Stades Landrat Kai Seefried kritisiert Rechtslage
Altländer Problemwolf: Keine Hoffnung auf schnellen Abschuss
Mit seinem jüngsten Urteil hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) hohe Hürden für den Abschuss eines Wolfes aufgestellt. Demnach muss die Tötung eines Wolfes der absolute Ausnahmefall sein. Wirtschaftliche Schäden bei den Nutztierhaltern reichen demnach als Begründung nicht aus, zudem müssen zuvor alle erdenklichen Maßnahmen zum Schutz von Herdentieren (hohe Zäune, Schutzhunde usw.) ausgeschöpft sein. Unterdessen geht das juristische Tauziehen um eine vom Landkreis Stade erlassene Abschussgenehmigung für einen Problemwolf im Alten Land weiter. Landrat Kai Seefried hat jetzt das weitere Vorgehen der Kreisverwaltung skizziert. Dabei findet er deutliche Worte für die gegenwärtigen rechtlichen Rahmenbedingungen.
Seefried meldet sich in einem Video zu Wort, das auf den Social-Media-Kanälen des Landkreises abrufbar ist. Zuvor hatte er mit Experten über das Thema gesprochen. Der Landrat macht sich keine Hoffnung auf eine rasche Entscheidung in dem juristischen Ringen um die Ausnahmegenehmigung. Ein Verein selbsternannter Wolfsschützer war in einem Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Stade gegen die Abschussgenehmigung vorgegangen. Das Gericht hat dem Landkreis bis auf Weiteres einen sofortigen Vollzug untersagt. Der Landkreis hat Widerspruch eingelegt, sodass das Verfahren in der nächsten Instanz vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg bearbeitet wird. Seit den Wolfsrissen im März und April im Alten Land sind bereits mehrere Monate vergangen. Noch einmal genauso lange könnte es dauern, bis sich das Oberverwaltungsgericht mit der Angelegenheit beschäftigt, erklärt der Chef der Kreisverwaltung.
Rechtliche Rahmenbedingungen sind problematisch
Seefried kritisiert die komplizierten rechtlichen Rahmenbedingungen in Sachen Wolf. Erst das lange Warten auf die DNA-Analyse, dann das aufwendige Erstellen einer Ausnahmegenehmigung und schließlich die vom Landesumweltministerium verlangte Vorab-Veröffentlichung der Genehmigung im Internet: Das Verfahren sei so schlicht nicht praktikabel, so der Landrat. Insbesondere die Vorab-Veröffentlichung sehe er kritisch. Seitens des Landes wird argumentiert, dass diese dem guten Miteinander mit den Naturschutzverbänden diene. Das überzeugt Seefried nicht. Seine Einschätzung: „Ehrlicherweise geht es nur darum, dass die Naturschutzverbände die Chance haben, sich auf eine solche Genehmigung gut vorzubereiten und ihre Widersprüche zu erstellen.“ So sei es auch in diesem Fall gewesen: Bereits wenige Stunden nach dem Inkrafttreten der Genehmigung ging - wie zu erwarten war - der Widerspruch ein.
In Niedersachsen sind mehr Wölfe als in ganz Schweden
Der Landrat verweist auf die bereits jetzt hohe Wolfsdichte in Niedersachsen mit rund 600 Tieren – Tendenz steigend. In Norwegen und Schweden – immerhin zehnmal so groß wie Niedersachsen – bilden 400 Wölfe den „guten Erhaltungszustand“ des Wolfes. „Aus meiner Sicht sind wir mit den 600 Wölfen in Niedersachsen schon deutlich in der Position des ‚guten Erhaltungszustandes‘ – und in einer Position, in der wir ein Miteinander schon längst nicht mehr ermöglichen können“, betont Seefried.
Immer noch kein Schnellabschuss zugelassen
2023 wurden in Gräpel an der Oste 55 Schafe von einem Wolf getötet – es war eine der größten Attacken eines Wolfes auf Nutztiere in der Bundesrepublik. Das sei ein Weckruf gewesen, der bundesweit Aufmerksamkeit erfahren habe, stellt der Landrat fest. Die Umweltministerkonferenz habe sich mit dem Thema beschäftigt, Bundesumweltministerin Steffi Lempe habe ein Schnellabschuss-Verfahren für 2024 angekündigt. „In diesem Jahr sollte alles einfacher werden“, erinnert sich der Landrat. „Aber was ist das Ergebnis heute, fast ein Jahr später? Wir sind immer noch in dergleichen schwierigen Situation. Nichts hat sich verändert.“
Enorme Belastung für die Schäfer
Die Bilder aus Gräpel hätten Emotionen ausgelöst. Noch eindrücklicher sei aber das Erleben vor Ort, sagt Seefried. Nach den Wolfsrissen im Alten Land besuchte er den Schäfer – und sich von ihm die toten Schafe zeigen lassen, die der Wolf zurückgelassen hat. „Das macht etwas mit einem Menschen, der seine Tiere aufzieht“, sagt der Landrat. Das gehe nicht spurlos an einem vorbei. „Es kann doch nicht richtig sein, dass der Artenschutz des Wolfes über dem Leid der Nutztiere steht und über dem Leid der Menschen, die mit ihnen zusammenleben und die sie züchten“, sagt Seefried. Die Belastung der Schäfer infolge der drohenden Wolfsangriffe auf ihre Herden sei enorm.
Schutz an den Deichen ist nicht möglich
Ein Antrieb für das Engagement des Landrates in dieser Angelegenheit ist die zentrale Bedeutung des Küstenschutzes. Nur mit den Schafen sei die Deichsicherheit zu gewährleisten, erklärt der Chef der Kreisverwaltung. Es gehe um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger. Massive Zäune mit Untergrabeschutz seien auf den Deichen kaum zu realisieren: „Das kann man sich vielleicht im Bilderbuch vorstellen oder wenn man keine Ahnung von unseren Küstenschutz-Deichen hat. Gräben, Uferböschungen – die Situation sei zu individuell für solch pauschale Forderungen. „Wer soll das am Ende umsetzen? Diese Argumente sind fernab der Realität“, sagt Seefried. „Es geht bei dieser Frage um das große Ganze.“
Bestandsmanagement muss endlich kommen
Für den Landrat steht fest: „Wenn wir vor dem Oberverwaltungsgericht mit dieser Ausnahmegenehmigung scheitern, dann werde ich mit dem Gerichtsbeschluss nach Berlin zur Bundesumweltministerin fahren, um noch einmal deutlich zu machen, dass wir einen anderen gesetzlichen Rahmen benötigen.“ Ein echtes Bestandsmanagement für den Wolf müsse endlich umgesetzt werden, um die Belange des Artenschutzes und der Menschen im ländlichen Raum unter einen Hut zu bringen. „Das muss unser Ziel sein – und genau deshalb gehen wir als Landkreis Stade diesen Weg.“
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