Asylbewerber hatte Beamte mit Hantelstange angegriffen
Polizist erschießt jungen Mann aus Afghanistan
tk/jd. Stade. Ein Asylbewerber (19) aus Afghanistan ist am Samstagabend bei einem Polizeieinsatz in Stade-Bützfleth angeschossen worden und starb wenig später an den lebensgefährlichen Verletzungen. Laut Polizei soll es in der Unterkunft, in der sechs Menschen leben, zuvor zu einem Streit gekommen sein. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Stade soll der junge Mann die Polizeibeamten angegriffen haben.
Laut offizieller Darstellung wurde am Samstagabend über den Notruf die Polizei alarmiert, weil in dem Haus am Ortsrand von Bützfleth zwei Bewohner in eine Auseinandersetzung geraten sein sollen. Nach WOCHENBLATT-Informationen stellt sich der Sachverhalt etwas anders dar: Der Afghane soll Mitbewohner und Nachbarn lediglich durch laute Selbstgespräche und lärmende Musik belästigt haben. Wie Oberstaatsanwalt Kai Thomas Breas, Sprecher der Staatsanwaltschaft Stade, mitteilt, war der 19-Jährige bereits bei der Polizei bekannt. Daher seien gleich zwei Streifenwagen zum Einsatzort gefahren. Strafrechtlich sei der 19-Jährige aber nicht aufgefallen. Es sei wegen kleinerer Delikte wie Ruhestörung bekannt gewesen. Ein Verfahren wegen Nachstellens wurde aufgrund von Geringfügigkeit eingestellt.
Als die ersten beiden Beamten in Bützfleth eingetroffen waren, sprachen sie den Mann durch ein offenes Fenster an. Der soll darauf nicht reagiert haben. Als die Verstärkung vor Ort war, gingen die vier Polizeibeamten in das Haus. Der Mann soll sie mit einer Hantelstange aus Eisen attackiert haben. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft sollen mehrere Beamte Pfefferspray eingesetzt haben, um den Angreifer zu stoppen. Das sei aber wirkungslos geblieben. Daraufhin habe einer der Beamten seine Dienstwaffe gezogen und geschossen. Der 19-Jährige wurde getroffen. Eine Notärztin und die Besatzung eines Rettungswagens konnten ihm nicht mehr helfen.
Laut zuverlässigen Quellen hatte der Getötete psychische Probleme. Er befand sich deswegen im vergangenen Jahr in stationärer Behandlung im Elbe Klinikum und bekam auch Medikamente verschrieben, die er nicht immer zuverlässig eingenommen haben soll. Aufgrund seiner psychischen Erkrankung soll der 19-Jährige auch eine Tischlerlehre bei einem Betrieb im Alten Land abgebrochen haben.
Der junge Flüchtling fiel am Samstagmorgen noch in Bützfleth auf, weil er zu den ganz wenigen gehörte, die in aller Frühe einen Umzug der Schützen begleiteten. Bützfleths Ortsbürgermeister Sönke Hartlef erfuhr wie Stades Bürgermeisterin Silvia Nieber bei der Eröffnung des Holk-Festes von dem tödlichen Zwischenfall. "Gemeinsam mit dem Bereitschaftsdienst unserer Verwaltung haben wir uns umgehend um eine anderweitige Unterbringung der fünf Mitbewohner gekümmert", berichtet Hartlef. Sie sollen nicht wieder in das Haus zurückkehren, wenn sie es nicht wünschen.
Weil das Haus als Tatort amtlich versiegelt ist, kommen die Bewohner derzeit auch nicht an ihre persönlichen Sachen heran. Sie hätten daher schon Kleidung aus der Kleiderkammer erhalten, so Hartlef. Am Sonntag habe sich bereits die Pastorin und eine ehrenamtliche Flüchtlingshelferin mit den Männern zu einem intensiven Gespräch zusammengesetzt, um das Erlebte zu verarbeiten.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Totschlags gegen den Polizeibeamten. Wobei ein besonderes Augenmerk darauf gelegt werde, ob der Polizist in Notwehr gehandelt habe, so Sprecher Kai Thomas Breas. Ob ein- oder mehrfach geschossen wurde - das wollen Anwohner gehört haben -, sei Gegenstand der Untersuchung. Die Ermittlungen werden von der Polizei aus Cuxhaven übernommen, damit Stader Beamte nicht gegen ihre eigenen Kollegen vorgehen müssen.
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