Stader Brandschützer kritisieren Missstände
Wenn Feuerwehrleute Museums-Helme tragen müssen

Die Feuerwehr löscht einen Autobrand (Archivbild). Helme gehören zur Grundausstattung. Doch in Stade fehlten sie. | Foto: Feuerwehr Stade
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  • Die Feuerwehr löscht einen Autobrand (Archivbild). Helme gehören zur Grundausstattung. Doch in Stade fehlten sie.
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Die Freiwillige Feuerwehr Stade hielt am vergangenen Wochenende ihre Jahreshauptversammlung ab. Normalerweise hat diese Zusammenkunft ihren festen Ablauf. Der Ortsbrandmeister hält seinen Jahresbericht. Vertreter von Verwaltung und Politik sowie Gäste sprechen Grußworte, nach jeder Rede wird mit einem dreifachen "Gut Schluck" der Feuerwehr zugeprostet. Danach erfolgen Ehrungen und Beförderungen. Doch diesmal hatte es der letzte Tagesordnungspunkt "Verschiedenes" in sich. Dort kam der bei vielen Feuerwehrleuten aufgestaute Ärger über die großen und auch kleinen Unzulänglichkeiten in seltener Offenheit zur Sprache. Das WOCHENBLATT thematisiert die vorgebrachte Kritik, da diese durchaus berechtigt ist. Aber es soll auch die im Vorjahr geleistete Arbeit der Stader Feuerwehr nicht zu kurz kommen. Darüber wird weiter unten ausführlich berichtet.

Zunächst geht es aber um die kritischen Themen:

Museums-Helme als Ersatz

Was sich nach einem schlechten Scherz anhört, ist in Stade offenbar bittere Realität: Bei der Ortsfeuerwehr der Hansestadt gibt es nicht genügend Feuerwehrhelme. Daher mussten einige neue Feuerwehrleute zunächst mit Helmen vorliebnehmen, die aus dem Museum im Gerätehaus stammen. Die Helme aus der Museumsvitrine sind aber nicht der einzige Missstand, wie jetzt auf der Jahreshauptversammlung deutlich wurde.

Es hieß schon länger, dass es hinter den Kulissen bei der Stader Feuerwehr brodelt. Bei den Aktiven herrscht Frust über fehlende Ausstattung, kaputte Ausrüstung und zu alte Fahrzeuge. Jetzt machten die Feuerwehrleute auf der Jahreshauptversammlung ihrem Unmut Luft: Der letzte Tagesordnungspunkt "Verschiedenes" wurde genutzt, um reichlich Kritik vorzutragen.

"Beschaffungsstau" bei Stader Feuerwehr?

Ortsbrandmeister Stephan Woitera hatte zuvor in seinem Bericht bereits auf Probleme hingewiesen - hauptsächlich beim Fahrzeugpark. So werden in diesem Jahrzehnt allein sieben größere Feuerwehrautos die Altersgrenze von 25 Jahren überschreiten. Ausfälle der "betagten" Fahrzeuge dürften sich häufen und die Ersatzteilbeschaffung werde immer schwieriger, so Woitera. Er verwies auf die mittlerweile mehrjährigen Lieferzeiten bei Neufahrzeugen, was die Situation noch erschwere. "Es besteht hier meiner Meinung nach akuter Handlungsbedarf."

Alte Fahrzeuge, kaputte Einsatzkleidung

Dass Woitera mit dieser Meinung nicht allein steht, machte der stellvertretende Zugführer Christian Hühnke deutlich. Er benannte die gravierendsten Mängel. Dazu zählt neben dem alters- und verschleißbedingten (aufgrund der hohen Einsatzzahlen) Ausfall von Einsatzfahrzeugen - darunter immer häufiger die wichtige Drehleiter - vor allem die fehlende Einsatzkleidung.

Was Hühnke vortrug, hatte es in sich: So wurden einige Neulinge der Einsatzabteilung aus Mangel an Helmen zunächst mit Exponaten aus der Museumsvitrine ausgestattet, andere konnten nicht zu Einsätzen ausrücken, weil Kleidungsstücke in ihrer Größe fehlen. Zudem sei die Einsatzkleidung zahlreicher Feuerwehrleute beschädigt und verschlissen. Ein anderer Feuerwehrmann teilte die Kritik und machte deutlich, dass intakte Einsatzkleidung "essentiell wichtig" sei, um den Träger vor Gefahren zu schützen.

Weitere Kritikpunkte: Die unbeleuchtete Zufahrt zum Gerätehaus, deren holperiges Pflaster eine Gefahr darstelle, dann die vielen kaputten Lampen in der Fahrzeughalle, aufgeplatzte Fliesen als Stolperfalle und fehlender Platz für Spinde, von denen jetzt einige als Notlösung direkt bei den Fahrzeugen platziert wurden. Für seine offenen Worte erhielt Hühnke tosenden Beifall aus der Versammlung.

Stader Rathausspitze führt Gespräch mit Feuerwehrführung

Woitera räumte ein, dass die vorgetragene Kritik sachlich korrekt sei. "Diese Dinge müssen alle angegangen werden." Die Missstände beim Gerätehaus seien der zuständigen Stelle, der stadteigenen Gebäudewirtschaft Stade (GWS), durchaus bekannt. Es müsse wohl mehr Druck aufgebaut werden, damit Probleme schneller abgearbeitet werden.

Der Vertreter der Stadt, Stadtrat Carsten Brokelmann, zeigte sich betroffen. Im Grußwort hatte Brokelmann zuvor noch betont, dass die Verwaltung stets ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Feuerwehr habe. Brokelmann versprach: "Wenn Helme benötigt werden, dann werden sie auch bestellt." Auch die Politik äußerte sich: "Ich bin erstaunt, welche Probleme es bei der Feuerwehr gibt", erklärte FDP-Ratsherr Sven Feldtmann, der dem Feuerwehrausschuss angehört: "Warum wusste der Ausschuss bisher nichts davon?"

Abfrage offenbart schlechte Stimmung im Zug II

Wie schlecht die Stimmung unter den Feuerwehrleuten ist, zeigt eine kürzlich erfolgte Abfrage unter den Angehörigen des Zuges II, die dem WOCHENBLATT vorliegt. Das WOCHENBLATT zitiert einige Passagen aus den Antworten.

Bei der Frage, was sich die Feuerwehrleute von Politik und Verwaltung wünschen, steht die Erneuerung des Fuhrparks bei den Antworten an oberster Stelle. "Neubeschaffungen müssen zeitnah umgesetzt werden", so die Forderung. "Sonst haben wir bald wieder Fahrzeuge, die 30 Jahre alt sind." Schließlich gehe es um die Sicherheit der Bürger in Stade. In einer Antwort wird die Sorge konkret benannt: "Ich habe Angst, dass unsere Drehleiter in dem Moment ausfällt, wenn diese Menschen retten muss."

Auch das Thema Bekleidung wird immer wieder angesprochen. Die Einsatzkleidung müsse in ausreichender Menge vorhanden sein. "Am Schutz der Einsatzkräfte darf man nicht sparen" - so oder ähnlich lauten die Antworten. Entsprechend müsse auch das Budget für die Feuerwehr erhöht werden, so eine weitere Forderung, die von vielen der Befragten vorgebracht wird. Sie sehen die Politik in der Pflicht. "Ein einfaches Danke reicht nicht mehr", schreibt jemand.

Mehr Wertschätzung gefordert

Allgemein erwarten die Feuerwehrleute mehr Anerkennung für ihre geleistete Arbeit. "Wertschätzung" ist in diesem Zusammenhang der am häufigsten genannte Begriff. "Den Belangen der Feuerwehr nicht nur im Wahlkampf Gehör schenken", wünscht sich ein Aktiver des zweiten Zuges, mehr Gehör und Mitspracherecht der Feuerwehr bei der Fahrzeugbeschaffung und baulichen Maßnahmen ein anderer. In einer weiteren Antwort wird der Wunsch geäußert nach "weniger Vernachlässigung durch den 'Brandschutzausschuss' (gemeint ist der Stader Ausschuss für Feuerwehr, Sicherheit und Verkehr), welcher nicht im Sinne der Brandschützer handeln will".

Auch mögliche Konsequenzen werden angedacht. Der Vorschlag: "Wenn die Stadt nicht einlenkt, gemeinsam mit Zug 1 ein Zeichen setzen und die Brandsicherheitswachen nicht mehr besetzen."

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Trotz aller Widrigkeiten leisteten die Stader Feuerwehrleute aber hervorragende Arbeit. Mehr dazu hier:

Einsatzzahlen stiegen 2022 deutlich an

120-mal mussten sie im vergangenen Jahr mitten in der Nacht raus und an Wochenenden wurden sie sogar 270-mal zu Einsätzen gerufen: Wenn andere im Bett liegen oder ihre Freizeit genießen, leisten die 168 Aktiven der Freiwilligen Feuerwehr Stade ihren ehrenamtlichen Dienst für die Gesellschaft. Weil sie zu jeder Tages- und Nachtzeit rasch vor Ort waren und zügig Hilfe leisteten, wurden im Vorjahr 180 Menschen bei Bränden, Unfällen oder aus anderen Notlagen gerettet bzw. in Sicherheit gebracht. Laut des Jahresberichts 2022, den Ortsbrandmeister Stephan Woitera auf der Jahreshauptversammlung vortrug, gab es wesentlich mehr Einsatzstunden als im Jahr zuvor. Der Grund für diese erhebliche Steigerung liegt vor allem bei den Frühjahrsstürmen, die die Feuerwehr hauptsächlich im Februar in Atem hielten. Die Einsatzzahlen gingen aber auch allgemein in die Höhe.

Freiwillige Feuerwehr Stade ist Retter in der Not

So gab es 2022 insgesamt 199-mal Feueralarm. Das ist 22-mal mehr als 2021, wobei rund ein Drittel Fehlalarme bzw. blinde Alarme waren. Acht Feuer waren der Kategorie Großbrand zuzuordnen und elf galten als mittelgroßer Brand. Außerdem gab es Feueralarm bei 53 Kleinbränden und 57 sogenannten Entstehungsbränden. Von den Großbränden ereignete sich nur einer im Stadtgebiet: Im Februar stand auf dem Dach einer Firmenhalle im Gewerbegebiet Stade-Ottenbeck eine Photovoltaikanlage in Flammen. Dank des raschen Eingreifens der Feuerwehr konnte ein Totalverlust der Halle verhindert werden, sodass Millionenwerte gesichert wurden. Bei allen Bränden im Stadtgebiet entstand ein Schaden von fast 1,5 Millionen Euro. Dem stehen aber mehr als elf Millionen Euro an Sachwerten gegenüber, die durch den Einsatz der Stader Ortswehr erhalten blieben.

Fast 200-mal rückte die Stader Feuerwehr im Vorjahr aus, #+weil es Alarm wegen eines Brandes gab | Foto: Feuerwehr Stade
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Das brennende Katzenklo

"Hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt", sagt Woitera in Hinblick auf die 110 kleineren Brände. Von der kokelnden Bluetooth-Box unter der Bettdecke bis hin zum mit Zigarettenkippen vollgestopften Katzenklo ist offenbar so ziemlich alles in Brand geraten, was man sich vorstellen kann oder auch nicht. Die "Hitliste" führt wieder verschmortes Essen auf dem Herd an (22 Einsätze), gefolgt von elf Autobränden. Einige davon waren auf die Serie von Brandstiftungen zurückzuführen, die sich überwiegend im ersten Quartal ereigneten. Damit war Schluss, als die Polizei den Täter aufspürte.

Insgesamt 77-mal gab es Feuerwehreinsätze, weil Brandmeldeanlagen Alarm auslösten (62-mal) oder Rauchmelder piepsten (15-mal). In zwei Dritteln der Fälle waren es Fehlalarme. Doch bei immerhin 26 "echten" Alarmen konnten die Feuerwehrleute dank der nützlichen Geräte an der Zimmerdecke so rechtzeitig eintreffen, dass ein Ausbreiten des Feuers verhindert wurde. So konnten u.a. das Elbe Klinikum, das Altenheim Dorea, das Athenaeum, das Jugendhaus am Vorwerk und die Hauptschule Thuner Straße vor einem größeren Brand bewahrt werden.

Immer wieder Fehlalarme

Ärgerlich ist es, wenn die Feuerwehr wegen eines Fehlalarms ausrückt. Noch ärgerlicher ist es, wenn der falsche Alarm auf Nachlässigkeit und Gedankenlosigkeit zurückzuführen ist. Wieder einmal waren Asylbewerberunterkünfte "Spitzenreiter" hinsichtlich der ausgelösten Brandmeldeanlagen. Allein in zwei Unterkünften wurden 14 falsche Alarmierungen ausgelöst. "Die Art der Essenszubereitung, einhergehend mit mangelnder Reinlichkeit der Kochstellen, sind sehr häufig der Grund", so Woitera. Er hofft, dass sich die Situation hier mal verbessert.

Stephan Woitera wies auf die erheblichen Belastungen durch die vielen Einsätze hin  | Foto: jd
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Dauereinsätze wegen der Orkantiefs

Ein weiterer wesentlicher Aufgabenschwerpunkt sind die (technischen) Hilfeleistungen. Hier verzeichnete die Stader Ortsfeuerwehr im Jahr 2022 insgesamt 534 Einsätze. An erster Stelle sind hier die drei Orkantiefs im Februar zu nennen. "Fast fünf Tage stand die Stader Feuerwehr nahezu im Dauereinsatz", berichtete Woitera. Die 170 Sturmeinsätze führen die Statistik an, erst weit dahinter folgen die Türöffnungen und Rettungsaktionen bei steckengebliebenen Fahrstühlen (91 Einsätze).

Zum Bereich Hilfeleistungen zählen auch die Einsätze nach Verkehrsunfällen. 19-mal unterstützten die Stader Feuerwehrleute Polizei und Rettungsdienst, indem sie mittels Rettungsschere oder Spreizer eingeklemmte Personen aus den Autowracks befreite, ausgelaufenes Öl oder Benzin aufnahmen oder die Unfallstelle absicherten. Ein Vorfall, der nachdenklich macht, ereignete sich Ende November: Bei einem Autounfall in Stade-Süd wurden die Feuerwehrleute von einer aggressiven Menschenmenge bedrängt, als sie den Verunglückten helfen wollten. Erst ein massiver Polizeieinsatz sorgte dafür, dass die Retter ihre Arbeit erledigen konnten.

Auch technische Hilfeleistungen - wie hier bei einem Autounfall - gehören zum Aufgabenbereich der Feuerwehr | Foto: Feuerwehr Stade
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Bei der Wasserrettung verzeichnete die Stader Feuerwehr 22 Einsätze. Davon wurden 16 mit dem Boot ausgeführt und sechsmal gingen Taucher ins Wasser. Besonders zeitintensiv und aufwendig sei die Bergung von zwei Booten in der Schwinge und im Ruthenstrom gewesen, so der Ortsbrandmeister. Hervorzuheben unter den 29 Umwelteinsätzen ist der zweimalige Austritt von Chemikalien aus Kesselwaggons auf dem Gelände des Industriebahnhofes Stade-Brunshausen.

Junge Brandschützer werden zu Feuerwehrmännern und -frauen befördert. Ortsbrandmeister Woitera und andere Offizielle gratulieren   | Foto: jd
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Aus Anwärtern werden Feuerwehrleute

Keine Feuerwehrversammlung ohne Ehrungen und Beförderungen. Die Stader Feuerwehr wird gleich durch sieben Nachwuchskräfte verstärkt. Die folgenden Feuerwehranwärter sind zu Feuerwehrmännern bzw. -frauen befördert worden (Foto): Hannes Adami, Nikolas Bowe, Finn Eccarius, Jason Hinrichs, Zümra Kumru, Luis Schäfer, Jonas Schmidt und Achilleas Zimpos. Cayethano Gerken, Björn Hübner, Sebastian Späth und Bastian Suhr dürfen sich jetzt Oberfeuerwehrfrau bzw. -mann nennen. Daniela Schleicher und Florian Wiedenfeld haben nun den Dienstgrad von Hauptfeuerwehrfrauen bzw. -männern und Nikolaus Fechner wurde zum 1. Hauptfeuerwehrmann befördert. Für ihren tausendsten Einsatz wurden Tim Borchers, Rene Haase, Florian Jungclaus, Eike Schmitter und Kevin Weide geehrt.

Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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