Null Toleranz bei Übergriffen auf Helfer

"Stopp" sagen die Vertreter der Feuerwehr und der Hilfsorganisationen im Landkreis. Sie sind sich einig, dass Tätern, die Einsatzkäfte attackieren oder anpöbeln, Einhalt geboten werden muss. Verbale und körperliche Übergriffe auf ehrenamtliche Helfer werden von ihnen künftig konsequent zur Anzeige gebracht
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Zahl der Attacken im Landkreis Stade nimmt zu: Kommunen wollen Hilfsorganisationen den Rücken stärken

jd. Stade. Es vergeht in Deutschland kaum noch ein Tag, an dem nicht über Attacken auf Einsatzkräfte berichtet wird. Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungssanitäter werden angepöbelt, bedrängt oder bedroht, manchmal werden die aggressiven Täter sogar gewalttätig. Auch im Landkreis Stade nehmen die (verbalen) Übergriffe gegen Beamte und Retter zu. Angesichts der Vorfälle der vergangenen Wochen bei Feuerwehreinsätzen in Stade und Buxtehude sowie bei einem Unfall in Assel (siehe Kasten) hat Landrat Michael Roesberg jetzt Alarm geschlagen und Vertreter von Strafverfolgungsbehörden, Kommunen und Hilfsorganisationen an den Tisch geholt, um sich mit ihnen über das Problem auszutauschen. Das Fazit: Keinerlei Toleranz gegenüber den Tätern und mehr Hilfe für die Helfer, wenn sie in Bedrängnis geraten.

"Unerträglich" - immer wieder verwendet Roesberg diese Vokabel, um deutlich zu machen, dass Bedrohungen und Handgreiflichkeiten gegenüber Rettungskräften und Polizeibeamten nicht länger hinnehmbar sind. "So darf das nicht weitergehen. Wir treten dem entgegen und stellen uns schützend vor unsere Leute", erklärt Roesberg nach der Gesprächsrunde mit den Führungskräften. Viele Menschen würden immer weniger Respekt vor Behördenvertretern und speziell Uniformträgern zeigen. Gaffer, Besserwisser und hochgradig aggressive Personen sollen für ihr Verhalten künftig konsequenter zur Rechenschaft gezogen werden, so Roesberg: "Wir werden jetzt bei jedem Vorfall Anzeige erstatten."

Auf eine konsequente Strafverfolgung setzt auch die Polizei. "Beleidigungen wurden von den Beamten bisher oft geduldet. Künftig werden auch diese Fälle angezeigt", sagt der Leiter der Polizeiinspektion Stade, Polizeidirektor Torsten Oestmann. Er verweist auf eine deutliche Zunahme der Übergriffe auf Polizisten. 2015 ereigneten sich 111 Vorfälle im Kreisgebiet, 2018 waren es bereits 147 Taten - ein Anstieg von immerhin 32 Prozent. Täter müssen mit harten Strafen rechnen: Er habe für sein Haus die Parole "null Toleranz" ausgegeben, so der leitende Oberstaatsanwalt Hartmut Nitz. "Es landen reihenweise Fälle vor Gericht, bei denen Polizisten bepöbelt werden", erklärt der Chef der Staatsanwaltschaft Stade.

Dass Polizisten und sogar zunehmend Retter bei der Ausübung ihres Dienstes behindert werden, ist für Nitz ein "neues Phänomen in unserer Gesellschaft". Es sei "schick" geworden, sich gegenüber den Repräsentanten des Staates und Uniformierten allgemein aggressiv zu verhalten und diese Übergriffe sogar zu filmen, um sie im Internet zu verbreiten. "Solche Menschen werden in den sozialen Netzwerken dann auch noch als Helden gefeiert", ärgert sich Nitz.

Die Runde bestätigt Nitz' Einschätzung, dass die verbalen und zunehmend auch körperlichen Attacken nicht nur von Personen aus einem einschlägigen Milieu ausgehen. Die Täter würden aus allen sozialen Schichten stammen. So hat es die Feuerwehr laut Kreisbrandmeister Peter Winter nicht selten mit Fahrern von Nobelkarossen zu tun, die bei Unfällen einfach die Absperrung umfahren und die dort eingesetzten Kameraden zudem noch beschimpfen, weil es nicht weitergeht.

Winter zeigt sich schockiert, dass jetzt auch Feuerwehrleute tätlich angegriffen werden: "Früher blieb es bei Pöbeleien. Dass nun auch Gewalt im Spiel ist, trifft mich stark." Mittlerweile richten die Hilfsorganisationen Schulungen aus, damit sich die Retter auf solche Situationen besser einstellen können. "Wir bieten ein Deeskalationstraining, aber auch Kurse in Selbstverteidigung an", berichtet Martin Lobin vom DRK-Rettungsdienst.

Stades Bürgermeisterin Silvia Nieber und Himmelpfortens Rathauschef Holger Falcke betonen als Vertreter der Kommunen, dass die Städte und Gemeinden im Landkreis Betroffenen zur Seite stehen, wenn diese bei Einsätzen Übergriffen ausgesetzt sind. Den Hilfsorganisationen müsse der Rücken gestärkt werden, so Nieber. Und Falcke ergänzt: "Es ist ein Trauerspiel, dass wir überhaupt an diesem Punkt angekommen sind." Daher begrüße er diesen Schulterschluss aller Beteiligten. An die Täter müsse eine unmissverständliche Botschaft gerichtet werden, fordert Nieber: "Stopp und kein Stück weiter."

Attacken auf die Retter

Seit dem Jahreswechsel hat es im Landkreis Stade bereits drei massive Übergriffe gegeben: In der Silvesternacht sahen sich Feuerwehr und Polizei im Altländer Viertel in Stade Angriffen ausgesetzt. Am 22. Januar wurde ein Feuerwehrmann in Buxtehude angegriffen und beleidigt, als er brennende Spraydosen zwischen den Bahngleisen löschte, und am 27. Januar attackierte das schwerverletzte, unter Alkoholeinfluss stehende Opfer eines Verkehrsunfalls in Asselermoor Polizeibeamte und Retter.

Bürger sollen Zivilcourage zeigen

Es passiere ja ohnehin nichts, wenn man wegen Beleidigung oder Nötigung Anzeige erstatte: Dieser Einschätzung mancher Rettungskräfte möchte Oberstaatsanwalt Hartmut Nitz entgegenwirken. Jeder Übergriff werde strafrechtlich verfolgt. In diesem Zusammenhang fordert Nitz die Bürger auf, Zivilcourage zu zeigen und Helfern zur Seite zustehen, wenn diese bedrängt werden.
Nitz richtet die Bitte an alle, die entsprechende Vorfälle beobachten, sich in Strafverfahren als Zeugen zur Verfügung zu stellen. "Menschen, die Mut haben, mit ihrer Aussage zur Verurteilung eines Täters beizutragen, sind für die Anklage Gold wert." 

"Stopp" sagen die Vertreter der Feuerwehr und der Hilfsorganisationen im Landkreis. Sie sind sich einig, dass Tätern, die Einsatzkäfte attackieren oder anpöbeln, Einhalt geboten werden muss. Verbale und körperliche Übergriffe auf ehrenamtliche Helfer werden von ihnen künftig konsequent zur Anzeige gebracht
Polizei, Behörden und Hilfsorganisationen üben den Schulterschluss. Übergriffe gegen Einsatzkräfte wollen sie nicht mehr tolerieren  Foto: jd
Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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