vorgeführt worden und befindet sich nun in einem sogenannten Langzeitgewahrsam. Diese Form der Haft ist zur Gefahrenabwehr auf richterlichen Beschluss möglich und kann bis zu 14 Tage andauern.
Bei der Erstürmung der Wohnung in der Drochtersener Grefenstraße waren neben Streifenpolizisten auch Kräfte eines Spezialeinsatzkommandos vor Ort. An der Adresse leben noch die Eltern des 19-Jährigen mit dessen Geschwistern. Die Familie soll vor drei Jahren über Georgien nach Deutschland gekommen sein. Einige Mitbewohner aus dem Mehrfamilienhaus hatten den Einsatz mitbekommen, ahnten aber nicht, dass es sich um eine Anti-Terror-Aktion handele. "Ich dachte, das geht um eine Abschiebung", erklärte ein Nachbar gegenüber dem WOCHENBLATT. Nach seinen Angaben habe es bei der Familie häufiger Ärger gegeben. Die Polizei sei öfter vor Ort gewesen.
Von dem Einsatz existiert ein Video auf Facebook. Ein Bewohner aus dem Nachbarhaus hatte davon Szenen gepostet. Auf diesen ist zu sehen, wie sich vermummte Polizisten auf die Wohnung zubewegten. In Drochtersen brodelte kurz darauf die Gerüchteküche: Es war u.a. von einer wilden Schießerei und einer Verfolgungsjagd auf die benachbarte Elbinsel Krautsand die Rede, wo sich die Flüchtigen angeblich auf einem Bauernhof verbarrikadiert hatten.
Nach WOCHENBLATT-Informationen sollen der Onkel sowie der Vater und ein Bruder des 19-Jährigen mit auf die Wache genommen worden sein, um dort zum Teil stundenlang verhört zu werden. Auf WOCHENBLATT-Anfrage erklärte ein Polizeisprecher aus Lüneburg, dass bei den Durchsuchungen in Drochtersen und Barum verschiedene "elektronische Medien" sichergestellt worden seien. Diese werte man nun aus. Ansonsten heißt es seitens der Polizei nur, dass die Ermittlungen weiter andauern. Weitere Einzelheiten wolle man aus taktischen Gründen nicht nennen. Nach Angaben der Polizei soll derzeit kein Bezug zu der kürzlich begangenen Tat in Wien ersichtlich sein.
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) zeigte sich zufrieden mit dem raschen Handeln seitens der Sicherheitsbehörden: "Ich bin dankbar, dass diese sehr schnell und konsequent auf aktuelle Erkenntnisse reagiert und alle Maßnahmen getroffen haben, um einen möglichen islamistisch motivierten Anschlag zu verhindern. Mein ausdrücklicher Dank gilt hier auch den Bundesbehörden." Die Zusammenarbeit auf Bundes- und Landesebene habe gut funktioniert. "Die akute Gefahrenlage ist entschärft."
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